Zusammenschlüsse stärken - Forstwirtschaft Thüringen

Ulf Raesfeld

Seit mehreren Jahren sind die Auswirkungen der Klimaveränderungen spürbar. Dies trifft ebenso die Forstwirtschaft in Thüringen, was der Waldzustandsbericht aus dem letzten Jahr erneut bestätigte.  Die Dauer und das Widerstandsvermögen der Wälder ist in einem nicht da gewesenen Ausmaß spürbar. Thüringen ist im waldbaulichen Handeln immer noch sehr von der akuten Schadensbewältigung der Kalamitätsjahre, also die Massenerkrankung der Waldbestände durch Borkenkäferbefall, geprägt. Um eine aktuelle Einschätzung des Zustandes der Wälder und der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen rund um Wald und Holz zu bekommen, machten sich die Abgeordneten Ute Lukasch, Dr. Marit Wagler, Markus Gleichmann und Ralf Kalich für den Facharbeitskreis (AK ILF) auf den Weg, um das Gespräch mit den Akteuren zu suchen.


Erste Station war das Forstamt Schleiz. Als Einstieg in die Thematik gab die Forstamtsleiterin Katharina Pietzko einen Abriss von Beginn des Schadensereignisses bis zur aktuellen Situation. Seit 2018 hat sich die Kalamitätslage auch hier im Forstamtsbereich sehr verstärkt. Obwohl das forstwirtschaftlich Mögliche zur Eindämmung der Schadensetwicklung getan wurde, ist eine Kehrtwende bei der Kalamitätsentwicklung (Populationsentwicklung der Schädlinge) noch nicht absehbar. Angesichts der anhaltenden Kalamität ist eine fortgesetzte, intensive Suche der befallenen Bäume mit sich anschließender konsequenter Sanierung des frischen Stehendbefalls, wie das Fällen der Käferbäume gerne beschrieben wird, alternativlos. Gerade während der zurückliegenden Wintermonate, in denen der Borkenkäfer inaktiv war, sah man es in Anbetracht der ausgesprochen kritischen Lage als unbedingt erforderlich an, die Befallskon­trollen fortzusetzen. Ziel war es, nicht aufgearbeitete befallene Bäume und unscheinbare Überwinterungsbäume zu erkennen und das befallene Holz bis zum Käferausflug im Frühling 2022 aus dem Wald zu verbringen. Je besser es gelingt, die Herde zu erkennen und bis zum Frühjahr aufzuarbeiten, um so mehr wird der Befallsdruck der überwinternden Käfer reduziert.
Förderschwerpunkte des letzten Jahres waren u. a. Maßnahmen die aus den Mittel der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz finanziert wurden. Im Frühjahr 2019 sind die geförderten Maßnahmen aufgrund der Kalamität um die Maßnahmengruppe „Bewältigung von Extremwetterereignissen“ ergänzt worden. Darauf folgend hat das Land im Jahr 2020 das „Thüringer Landesprogramm zur Bewältigung der Folgen von Extremwetterereignissen im Wald“ in Kraft gesetzt. Diese eigenständige Richtlinie gewährte u.a. Zuschüsse zur konkreten Abwendung von akuten Gefahrensituationen, wenn es beispielsweise durch abgestorbene Bäume zu einem Verkehrssicherheitsrisiko kommt und Wege beeinträchtigt sind.
Der nächste Besuch fiel auf die Waldbesitzer Service GmbH. Hier wurde den Abgeordneten nicht nur ein leckeres Mittagessen geboten, auch das neue Sägewerk wurde in Augenschein genommen. Die Waldbesitzer Service GmbH ist ein forstwirtschaftlicher Dienstleister, der von den Forstbetriebsgemeinschaften als Gesellschafter 2013 mit dem Ziel gegründet wurde, Waldbesitzenden in allen Fragen und Belangen rund um den Privat- und Kommunalwald zu unterstützen. Im kleinstrukturierten Waldbesitz haben die forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse bzw. Waldgenossenschaften eine wichtige Funktion bei der Organisation der Schadensbewältigung sowie insgesamt für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung hinsichtlich der angeschlossenen Waldflächen. Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse bzw. Waldgenossenschaften wirken selbstständig in der Fläche und auch mit der Landesforstanstalt insbesondere im Rahmen der Beförsterungsdienstleistung regelmäßig kooperativ und arbeitsteilig zusammen. Die forstlichen Zusammenschlüsse sind auch mit Blick auf die forstlichen Förderungen ein guter Ansprechpartner, da die Landesforstanstalt durch deren Organisationsstruktur nicht mit einer Vielzahl von hundert oder gar tausend kleinflächigen Waldeigentümern arbeiten muss. Sie können mit gebündelten Kräften agieren und so den Verwaltungsaufwand pro Verwaltungsvorgang senken. Aus diesen forstlichen Zusammenschlüssen erfolgt also durchaus die Möglichkeiten der Steuerung. Kleine Betriebe werden nicht abgehängt und kommen somit auch in den Genuss von Fördermitteln.
Aus dem Gespräch mit der Waldbesitzer Service GmbH hat sich klar gezeigt, dass die forstlichen Zusammenschlüsse weiter gestärkt und ertüchtigt werden sollten. Denn diese informieren ihre Mitglieder durch Öffentlichkeitsarbeit und sind Ansprechpartner rund um das Thema Wald. In den ländlich geprägten Räumen tragen forstliche Zusammenschlüsse durch ihr Handeln zur regionalen Wertschöpfung im Sektor Forst und den nachgelagerten Bereichen der Be- und Verarbeitung des Holzes bei. Sie gewährleisten somit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sowie Erwerbstätigkeit in Thüringen.
Als dritte Station waren die Abgeordneten bei der Zellstoff- und Papierfabrik Rosenthal GmbH zu Gast und im Gespräch mit den Geschäftsführern Leonhard Nossol (Mercer Rosenthal) und Wolfgang Beck (Mercer Holz). Mercer Holz ist die Holzeinkaufsorganisation u. a. für das Zellstoffwerk in Rosenthal am Rennsteig. Das Unternehmen Mercer Holz beliefert Zellstoffwerke mit großen Industrieholz- und Hackschnitzelmengen, aber auch Sägewerke und Betriebe anderer holzverarbeitender Branchen mit dem gewünschten Rohstoff.
Das Zellstoffwerk, Mercer Rosenthal, kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. 1883 wurde dort die Produktion aufgenommen. Über 100 Jahre später, im Jahr 1994, übernahm Mercer den Standort. In den folgenden Jahren wurde das Werk umfassend modernisiert. Heute produziert das Werk 360.000 Tonnen Zellstoff in der Produktqualität „nördlich gebleichter Langfaser-Sulfatzellstoff“ (northern bleach softwood kraft - NBKS). Daneben liefert das Werk auch Bioenergie, denn aus der bei der Verbrennung der Holzreststoffe entstehenden Wärme wird über einen an die Dampfturbine angeschlossenen Generator ungefähr 410.000 MWh Strom im Jahr produziert. Im Jahr 2014 ist der Betrieb zusätzlich um eine Extraktionsanlage für Tallöl (5.000 Tonnen pro Jahr) erweitert worden. Dieses Öl wird als Nebenprodukt aus dem Harz des Holzes gewonnen und kann Produkte aus Erdöl ersetzen, z. B. in Farben und Lacken.


Der Arbeitskreis empfand den Tag als eine rundum gelungene Tour durch die verschiedenen Bereiche der Forstwirtschaft. Die gewonnenen Eindrücke und geäußerten Positionen wollen die Abgeordneten mitnehmen und in Ihre Arbeit einfließen lassen.