Nr. 07/2011: „Extremismusexperte“ vergleicht linke Positionen mit neonazistischer Hetze

Bodo Ramelow an Eckhard Jesse: Ich lasse mich nicht als Ihr Feigenblatt benutzen!

In Form eines Offenen Briefes hat sich Bodo Ramelow am 30. März an Prof. Dr. Eckhard Jesse gewandt. Wir dokumentieren Auszüge aus diesem längeren Schreiben, das in der Wochenzeitung Der Freitag, Ausgabe 31. März, Gegenstand der  Betrachtung war, und das vollständig auf den Internetseiten der Linksfraktion nachzulesen ist:

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Jesse, Ihrer Bitte, eine Besprechung des Verfassungsschutzberichtes des Jahres 2009 des Bundesamtes für Verfassungsschutz für Ihr Jahrbuch „Extremismus & Demokratie“ zu verfassen, werde ich nach reiflicher Überlegung nicht nachkommen. Denn das von Ihnen gemeinsam mit Prof. Dr. Uwe Backes und Prof. Dr. Alexander Gallus seit 1989 herausgegebene Jahrbuch ist kein geeigneter Ort, um mich kritisch und aus einer demokratischen Perspektive mit der Arbeit des Verfassungsschutzes auseinanderzusetzen. Um es gleich deutlich zu sagen: Ich verweigere mich dem Versuch, mich als Ihr Feigenblatt benutzen zu lassen, um Ihrer Arbeit einen pluralen und objektiven Anstrich zu geben.

Seit Jahren muss ich zur Kenntnis nehmen, dass Sie als ein Vertreter der „Totalitarismustheorie“ und als sogenannter „Extremismusexperte“ linke Positionen mit rechtsextremer und gar neonazistischer Hetze gleichsetzen. Zugleich unterstellen Sie meiner Partei, einen „weichen Extremismus“ zu vertreten, der politisch gefährlicher sei als der „harte Extremismus“ der NPD, erst unlängst bei einer Veranstaltung des Landesamtes für Verfassungsschutz in Erfurt.

Mit der von Ihnen und in Ihrem „Jahrbuch“ vertretenen „Extremismustheorie“ verharmlosen Sie Rassismus, Neonazismus und rechtsextreme Gewalt. Dabei ist Ihre Theorie in der Wissenschaft höchst umstritten. Mit dem politisch motivierten Kampfbegriff des Extremismus behindern Sie die notwendige Analyse rechter Ideologien, anti-egalitäre Einstellungsmuster in anderen politischen Strömungen und der gesellschaftlichen „Mitte“ und leugnen damit gleich auch noch die historische Verantwortung der konservativen Eliten am deutschen Faschismus. Dabei wird der auch in der „Mitte“ der Gesellschaft virulente Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus, wie ihn die Studien der Universitäten Jena („Thüringen Monitor“) und Bielefeld („Deutsche Zustände“) immer wieder feststellen, vollkommen ignoriert.

Auf der einen Seite warnen Sie in alarmistischem Ton vor der Linken und gefallen sich als Vordenker des Anti-Antifaschismus. Auf der anderen Seite verharmlosen Sie die extreme Rechte. So warnten Sie vor „Alarmismus“ in der Debatte über die NPD, lehnten als Gutachter im NPD-Verbotsverfahren ein Verbot der neonazistischen Partei ab, beklagten Kritik am Antisemitismus schon mal als „hysterische Reaktion“, diffamierten in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (06.05.2010) friedliche Sitzblockaden gegen Neonaziaufmärsche als undemokratisch, sehen in den „Verhaltensweisen von Repräsentanten des Judentums“ einen Grund für das Erstarken des Antisemitismus und halten die extrem rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ „im Kern des demokratisch-konservativen Spektrums“ angesiedelt. Und Sie glauben sogar, dass „jüdische Organisationen … Antisemitismus in einer gewissen Größenordnung [brauchen], um für ihre Anliegen Gehör zu finden (…)“. Eine unglaubliche Behauptung.

http://www.die-linke-thl.de/nc/politik/aktuell/

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