Faire Agrarpolitik: Für mehr Transparenz auf Pacht- und Bodenmarkt
Anfang April besuchten der Fraktionsvorsitzende Steffen Dittes und Abgeordneter Sascha Bilay die Hofkäserei Burgmühle in Haina bei Gotha, um den kleinen Bio-Hof zu besichtigen und mit dem Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Reiko Wöllert ins Gespräch zu kommen. Am Rande des Besuchs übergab Sascha Bilay außerdem eine Spende im Namen der Alternative 54 e.V. für den durch Sturmschäden stark beschädigten Folientunnel des Bauernhofes.
Auf dem Hof leben derzeit fünf Milchkühe, rund 40 Ziegen und zehn Schweine. Milch, Käse und Brot werden hier in liebevoller Handarbeit und Bio-Qualität produziert und direkt im kleinen Hofladen vermarktet. Die Betreiber:innen legen großen Wert auf Ursprünglichkeit und Regionalität. Das Heu als Grundfutter für die Tiere wird selbst produziert. Kraft- und Eiweißfutter kommt von den Höfen aus der unmittelbaren Umgebung. Auch wenn es hier in der Burgmühle vergleichsweise klein und übersichtlich zugeht, reichen der bio-dynamische Anbau und der regionale Direktvertrieb aus, um den Landwirt:innen ein einträgliches Auskommen zu sichern. Denn die Konsument:innen wissen die gute Qualität der Lebensmittel zu schätzen. Am Anschluss an die kleine Tour über den Hof wurde über den aktuellen Stand des geplanten Agrarstrukturgesetzes gesprochen.
Thüringen zählt zu den Ländern, die dieses auf den Weg bringen wollen. Gemeinsam mit den Koalitionsparteien soll damit vor allem Transparenz auf dem Pacht- und Bodenmarkt geschaffen werden. „Ziel ist es, die Pacht- und Bodenpreise nicht weiter ins Unermessliche steigen zu lassen, denn dadurch werden die Flächen für heimische Landwirte unerschwinglich“, beschrieb die Thüringer Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft Susanna Karawanskij, das Gesetz im Interview mit der Bauernzeitung. Diese Entwicklung gefährde die Agrarstruktur mit regional verankerten Betrieben, breiter Eigentumsstreuung und regionaler Wertschöpfung. Die Linksfraktion will hingegen, dass Landwirtschaftsbetriebe vor Ort die Entscheidungen treffen und nicht allein von Maximalgewinn orientierten Investoren aus der Ferne bestimmt werden.
Das Hauptziel, Transparenz auf dem Pacht- und Bodenmarkt zu schaffen, bedeutet auch, einen besseren Überblick der Eigentumsstruktur in Thüringen zu erhalten. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat in ihrem Bericht zum Bodenmarkt festgestellt, dass der Einstieg von nicht-landwirtschaftlichen Investoren insbesondere in den ostdeutschen Ländern zugenommen hat. Die Übernahme landwirtschaftlicher Betriebe durch inner- und außerlandwirtschaftliche Investoren ist auch in der Thüringer Agrarstruktur zu erkennen. Neben einer transparenteren Übersicht der Besitzverhältnisse ist also vor allem ein gesetzlicher Regelungsbedarf notwendig. Ministerin Karawanskij erklärt, „unser Ansatz verfolgt das Ziel, eine marktbeherrschende oder missbräuchliche wettbewerbsrechtliche Stellung zu verhindern, damit die Agrarstruktur keinen Schaden nimmt. Wir orientieren uns dabei ausdrücklich am Kartellrecht.“
Der Druck auf Landwirte steigt
Herausforderungen nicht nur bei der Nachwuchsgewinnung
Um die verschiedenen Perspektiven der Landwirtschaft einnehmen zu können, trafen sich die Abgeordneten Steffen Dittes, Dr. Marit Wagler und Karola Stange mit Dr. Klaus Wagner, Präsident des Thüringer Bauernverbands und Geschäftsführer von Agrar Universal. Er führte sie zu verschiedenen Standorten des Verbands.
Im Ortsteil Mittelhausen, der zum Wahlkreis von Karola Stange gehört, fanden die Abgeordneten eine leere Stallanlage vor. Wegen Anwohner:innen-Beschwerden, aber auch wegen nicht rentabler Umbaumaßnahmen wurde der Viehbetrieb hier eingestellt und soll auch künftig nicht mehr aufgenommen werden. „Die Bestimmungen zur Tierhaltung ändern sich, aber auch die technischen Bedingungen“, so Wagner. Nicht nur in Mittelhausen wurde der Viehbetrieb beendet. 2015 betrug die Zahl der Milchkühe in den Thüringer Betrieben noch 110.000, im Jahr 2021 waren es nur noch 87.000. Die leerstehenden Stallanlagen in Mittelhausen wurden für ein Jahr als Unterkunft für die Kühe der Milchhof Gebesee GmbH genutzt.
Die Tiere zogen erst vor kurzem wieder in die neuen Stallanlagen in Gebesee. 650 Milchkühe werden hier untergebracht. Die Abgeordneten erhielten einen Einblick in den Betrieb, der 14 Mitarbeiter:innen beschäftigt. In der Melkanlage des Hofs werden die Kühe zwei Mal am Tag gemolken, ein Melkdurchgang dauert sechs Stunden. Das Futter der Kühe wird nahezu vollständige aus Deutschland bezogen, was nicht unbedingt selbstverständlich ist.
Das Agrarstrukturgesetz sollte auch bei diesem Termin ein Thema sein. Denn Dr. Wagner sprach ein weiteres Problem an: Die Nachwuchsgewinnung von Landwirt:innen. Zum einen muss man Personen finden, die bereit sind herausfordernde Arbeitsbedingungen mit zum Teil 14-Stunden-Tagen anzunehmen. Diese Arbeit muss zudem angemessen entlohnt werden.
Zusätzlich besteht die Gefahr, dass sich Junglandwirt:innen oder landwirtschaftliche Neu- und Quereinsteigende kaum noch leisten können, Agrarflächen zu kaufen oder zu pachten. Zwei wichtige Termine liegen damit hinter den Abgeordneten. Die Inhalte wollen sie unter anderem am 26. April zum Fachgespräch „Wie weiter mit der Thüringer Agrarstruktur?“ im Thüringer Landtag mit einbeziehen. Gemeinsam mit politischen Vertreter:innen aus der Koalition sowie Landwirtschaftsverbänden werden Möglichkeiten des gesetzlichen Regelungsbedarfs für landwirtschaftliche Flächen diskutiert. Die Ergebnisse werden im nächsten Parlamentsreport vorgestellt.