Einschüchterung statt Aufklärung – Kritik an unverhältnismäßigen Maßnahmen nach 1. Mai in Gera
Am 1. Mai 2023 fand eine antifaschistische Demonstration in Gera statt, die aufgrund von Kommunikationsfehlern der Polizei fälschlicherweise gestoppt wurde, woraufhin es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Eine Hälfte der Demonstration wurde dann willkürlich und unverhältnismäßig eingekesselt, von über 250 Personen die Identität festgestellt und eine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt. Anlässlich der heute erfolgten Durchsuchungen in mehreren Bundesländern erklärt Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE:
"Seit über sechs Monaten versuchen wir im Landtag, diesen völlig fehlgelaufenen Einsatz auf verschiedenen Ebenen aufzuklären. Diese Einkesselung wurde dem Gericht gegenüber u.a. mit einem vermeintlichen Pfefferspray-Einsatz begründet. Bis heute liegen uns lediglich Nachweise darüber vor, dass die Polizei selbst Pfefferspray eingesetzt hat. Fotos dokumentieren, wie Polizeibeamte von ihren eigenen Kollegen getroffen wurden. Es liegt nahe, dass bereits der damalige Beschluss fälschlich zustande gekommen ist, da man das "friendly-fire" Pfefferspray den Versammlungsteilnehmern zugerechnet hatte. Dass heute willkürlich eingekesselte Personen mit Wohnungsdurchsuchungen überzogen wurden, ist erneut unverhältnismäßig und zur Aufklärung der fraglichen Sachverhalte weder geeignet noch angemessen."
König-Preuss weiter: "Die auf Bestreben der Polizei durch die Staatsanwaltschaft Gera eingeholten Durchsuchungsbeschlüsse beim Amtsgericht Gera sind wenig substanziell. Es gibt nach uns vorliegenden Beschlüssen nicht einmal einen individuellen Tatbeitrag oder ein Verschulden, welches Personen konkret vorgeworfen wird. Zur Last gelegt wird bspw., dass sie bei der angemeldeten Demonstration am 01. Mai im vorderen Bereich teilgenommen haben und zuvor die falsche Kleiderfarbe wählten."
In der Antwort auf die Kleine Anfrage (7/8972) wurde bestätigt, dass sechs Durchsuchungen vom selben Gericht gegen die links-alternative Szene in Jena 2021 inzwischen für rechtswidrig erklärt wurden. So lag nicht einmal ein hinreichender Tatverdacht gegen einige der Beschuldigten vor. „Unschuldigen wurden die Türen eingetreten und ihr Privatbereich verletzt, um damit eine politische Strömung insgesamt einzuschüchtern. Der Sachverhalt war ähnlich: Aus einem unverhältnismäßig groß angelegten Datentopf wurden mehr oder weniger willkürlich Personen ausgewählt und mit Exekutivmaßnahmen konfrontiert. Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen aus diesen Fehleinschätzungen resultieren, von den psychologischen Folgen für die Betroffenen ganz zu schweigen“, schätzt die Abgeordnete ein.
"Über Stunden wurden 250 Personen willkürlich eingekesselt, darunter Vertreterinnen der „Omas gegen Rechts“, es gab keine Toiletten, junge Frauen mussten unter teils entwürdigenden Zuständen ihre Notdurft verrichten. Am 1. Mai in Gera ist richtig viel schief gegangen. Anstelle eine Fehlerkultur in Sicherheits- und Justizbehörden zu etablieren, wird Fehlverhalten unter den Tisch gekehrt oder hanebüchene Rechtfertigungen konstruiert. Als Teil der rot-rot-grünen Landesregierung sind wir seit Jahren darum bemüht, das Vertrauen in Polizei- und Justizbehörden zu stärken. Wenn aber Teilnehmende von Versammlungen mit derart unpräzisen Ermittlungsmaßnahmen konfrontiert werden und damit Einschüchterung erzeugt wird, haben wir ein massives Problem. Menschen, die an einer angemeldeten Versammlung gegen Neonazis in Thüringen teilnehmen, müssen ausgehend von den polizeilichen Maßnahmen am 1. Mai und den heutigen Durchsuchungen künftig davon ausgehen, Ziel von Grundrechtseinschränkungen, Durchsuchungen, Identitätsfeststellungen und dem Einrammen von Haustüren zu werden, ohne sich selber rechtswidrig verhalten zu haben. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut, welches es zu schützen gilt. Alle Maßnahmen haben sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu orientieren!“, erklärt Katharina König-Preuss abschließend.