Weiter kämpfen für Rentenansprüche

Lange haben Ostdeutsche um die Anerkennung und Auszahlung ihrer DDR-Zusatzrenten gekämpft. Dabei geht es um bestimmte Rentenansprüche, die zu DDR-Zeiten erworben und 1991 nicht ins bundesdeutsche System übernommen worden sind. Dies sind z. B. Zusatzrenten für ehemalige Beschäftigte der Reichsbahn oder Post sowie Renten-Ansprüche von zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen.
Seit Anfang 2023 können Betroffene der unzureichenden Rentenüberleitung nun Anträge auf eine Einmalzahlung in Höhe von 2.500 Euro stellen. Das Geld wird aus einem geplanten Härtefallfonds zur Verfügung gestellt. Neben ehemaligen DDR-Bürger:innen ist dieser auch für bedürftige Spätaussiedler:innen und jüdische Kontingentflüchtlinge offen. Der Haken: Der mit 500 Millionen Euro ausgestattete Härtefallfonds ist mit strengen Vorgaben versehen, wer anspruchsberechtigt ist und wer nicht. Viele betroffenen Personen- und Berufsgruppen werden mit diesen Vorgaben nicht oder nur unzureichend bedacht. Wir sprechen mit der rentenpolitischen Sprecherin Karola Stange dazu.

Karola Stange:
Mit dem 9. November 1989 wurde das damalige Rentengesetz neu auf den Weg gebracht. Und auf einmal mussten viele Millionen DDR-Bürger:innen mitbedacht werden, für die das Rentengesetz aber überhaupt nicht gestrickt war. Das führte dazu, das in den 1990er-Jahren die Büros der damaligen Abgeordneten und Mitarbeitenden randvoll besetzt waren: Es saßen unterschiedliche Personengruppen bei uns und haben mit uns gemeinsam ihren Rentenbescheid angeschaut und viele Fragen gehabt. Das Thema Rente und die Änderung der gesetzlichen Grundlagen ist eine Änderung, die so oft in den zurückliegenden 30 Jahren auf den Weg gebracht werden sollte, dass man zum Schluss gar nicht mehr durchsah. Das heißt, es ging meiner Meinung nach nie um eine Verbesserung für Betroffene, sondern es ging so, wie ich es heute einschätzen würde, immer darum, wie die Bundesrepublik Deutschland weiterhin durch das Rentenrecht Geld sparen kann. Und das kann nicht sein. Deshalb treibt mich das Thema bis heute um.
Die Proteste aus den 90er-Jahren haben dazu geführt, dass ganz viele aus den unterschiedlichsten Personen- und Berufsgruppen in den unterschiedlichsten Rentenzweigen angefangen haben, sich zusammen zu finden und zu klagen. Als Reaktion auf die Proteste ist Recht gesprochen worden, aber nur für einzelne Personengruppen. Das Gesetz wurde geändert, sodass manche Menschen mehr Rente bekamen, aber eben nicht alle. Die heute noch 17 vorhandenen Gruppen, von denen wir anlässlich der Aktuellen Stunde im Thüringer Landtag ansatzweise gesprochen haben, haben kein Recht bekommen. Und die jetzige Bundesregierung hat nun für sich diese abschließende Lösung mit dem Fonds gefunden und hakt das Thema damit quasi ab.

Parlamentsreport:
Was hältst du von dem Fonds?

Karola Stange:
Für mich ist die Lösung das Allerletzte. Denn mein Fokus liegt auf den DDR-Geschiedenen. Die haben sich wirklich organisiert, sie haben sich zusammengeschlossen in einen Verein und sie werden nicht ausreichend bedacht.

Parlamentsreport:
Das sind meistens Frauen. Kann man das so sagen?

Karola Stange:
Ja, es geht hauptsächlich um die geschiedenen Frauen, denn sie haben jahrelang für Gerechtigkeit gekämpft. Sie haben den Bundestagsabgeordneten, egal welcher Parteien, immer und immer wieder geschrieben und ihr Thema mitgeteilt. Man bedenke auch das persönliche Erleben dieser Frauen: Dass sie den Männern mit denen sie verheiratet waren, den Rücken freigehalten haben, damit diese zu DDR-Zeiten Karriere machen konnten. Dann ging die Ehe auseinander und sie haben für die Jahre in denen sie nicht gearbeitet haben, sondern für die Familie und für ihre Ehepartner zuhause geblieben sind, keinen Ersatz erhalten. Der Einigungsvertrag hat sie einfach vergessen. Das muss man einfach mal sagen. Die Lösung der Bundesregierung hat so viele Einschränkungen: Man muss vor 1953 geboren, wenigstens zehn Jahre verheiratet gewesen sein und ein Kind erzogen haben. Dann kann man zweieinhalbtausend Euro auf Antrag bekommen. Aber nur die Menschen, die weniger als 830 Euro Rente bekommen. Das ist die Lösung für einen jahrzehntelangen Kampf. Das kann doch nicht wahr sein, dass diese Arbeit, dieses engagierte Kämpfen für Gerechtigkeit damit abgespeist wird. Zudem: Fonds ist nur für ungefähr elftausend Thüringer:innen vorgesehen.
Es gibt keine Gerechtigkeit, wenn nur eine Gruppe einzelner Menschen eine kleine Einmalzahlung erhält und der Großteil der Gruppen nicht beachtet wird. Das macht mich wütend.

Parlamentsreport:
Und was ist die Forderung der DIE LINKE?

Karola Stange:
Wir haben als LINKE unterschiedliche Gesetzesvorschläge als Lösungen auch für DDR Geschiedene oder auch für die anderen offenen Gruppen vorgelegt. Die letzte Forderung ist, einen Gerechtigkeitsfonds auf den Weg zu bringen, in den noch mal Gelder eingestellt werden für alle betroffenen Personen- und Berufsgruppen, die bis heute nicht bedacht wurden. Mit Steuermitteln, das heißt mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt, um dann den Menschen eine Einmalzahlung geben zu können. Wer sein Leben lang gearbeitet hat darf im Alter nicht an Armut leiden. Das ist mit dem jetzigen Fonds nicht gegeben. Das letzte Wort darf deshalb nicht gesprochen worden sein.