„Abgehängt“ und Sehnsuchtsort

Wo lebt es sich besser – auf dem Dorf oder in der Stadt? Die Frage ist längst nicht mehr nur eine der persönlichen Vorlieben. Viel ist in den vergangenen Jahren über abgehängte Regionen, ausgedünnte Daseinsvorsorge und eine schlechtere Infrastruktur der Chancen auf dem Land diskutiert worden. Zugleich haben die Auseinandersetzungen um explodierende Mieten in den Städten, um die dortige Verkehrskrise oder „Problemviertel“ in den Metropolen zugenommen.


Artikel 72 des Grundgesetzes enthält einen Verfassungsauftrag für öffentliches Handeln: Es geht um die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Dabei geht es nicht um Gleichmacherei, sondern um die Frage, wie Politik dafür sorgt, dass „gleiche Chancen für alle – egal wo in Deutschland“ herrschen, wie es die Tagesschau einmal formuliert hat.


Nun hat der MDR die Menschen unter anderem im Freistaat gefragt, wo sie gern leben würden und was sie von der Politik erwarten. Eine deutliche Mehrheit sagte, dass die ländlichen Regionen in der Bundesrepublik mehr Investitionen bekommen und mehr Beachtung durch die Politik erfahren sollten. Rund drei Viertel sprachen davon, dass die Menschen auf dem Land und der ländliche Raum insgesamt „abgehängt“ seien.
Unter denen, die selbst auf dem Land wohnen, wird vor allem eine gute Anbindung ihrer Gemeinden erwartet. 61 Prozent erklärten, sie würden eine gute Verkehrs-Infrastruktur wie in den Städten vermissen. Fast ebenso viele beklagten den Mangel an in der Nähe praktizierenden Ärzt*innen. Jeweils 43 Prozent sagten, es fehle in den ländlichen Räumen an vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten oder Kultur- und Freizeitangeboten; ebenso viele hielten die Netzabdeckung auf dem Dorf für schlechter als in der Stadt.


Um das Landleben attraktiver zu machen, seien nach Ansicht von drei Viertel der Dorfbewohner*innen sowohl die Politik als auch die Menschen vor Ort selbst in der Pflicht. Interessant ist, dass trotz der kritischen Meinungen zum Landleben die meisten der Befragten – 36 Prozent – am liebsten auf dem Dorf leben möchten, wenn sie es sich aussuchen könnten. Vor allem die Ruhe, mehr Platz und einen „Gemeinschaftssinn“ erachteten viele hier als erstrebenswert. Das Leben am Stadtrand fand ein Viertel attraktiv, das in einer Kleinstadt jede*r Fünfte. Nur zehn Prozent sagten, sie würden am liebsten in einer Großstadt leben.
Ein wichtiges Ergebnis der Befragung des MDR: Mehr als ein Drittel der Befragten in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sagten, sie würden sich nicht mehr ausreichend über ihren Ort oder ihre Region informiert fühlen. Ein Viertel der Menschen verwies darauf, dass ihrer Meinung nach das Angebot an lokalen Informationen in den letzten Jahren zurückgegangen sei – in Thüringen waren es sogar 32 Prozent. PR