Erklärung für ein demokratisches, tolerantes und welt- offenes Thüringen

Antrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/12 -

Der Thüringer Landtag erinnert in diesem Jahr an die friedliche Revolution vor 20 Jahren, aus der Thüringen als demokratischer Verfassungsstaat hervorgegangen ist. In der Präambel der Verfassung des Freistaats Thüringen haben die Mütter und Väter der Landesverfassung auf die "leidvollen Erfahrungen mit überstandenen Diktaturen" hinge- wiesen und in Artikel 1 dieser Verfassung die Würde des Menschen zum fundamentalen Maßstab unseres Gemeinwesens erklärt.

Der Schutz der Menschenwürde verlangt, entschlossen gegen Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit vorzugehen. Die Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie sie im Grundgesetz und der Verfassung des Freistaats Thüringen konkretisiert ist, erfordert die entschlossene Auseinandersetzung mit allen Gegnern dieser Ordnung.

Bei den Kommunalwahlen 2009 sind rechtsextreme Parteien und Gruppierungen in Kommunalparlamente eingezogen. Aber auch das Abschneiden der NPD bei den Landtagswahlen 2009 bleibt eine Warnung - selbst wenn ihr der Einzug in den Thüringer Landtag zum fünften Mal nicht gelungen ist.

Der Thüringer Landtag teilt die Sorge vieler Menschen vor einem Erstarken vor allem rechtsextremer Gruppierungen, die gegenwärtig in Thüringen die größte Herausforderung für Menschenwürde, Demokratie und Freiheit darstellen. Der Landtag ist sich dabei bewusst, dass die Menschenwürde und der demokratische Verfassungsstaat nicht alleine durch Rechtsextremisten in Frage gestellt werden.

Das entschlossene Vorgehen gegen Extremismus und Gewalt - gegenwärtig vor allem gegen den Rechtsextremismus - ist nicht alleine Aufgabe des Staates. Die Auseinandersetzung muss auf allen Ebenen geführt werden und mitten in der Gesellschaft mit der Aufklärung über die menschenverachtenden Ideologien beginnen, die sich hinter ein- gängigen Parolen, Klischees und Verharmlosungen verbergen.

Hierbei sind Eltern und Erzieher, die Schulen und Universitäten, die Jugend- und Sportverbände und die Medien gefordert - aber auch alle gesellschaftlichen Organisationen sowie die demokratischen Parteien und Initiativen. Der Schutz von Demokratie und Freiheit beginnt mit dem Schulterschluss der Demokraten. Der Thüringer Landtag dankt den vielen Bürgerinnen und Bürgern und zahlreichen kommunalen Initiativen, die sich seit Jahren in diesem Sinn engagieren.

Der Thüringer Landtag hält vor diesem Hintergrund fest:

1. Die Abgeordneten des Thüringer Landtags ermutigen die Bürgerinnen und Bürger des Freistaats Thüringen, für die auf der unveräußerlichen Menschenwürde fußende freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, und lassen sich in ihrer politischen Arbeit selbst an diesem Maßstab messen. Wir stehen für ein tolerantes, weltoffenes und demokratisches Thüringen und verurteilen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit und wenden uns entschlossen gegen alle Bestrebungen, durch die das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft gefährdet wird.

2. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ein neues Verbotsverfahren der Bundesregierung gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht zu unterstützen, sobald begründete Aussicht auf einen Erfolg besteht. Es muss auch in Thüringen sichergestellt werden, dass ein Verbotsverfahren nicht erneut scheitert.

3. Die Fraktionen des Thüringer Landtags sind sich einig, der NPD und vergleichbaren Bestrebungen und Gruppierungen gleich welcher politischen Richtung und Motivation entschlossen entgegenzutreten, denn:

a) rechtsextreme Kräfte verfolgen verfassungsfeindliche Ziele. Sie sind bestrebt, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu unterlaufen und stellen die Legitimität der Staats- und Verfassungsordnung in Frage.

b) rechtsextreme Kräfte propagieren einen völkischen Kollektivismus und agitieren aggressiv rassistisch, antisemitisch und fremdenfeindlich. Das widerspricht der unantastbaren Menschenwürde als Fundamentalnorm der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

4. Der Landtag verurteilt alle Formen der Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Denn der Beitrag der Zivilgesellschaft in dieser Auseinandersetzung wird umso glaubwürdiger sein, je unzweifelhafter ist, dass seine Träger selbst auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen, auf Gewalt verzichten und für Toleranz und Weltoffenheit eintreten.

5. Der Thüringer Landtag appelliert:

a) an alle Verantwortlichen in Politik, Verbänden und Vereinen, ein Klima zu schaffen, das von Respekt für alle Menschen unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe, sexueller Ausrichtung, Alter, Religion und Weltanschauung getragen ist.

b) an die Sozialpartner, verstärkt für Gleichberechtigung und Antidiskriminierung einzutreten, um eine Arbeitswelt des Miteinanders zu gestalten.

c) an alle Kirchen und Religionsgemeinschaften, weiterhin für ein Klima des Verständnisses und der Toleranz einzutreten und aufzuzeigen, wie die Würde des Menschen geschützt werden kann.

d) an Exekutive und Justiz, alle Mittel und Maßnahmen zur Bekämpfung von Extremismus - gegenwärtig vor allem des Rechtsextremismus - und Rassismus im Rahmen des rechts- staatlich Möglichen auszuschöpfen und politisch motivierte Kriminalität konsequent zu verfolgen und zu ahnden.

e) an die Landesregierung, Maßnahmen für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit in einem Landesprogramm zu bündeln.

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