Gefahren durch Pandemieleugner:innen und Verschwörungsideolog:innen
Seit Mai 2022 tagt im Thüringer Landtag auf Antrag der CDU der Untersuchungsausschuss „Politisch motivierte Gewaltkriminalität“. Ziel der Einsetzung war die Konstruktion einer angeblichen Gefahr durch „Linksterrorismus“ in Thüringen. Während CDU und AfD im Ausschuss bisher daran gescheitert sind, hierfür Nachweise zu erbringen, nutzen Katharina König-Preuss, Christian Schaft und Sascha Bilay als Abgeordnete der LINKEN den Ausschuss, um das Ausmaß rechter Gewalt in Thüringen deutlich zu machen und extrem rechte Netzwerke zu beleuchten. Davon ausgehend soll untersucht werden, was Behörden, Politik und eine antifaschistische Zivilgesellschaft tun können, um die extreme Rechte in Thüringen wirkungsvoll zu bekämpfen. In der März-Sitzung standen die Entwicklungen im Kontext der Corona-Pandemie und die Szene der Pandemieleugner:innen und Verschwörungsideolog:innen im Mittelpunkt des Ausschusses.
Für die Sitzung im März hatte DIE LINKE vorgeschlagen, Heike Kleffner und Matthias Meisner zu laden. Die Koalition beantragte dies im Untersuchungsausschuss. Beide arbeiten als Journalist:innen und Autor:innen seit mehreren Jahrzehnten zur extremen Rechten und haben 2021 das Buch „Fehlender Mindestabstand – Die Coronakrise und die Netzwerke der Demokratiefeinde“ herausgegeben.
Für Christian Schaft, der als stellvertretender Vorsitzender die Sitzung im März leitete, waren die Schilderungen der beiden Sachverständigen eindrücklich: „Pandemieleugner:innen und Verschwörungsideolog:innen haben den öffentlichen Raum genutzt und für sich markiert. Sie konnten dabei auf rechte, rassistische und antisemitische Einstellungsmuster aufsetzen. Massenhafte Regelbrüche wurden dabei als Widerstand glorifiziert und normalisiert und in der Folge als legitim betrachtet. Die Pandemie wirkte hier regelrecht wie ein Brandbeschleuniger“. Die Sachverständigen haben hierzu auch auf die Kontinuitäten bei den Protestierenden hingewiesen. Viele Personen, Strukturen und Organisationszusammenhänge die schon 2015 und 2016 an den rassistischen Demonstrationen gegen Geflüchtete teilgenommen haben, konnte man auch auf den Demonstrationen gegen die Schutzmaßnahmen sehen. Mittlerweile sind sie auf neue Themen wie den Krieg in der Ukraine aufgesprungen und damit weiterhin regelmäßig auf der Straße. Sascha Bilay nahm in der Befragung der Sachverständigen auch die Rolle der bürgerlichen Parteien in den Blick. So beteiligte sich der Fraktionsvorsitzende der CDU, Mario Voigt, im März 2021 an einem so genannten Schweigemarsch in Eisenberg. Die Sachverständigen machten hierzu deutlich, dass es in den letzten Jahren zu einer ganzen Reihe von fatalen Normalisierungsprozessen gekommen ist: „Von dem, was da inhaltlich transportiert wird und insbesondere mit Blick auf die Organisator:innen der Proteste, war eigentlich lange schon klar, dass es sich hier um rechte bis extrem rechte Veranstaltungen handelt. Die Darstellung als „legitime Bürger:innenproteste“ trägt dabei zur Verharmlosung dieses Gefahrenpotenziales bei“, fasst Sascha Bilay die Aussagen der Sachverständigen zusammen.
„Pandemieleugner:innen und Verschwörungsideolog:innen haben den öffentlichen Raum genutzt und für sich markiert. Sie konnten dabei auf rechte, rassistische und antisemitische Einstellungsmuster aufsetzen.“
Christian Schaft
Stellv. Vorsitzender des UA 7/3
Erschreckend ist das Ausmaß an Gewalt und Einschüchterungen, dass in den letzten Jahren in Thüringen durch diese Bewegung zu verantworten ist: „Angriffe auf Journalist:innen, Gegendemonstrant:innen und Polizist:innen, Anschläge auf Impfstellen, die Bedrohungen von medizinischem Personal und Einschüchterungen gegenüber politischen Mandatsträger:innen, dazu eimerweise Hass, der in den sozialen Medien verbreitet wird – das alles wird von dieser Bewegung, die sich selbst für friedlich und demokratisch hält, nicht nur toleriert, sondern aktiv gefördert und beklatscht“, ergänzt Katharina König-Preuss. Christian Schaft hatte in der Landtagssitzung im März eine mündliche Anfrage zu den Corona-Protesten in Thüringen gestellt, welche ergab, dass in Thüringen seit November 2021 insgesamt mindestens 2624 unangemeldete Versammlungen stattgefunden haben. Im Rahmen dieser Demonstrationen wurden allein im Jahr 2021 198 polizeilich erfasste Straftaten verübt, die dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität - nicht zuzuordnen“ zugeordnet wurden. Das sind mehr als fünfmal so viele wie in allen anderen Bereichen. Dass Straftaten aus der Szene der Pandemieleugner:innen und Verschwörungsideolog:innen von der Polizei als „nicht zuzuordnen“ erfasst werden, wird dabei von den Abgeordneten und den Sachverständigen gleichermaßen als Problem gesehen.
„Auch, dass man diese Straftaten seit neuestem unter ‚sonstige Zuordnung‘ in der Statistik erfasst, ist kein adäquater Umgang und kein zufriedenstellender Ansatz. Die ideologischen und organisatorischen Schnittmengen zur extremen Rechten können so nicht begriffen werden und führen zu einer falschen Analyse“, so Christian Schaft. Insbesondere Heike Kleffner machte dazu in ihrem Beitrag deutlich, dass mit einer falschen Analyse der Tatmotivation letztlich auch die Polizei nicht richtig ermitteln kann. Dabei zeigt eine Betrachtung dieser Motivationen oft ein Weltbild, das klar der extremen Rechten zuzuordnen ist, wie sie anhand der Morde in Idar-Oberstein und Senzig ausführen konnte. Die Sachverständigen stellten dar, dass die extreme Rechte von Anfang an auf diesen Demonstrationen anwesend war und sich Protagonist:innen als Wortführer:innen und Organisator:innen durchgesetzt haben, denen immer noch hunderte Menschen jede Woche hinterherlaufen. Von der AfD über ‚Freies Thüringen‘ bis hin zu Reichsbürgern und Neonazis hat sich auf der Straße ein Schulterschluss verschiedenster rechter wie extrem rechter Akteur:innen vollzogen. Die dadurch gebildeten Netzwerke stellen ein erhebliches Gefahrenpotenzial für die Demokratie und zivilgesellschaftliche Akteur:innen dar.
Die Anhörung von Heike Kleffner und Matthias Meisner sehen die Abgeordneten daher auch als Bestätigung der bisherigen Arbeit der Fraktion DIE LINKE im Untersuchungsausschuss. Diese erklärt Katharina König-Preuss folgendermaßen: „Unser Ziel ist es, die Gefahr, die von den Strukturen und Netzwerken der extremen Rechten in Thüringen ausgeht, zu beleuchten, die notwendigen Schlussfolgerungen für die Anpassungen der Instrumente der Ordnungs- und Sicherheitsbehörden sowie der Justiz zu ziehen und der demokratischen Zivilgesellschaft vor Ort den Rücken zu stärken“.
Bericht des AK UA 7/3