Elektroschock-Waffen ungeeignet für Thüringer Justizvollzug

Dr. Iris Martin-Gehl

Zur Forderung der Gewerkschaft der Polizei Thüringen, die Beamten im Justizvollzug mit Elektroschock-Pistolen auszustatten, erklärt Dr. Iris Martin-Gehl, justizpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag: „Die Sicherheit der Beamtinnen und Beamten im Justizvollzug ist uns wichtig. Dazu gibt es eine entsprechende Ausbildung und Ausstattung. Der Vorschlag einer zusätzlichen Ausstattung mit Elektroschockern stößt bei uns auf Unverständnis. Die Behauptung, es handele sich dabei um ‚kein schmerzbasiertes Einsatzmittel‘, entspricht nicht der Wahrheit. Die so genannten Taser schießen mit 50 Metern pro Sekunde Widerhaken in die Haut von Menschen, die für mehrere Sekunden mit bis zu 50.000 Volt unter Strom gesetzt werden, wodurch es zu heftigen Verkrampfungen und extremen Schmerzen kommt. In den USA wurden tausende Tote nach Taser-Einsätzen registriert. Bei jedem siebten Einsatz war der Elektroschock die Todesursache oder hat den späteren Tod mit herbeigeführt“.

Dr. Martin-Gehl macht darauf aufmerksam, dass der Schmerz durch den Einsatz dieser Distanz-Elektroimpulsgeräte so enorm sei, dass auch Polizeibeamte nach Selbstversuchen diesen als äußerst heftig beschrieben. Ein Trainer der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz erklärte, er wolle den Test nicht erneut erleben: „Auf einer Schmerzskala von eins bis zehn ist das eine Neun, vielleicht sogar eine Zehn", sagte er gegenüber der Deutschen Welle.

Die Abgeordnete betont, dass von der GdP viele sinnvolle Impulse angestoßen und von der Linksfraktion in den Landtag eingebracht wurden und zur Umsetzung kamen. Der neuerliche Vorstoß gehöre jedoch nicht dazu. Dr. Martin-Gehl weiter: „Nicht einmal bei der Polizei ist der Taser wegen der damit verbundenen Gefahren für den Einsatz in der Fläche vorgesehen. Aus guten Gründen ist dieser ausschließlich den Spezialeinsatzkräften vorbehalten, bei denen viel Ressourcen in Ausbildung, wiederkehrende Trainings und Spezialisierung fließen. Ausrüstung und Bewaffnung müssen stets geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. Das ist beim Taser für den Justizvollzug nicht zu erkennen.“ Auch die Begründung, man könne damit besser auf ein Gegenüber einwirken, das unter Betäubungsmittel stünde, ist nicht überzeugend. „Haben Betroffene Alkohol oder Betäubungsmittel konsumiert oder Herzprobleme, erhöht sich sogar das Risiko für ernsthafte Gesundheitsschäden“, so Dr. Martin-Gehl.

Der erzeugte Eindruck, es handele sich um ein ungefährliches Instrument, wird auch durch die Ausführungen des Thüringer Innenministeriums widerlegt. So dürfe die Waffe nicht bei Menschen mit Herzerkrankungen eingesetzt werden und durch die im SEK-Team befindlichen Rettungssanitäter muss eine Versorgung der Betroffenen erfolgen. Distanz-Elektroimpulsgeräte seien zudem nur in wenig ausgewählten Bereichen als „Alternative zur Schusswaffenanwendung bei ähnlichem Niveau der Einschreitschwelle“ für die Spezialkräfte autorisiert. Daher wären auch hypothetische Szenarien, in denen Justizvollzugsbeamte eine solche Waffe einsetzen könnten, kaum in der Praxis des Thüringer Justizvollzuges zu finden. In den seltenen Fällen von ganz erheblichen Bedrohungslagen im Justizvollzug kam in der Vergangenheit erfolgreich das SEK zum Einsatz. „Gerade wegen der Gefährlichkeit des Mittels gehe auch das SEK sehr maßvoll damit um: 2018 wurde der Taser zweimal eingesetzt, 2019 überhaupt nicht. Auch das unterstreicht, dass dieses Mittel in der Thüringer Justiz nicht geeignet ist“, so die Abgeordnete abschließend.

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