Verzerrungen und fehlende Analyse im Verfassungsschutzbericht 2018 

Der Thüringer Verfassungsschutzbericht für 2018 wurde am 11. November der Öffentlichkeit vorgestellt und hat bei der Linksfraktion wiederum ein kritisches Echo gefunden. Wie der innenpolitische Sprecher Steffen Dittes sagte, weise der Bericht zwar auf die Funktion der Verfassungsschutzbehörden als „Frühwarnsystem“ hin, „aber zugleich beweist er, dass er diese Funktion in keiner Weise ausfüllen kann“. Für Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft habe er keinerlei Gebrauchswert. „Nicht ohne Grund greifen Medien und Institutionen eher auf die Analysen des 2016 in Thüringen neu errichteten Institutes für Demokratie und Zivilgesellschaft zurück“, so der LINKE-Politiker. Sie weisen deutlich auf die Gefahren hin, die aus der Manifestierung demokratiefeindlicher Einstellungen in der Gesellschaft sowie der Etablierung einer zweifellos verfassungsfeindlich agierenden Partei in den Parlamenten erwachsen. Sie warnen konkret vor der dadurch weiter zunehmende Militanz extrem rechter Täter und Tätergruppen. „Statt auf diesen Zusammenhang einzugehen, belässt es das Amt für Verfassungsschutz im Wesentlichen dabei, Erkenntnisse von Polizei, Journalisten, Zivilgesellschaft und Wissenschaftlern zu reproduzieren. Und selbst diese werden zum Teil verzerrt und einseitig dargestellt“, betonte Steffen Dittes.

Katharina König-Preuss, Sprecherin der Linksfraktion für Antifaschismus, unterstrich: „Die Informationen sind ja nicht neu, sondern von antifaschistischen Gruppen abgeschrieben. Umso erstaunlicher ist, dass das Amt auf eine Darstellung der Produktions- und Vertriebsstrukturen, die rechte Musikszene in Thüringen samt Band-Aufstellung und stattgefundener oder verhinderter Konzerte verzichtet. Trotz umtriebiger Aktivitäten finden sich auch beispielsweise weder die Identitäre Bewegung noch andere rechte Strukturen, wie eine extrem rechte Gruppierung, die mit dutzenden Aktionen im Berichtszeitraum gegen die Moschee in Erfurt-Marbach wetterte. Allerdings bräuchte es dazu weder Geheimdienst noch nachrichtendienstlichen Mittel, die Informationen sind alle offen zugänglich.“
Zwar widme sich das Amt nun auch „Combat 18“ in seinem Bericht, komme damit aber über zwei Jahre zu spät und das auch nur nach öffentlichem Druck. Zu den wenigen positiven Neuerungen gehöre die zumindest oberflächliche Auseinandersetzung des Amtes mit der Qualität des eigenen Hinweisaufkommens zum islamistischen Terrorismus. An einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem kritischen Extremismusbegriff mangele es weiterhin. „Um zu erkennen, dass Straftaten im Bereich Links rückläufig sind und wie sich die anderen Phänomenbereiche bei Straftaten der politisch motivierten Kriminalität entwickelt haben, braucht es keinen Verfassungsschutzbericht. Die Bearbeitung der Straftaten ist Aufgabe der Polizei und nicht des Geheimdienstes, darum hat das LKA dieselben Zahlen bereits vor einem halben Jahr veröffentlicht“, so die Abgeordneten.

Die Schieflage bei der qualitativen Beurteilung von durch das Amt für Verfassungsschutz wahrgenommenen Gefahren zeige auch die Diskreditierung derer, die sich gegen steigende Mieten engagieren. „Wer nach dem NSU, dem Mord an Lübke oder den Morden und dem versuchten Mordanschlag auf die Besucher der Synagoge in Halle die Feinde einer freien und demokratischen Gesellschaft in der sozialen Antigentrifizierungs-Bewegung sieht, hat seine Analyseunfähigkeit unter Beweis gestellt“, sagte Steffen Dittes und Katharina König-Preuss ergänzte: „Manche Schlussfolgerungen im Bericht sind sehr bedenklich. Wenn der Geheimdienst zur Einschätzung kommt, dass von Neonazi-Konzerten in Kirchheim mit durchschnittlich 200 Teilnehmern Vernetzungsbestrebungen 'nur in geringem Umfang' ausgehen, dann ist das eine gefährliche Verharmlosung, die ich ausdrücklich zurückweise. Gerade die kleineren Konzerte wie in Kirchheim sind weniger im Fokus der Behörden als die großen Rechtsrock-Events, Neonazis fühlen sich hier besonders sicher. Uns vorliegende Zahlen aus den Polizeikontrollen belegen allein bei einem Konzert am 11. August 2018 in Kirchheim die Anreise aus neun deutschen Bundesländern sowie aus dem Ausland. An diesem Konzert nahm auch der verurteilte NSU-Unterstützer Andre Eminger teil, als er noch nicht lange auf freiem Fuß war, dabei waren auch Anhänger des kriminellen ‚Objekt 21’ Netzwerkes aus Österreich. Die Hälfte der Konzerte in Kirchheim 2018 wurden von den 'Hammerskins' organisiert und frequentiert. Angesichts dieser Umstände von geringen Vernetzungsbestrebungen zu sprechen, ist fahrlässig und offenbart die Untauglichkeit als Frühwarnsystem.“
 

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