Prekäre Bedingungen in der Wissenschaft

Christian Schaft

Studentische Assistent:innen in Thüringen: Handlungsbedarf ist groß


Seit der Kampagne #IchBinHanna sind die prekären Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft verstärkt in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Eine kürzlich durchgeführte bundesweite Studie mit über 11.000 Befragten von Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Januar 2023 bestätigt nun, dass auch studentische Assistent:innen an Hochschulen von diesen Bedingungen betroffen sind. Unter dem Titel „Jung, akademisch, prekär?“ werden die Ergebnisse präsentiert, und die Thüringer Hochschulen erhalten in dieser Hinsicht keine positive Bewertung. Unsichere Vertragslagen und Verstöße gegen arbeitsrechtliche Mindeststandards sind keine Ausnahmen, sondern regelmäßige Erscheinungen - ein Zustand, der nicht mehr akzeptabel ist.


Als Reaktion darauf haben sich in der Initiative TVStud studentische Beschäftigte und solidarische Mitstreiter:innen zusammengeschlossen, um gemeinsam für die Rechte der studentischen Arbeitskräfte zu kämpfen. Antonia Berger ist eine von ihnen und gewährt Einblicke in den Alltag der studentischen Assistent:innen: „Kurzfristige Verträge und Entlohnungen nahe des Mindestlohns sind für uns an der Tagesordnung. Die steigende Inflation und höhere Mieten setzen uns aufgrund des geringen Lohns zusätzlich unter Druck. Das ist ein Zustand, den wir nicht länger hinnehmen möchten, denn auch für uns gelten die Rechte von Arbeitnehmer:innen.“ In Thüringen setzen sie sich gemeinsam mit den Gewerkschaften ver.di und GEW für bessere Arbeitsbedingungen und die Aufnahme von Tarifverhandlungen ein.


Die Anzahl der derzeitigen studentischen Beschäftigten an den Thüringer Hochschulen, die den Wissenschaftsbetrieb aufrechterhalten, wurde durch eine Anfrage (Drs.: 7/8266 und 7/8267) des hochschulpolitischen Sprechers der LINKE-Fraktion, Christian Schaft, ermittelt. Seit Mai 2023 gibt es insgesamt 1.563 studentische Assistent:innen in Thüringen, was einem Anstieg um 3,7 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020 entspricht. Es gibt auch 1.791 wissenschaftliche/künstlerische Assistent:innen, was einem Rückgang von ca. 5 Prozent gegenüber vor drei Jahren entspricht. Besonders an der FSU Jena, wo 40 Prozent aller studentischen und 49 Prozent aller wissenschaftlichen und künstlerischen Assistent:innen in Thüringen beschäftigt sind, sind sie als Beschäftigtengruppe innerhalb der Hochschulen stark vertreten. Der größte Teil von ihnen wird aus Haushaltsmitteln finanziert. Weitere Informationen aus Schafts Anfrage untermauern die Ergebnisse der bereits erwähnten Studie: Die größte Gruppe der studentischen Beschäftigten hat Verträge von 4 bis 6 Monaten, gefolgt von Vertragslaufzeiten von bis zu 3 Monaten. Die durchschnittliche Vertragslaufzeit für studentische Beschäftigte in Thüringen beträgt 4,7 Monate, während Berlin mit 14,1 Monaten den Spitzenplatz einnimmt. Die kurzen Vertragsdauern erfordern einen hohen Verwaltungsaufwand mit Auswirkungen, die die studentischen Beschäftigten zu spüren bekommen. 20,9 Prozent der studentischen Beschäftigten aus Thüringen gaben an, dass sie häufiger ohne Vertrag und Entlohnung gearbeitet haben. „Derzeit ist es so, dass man sich den Job als studentische Beschäftigte:r an der Hochschule leisten können muss. Steigende Lebenshaltungskosten und eine niedrige BAföG-Förderung tun ihr Übriges. In vielen Fällen sind studentische Beschäftigte daher auf zusätzliche Nebenjobs angewiesen“, erklärt der LINKE-Abgeordnete Schaft.


Am 6. Juli haben daher Vertreter:innen der Initiative TVStud Thüringen anlässlich der Sommerpause ein Forderungspapier mit dem Titel „Alles spricht für TVStud – auch ihr Koalitionsvertrag!“ an Vertreter:innen der Landesregierung und Abgeordnete der R2G-Regierungsfraktionen überreicht. Die Forderungen beinhalten die Entfristung und Festlegung von Mindestvertragslaufzeiten für studentische Beschäftigte, die Einhaltung von Arbeitnehmer:innenrechten und die Aufnahme von Tarifverhandlungen. Antonia Berger von TVStud Thüringen erklärt: „Die Ergebnisse der Studie ‚Jung, akademisch, prekär?‘ haben gravierende strukturelle Missstände und damit dringenden Handlungsbedarf aufgedeckt. Thüringen steht fast überall bundesweit am Ende, sei es bei den durchschnittlichen Vertragslaufzeiten, den monatlichen Arbeitsstunden oder den Löhnen. Wir brauchen den Schutz eines Tarifvertrags, um prekäre Arbeitsbedingungen zu beenden.“


Studentische Beschäftigte spielen eine entscheidende Rolle für einen reibungslosen Wissenschaftsbetrieb. Schaft unterstützt daher die Forderungen von TVStud: „Ob in Wissenschaft, Forschung oder Lehre - studentische Beschäftigte bilden eine wichtige Stütze im Wissenschaftsbetrieb und leisten unverzichtbare Arbeit. Gemeinsam mit TVStud möchten wir die Situation der studentischen Beschäftigten erheblich verbessern und Gute Arbeit an Hochschulen Wirklichkeit werden lassen.“


Derzeit gibt es nur in Berlin einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte. Der im Jahr 1980 eingeführte TVStud erfuhr nach langen Auseinandersetzungen im Jahr 2018 eine Aktualisierung, die beachtlich ist. Die Ergebnisse der aktuellen Studie zeigen, dass das Land Berlin dank des Tarifvertrags eine Vorreiterrolle einnimmt. Der Abgeordnete Schaft hofft daher, dass bei einer erneuten Umfrage und den daraus resultierenden Ergebnissen der Titel der Studie von „Jung, akademisch, prekär?“ in Zukunft zu „Jung, akademisch und abgesichert“ für Thüringen geändert werden kann.