Parlamentsreport 13-2023

Schockierend, aber nicht überraschend

Nach der Wahl eines AfD-Landrates reagierte die Metropolregion Nürnberg, deren Partner der Landkreis Sonneberg ist, mit klaren Worten: „Wer glaubt, Rechtsextreme müssten nur regieren, um entzaubert zu werden, der irrt. Die Zusammenarbeit mit Politikern der AfD kann und darf kein Alltag werden.“ Anders in Thüringen, hier spekulierte nur wenige Tage vor dem ersten Wahlgang in Sonneberg der Präsident des Gemeinde- und Städtebundes über eine Zusammenarbeit mit der AfD in Sachfragen und sendete somit das Signal aus, dass der Wahl eines AfD-Kandidaten keine politischen Gründe entgegenstehen, wenn es am Ende um Sachfragen geht. Ein ähnlicher Tenor war im Gespräch mit einer Thüringer Berufskammer zu erfahren, die ihr Gesprächsangebot an die AfD damit begründete, dass es bei den Kammerthemen um Sachfragen ginge. Die Verharmlosung der Gefahren einer wirkmächtigen extrem rechten Ideologie ist also nicht mehr nur Meinung bei einem relevanten Anteil an Wählerinnen und Wählern, sondern diese wird längst auch durch Wortbeiträge von in der Gesellschaft Verantwortung Tragenden gestärkt.
Zu den weiteren gesellschaftspolitischen Ursachen dafür, dass die Wahlniederlage der demokratischen Parteien gegen die AfD zwar schockiert, aber keinesfalls mehr überrascht, gehört auch, was als vermeintliche Analyse beispielsweise von der Thüringer CDU nach der Wahl zu hören war. Die Menschen hätten aus Protest gegen die Bundesregierung, die vorschreiben will, was gegessen, wie gesprochen und welches Auto gefahren werden soll, die AfD gewählt. Nichts anderes erzählt die AfD auch. Und somit wird, was als vermeintliche Analyse daherkommt, zur Bestärkung von den Rechtspopulismus folgenden Menschen in der Adressierung ihres Protests. Das Ergebnis der Sonneberg-Wahl stellt an die demokratischen Parteien keinesfalls die Frage nach deren künftigen Verhältnis zur AfD. Vielmehr stellt es insbesondere die CDU vor die Frage, ob sie durch die Übernahme eines inhaltlichen und kommunikativen Populismus, der sich von der AfD kaum noch unterscheidet, selbst die Hürde eingerissen hat, die jahrzehntelang dafür sorgte, dass extrem Rechte keinen Einfluss auf die Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft haben dürfen.
Steffen Dittes, Fraktionsvorsitzender

Zur gesamten Ausgabe