Rechtsmittel gegen sogenannte Antiextremismuserklärung

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/2303 -


Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eigentlich wollten wir eine Debatte zu den juristischen Fragen um die Extremismusklausel, aber schon Frau Meißner hat die Debatte auf das Inhaltliche gelenkt, Herr Barth hat noch eines draufgesetzt, deswegen zuerst auch noch ein paar inhaltliche Vorbemerkungen. Natürlich bleiben wir bei unserer Kritik an der Extremismusklausel. Wir sind gegen eine Gesinnungsüberprüfung bei Projekten für Demokratie und


(Beifall DIE LINKE)


gegen Rechtsextremismus. Ich möchte auch noch einmal an dieser Stelle Frau Ministerin Taubert ganz herzlich danken. Sie hat in der Debatte um das Landesprogramm zu unserem Entschließungsantrag sich ganz eindeutig und klar positioniert


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und - ich denke, wir alle haben es auch positiv in Erinnerung - die Betroffenen in Thüringen, die Projekte, die Institutionen haben auch dieses Signal empfangen und sind auch dafür sehr dankbar. Ich glaube, das sollten wir an dieser Stelle noch einmal festhalten. Weil eben so gesagt wurde, es ist ja klar, aus welcher Ecke das kommt, möchte ich noch mal darauf hinweisen: Die Kritik an der Extremismusklausel geht weit über den Bereich der Politik und der Betroffenen hinaus. Das Land Berlin ist schon genannt worden; hinzu kommen das Land Sachsen-Anhalt, das Land Brandenburg und das Land Mecklenburg-Vorpommern haben die Rücknahme gefordert, weiterhin der Zentralrat der Muslime und der Zentralrat der Juden in Deutschland, der DGB, die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, Aktion Sühnezeichen.


(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Alles Linksradikale.)


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da kann man nicht sagen, das ist ganz klar, aus welcher politischen Ecke das kommt. Oder würden Sie sagen, DGB, Kirche, Zentralrat und so weiter, das lässt sich diskreditieren?


(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Die sind alle von der LINKEN.)


Ich denke, nicht. Es gab 1.500 Protestschreiben zwischenzeitlich an Frau Ministerin Schröder in Berlin, darunter auch renommierte Wissenschaftler wie zum Beispiel der Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin Prof. Benz. Die politischen, die fachlichen und die juristischen Einwände wurden weggewischt in Berlin. Deswegen blicken jetzt so viele Träger und Projekte auf das Land Berlin, das Widerspruch eingelegt hatte und jetzt prüfen muss, ob auch der Klageweg beschritten wird. Die Landesregierung, ich sage bewusst, die Landesregierung - vorhin hieß es an einer Stelle, das ist nur das Sozialministerium, das ist nicht richtig - hat sich klar und deutlich ausgesprochen in Thüringen. Ich möchte auf einen TAZ-Artikel verweisen vom 15.02.2011. In diesem Artikel ging es um die Frage, wie verhalten sich die Länder zur Extremismusklausel, und darin, ich zitiere den TAZ-Artikel, heißt es: „Das von CDU und SPD regierte Thüringen werde bei der Vergabe von Landesmitteln keine Erklärung verlangen,


(Beifall DIE LINKE, SPD)


heißt es im dortigen Innenministerium.“ Mit dem hat nämlich die TAZ gesprochen.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Weiter sagt das Innenministerium der TAZ: „Es verweist auf die Stasi-Erfahrungen vieler Ostdeutscher“. Danke, Innenministerium, an dieser Stelle mal.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ansonsten sind Sie ja häufig in der Kritik von uns, aber da muss ich sagen, der Verweis gerade auf diese Erfahrungswelt Ostdeutscher ist genau richtig, um auch die Dimension der Extremismusklausel wirklich ganz einzuordnen.

Neben diesen politischen Erklärungen haben wir jetzt aber ein Problem. Fakt ist, dass es in Thüringen Träger gibt, wie z.B. die lokalen Aktionspläne, die direkt über Bundesmittel gefördert werden, und die dieser Tage entscheiden müssen, unterschreiben oder nicht. Die Ersten haben auch bereits mit Blick auf den möglichen Stopp der Finanzmittel eingewilligt. Das ist auch Fakt in Thüringen. Das bewegt uns zu der Aussage, das politische Signal reicht uns an dieser Stelle nicht aus. Wir brauchen Rechtssicherheit für die Träger und Projekte in Thüringen. Um diese Rechtssicherheit geht es uns bei unserem Antrag, jetzt juristisch zu prüfen und dann zu entscheiden auf Grundlage der juristischen Prüfung, ob das Land Thüringen auch Rechtsmittel einlegen wird. Es macht schon einen Unterschied, ob das Land Berlin allein den Rechtsweg beschreitet oder ob es von Thüringen unterstützt wird oder möglicherweise auch von Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist natürlich ein politisches Signal und das wäre nicht zu unterschätzen.

Zum Alternativantrag der FDP: Im Kern ist das derselbe Geist wie die Extremismusklausel. Auch hier zählt Verdacht und Zwang statt demokratischer Kultur. Es geht um Bekenntnisse, um Eide, aber in meinem Verständnis hat das mit einer offenen demokratischen Gesellschaft nichts zu tun.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich muss mich an manchen Stellen auch wundern, wie diejenigen, die gerade unter biographischen Erfahrungen gelebt haben, wo das Bekenntnis die Überzeugung ersetzt hat, zu solchen Ideen wieder greifen können.


Weiterhin ist in Ihrem Vorschlag zu kritisieren, die Träger sollen auch bei Ihnen verpflichtet werden, den Bekenntniszwang an die beteiligten Projektpartner weiterzugeben. Sie haben sich an dieser Stelle nicht positioniert zu der Problematik, dass derartige Erklärungen erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Normalerweise trägt die FDP im Bund gelegentlich den Titel Bürgerrechtspartei. Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie zu diesen verfassungsrechtlichen Bedenken etwas sagen. Stattdessen haben Sie hier eine - ich sage mal - Rechtsaußenposition in Ihrer Partei vertreten, die Ihnen nicht gut zu Gesicht steht.


(Beifall DIE LINKE)


(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das ist genau das, was ich meine.)


Ich habe gesagt, innerhalb Ihrer Partei gibt es durchaus auch andere, die in dieser Frage eine bürgerrechtliche Position eingenommen haben.


(Beifall DIE LINKE)


Dieser Position in Ihrer Partei wollen Sie nicht folgen und das ist eine reine Feststellung.

Frau Meißner - ist sie noch da?, ja, da hinten -, Sie haben gesagt, na ja, die Projekte haben es leicht, zu ihrer Erkenntnisgewinnung können sie bei den Landesämtern für Verfassungsschutz nachfragen, dann können die sagen, mit wem es geht und mit wem nicht. Schauen Sie mal in die Presse. Es gab in den letzten Wochen und Monaten zwei juristische Entscheidungen zu Veröffentlichungen von Landesämtern zu Pressearchiven und Zeitungen. Die Landesämter hatten diese als linksextrem eingestuft und die Landesämter haben vor Gericht verloren. Es war in Bayern, in Nordrhein-Westfalen, wo die Landesämter eben nicht mehr behaupten dürfen, dass diese Zeitungen und Archive linksextremistisch sind. Das zu dem Gehalt der Aussagen, die wir in den Broschüren des Landesamtes für Verfassungsschutz lesen können.


(Beifall DIE LINKE)


Das Zweite, Sie haben auch etwas Unwahres hinsichtlich einer Identität der Erklärung, die unter Ministerin Schmidt und Schröder bestünden, gesagt. Das ist falsch. Der erste Teil der Extremismusklausel ist tatsächlich identisch. Der zweite Teil, um den es hier bei der Frage der juristischen Prüfung geht, fehlte bei Frau Schmidt in der Erklärung. Und - jetzt kommt das Entscheidende - die Erklärung, die unter Ministerin Schmidt bestand, musste nicht unterschrieben werden, die ist lediglich zur Kenntnisnahme an die Projekte weitergegangen. Also dieser Bekenntniszwang, um den es ja hier geht, bestand dort nicht. Deswegen ist es einfach falsch und es ist auch nicht lauter, zu behaupten, dass das schon unter Ministerin Schmidt so fortbestehen würde.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Barth - nur ganz kurz -, Sie sind dann noch ausführlich auf die Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ in Suhl eingegangen. Wir haben einen entsprechenden Antrag hier eingereicht. Das Plenum hat sich dazu entschlossen, es nicht in dieser Plenarsitzung zu behandeln. Wir haben Gelegenheit, in der nächsten Tagung dazu zu sprechen und dann werden wir die inhaltlichen Argumente noch einmal austauschen. Ich finde hier, wo wir eine juristische und politische Frage der Extremismusklausel behandeln wollten, hat das eigentlich nicht hingehört.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das sagt dann mehr über den Redner als über das Thema.)


Über Schwarz-Weiß-Denken, was Sie uns vorwerfen, ich glaube, das fällt auf den Redner zurück, sollten Sie mal nachdenken, ob das nicht die Schemata sind, in denen Sie sich bewegen.


(Beifall DIE LINKE)


Abschließend: Was wir eigentlich mit diesem Antrag wollen, ist, die Träger und Projekte in Thüringen zu unterstützen, denn diese Träger und Projekte in Thüringen verdienen unser Vertrauen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das sollten wir an dieser Stelle auch deutlich zeigen. Wir können diese Träger auch unterstützen, indem das Land Thüringen juristische Schritte gegen Gesinnungsschnüffelei einleitet und eben auch das Land Berlin in seiner Klage unterstützt. Ich denke, dann wird die Zeit kommen, dass die Extremismuserklärung in dieser Form nicht mehr besteht. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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