Falsche Debatte zu Kriminalität

Sascha Bilay
Noch bevor vor einigen Wochen die jährlichen Kriminalitätsstatistiken der Polizei von Bund und Land vorgestellt wurden, begann die öffentliche Debatte über die kriminellen Ausländer. Aus einer Flut von Zahlen wurde einzig herausgepickt, dass die Kennziffern der Kriminalität unter denjenigen Menschen ohne deutschen Pass besonders hoch seien. Bedauerlicher Weise übernahmen selbst sonst seriös recherchierende Medien die Erzählung vom kriminellen Ausländer, eingepackt in eine Geschichte, die allen Deutschen endgültig klarmachen sollte, dass man als Deutscher im eigenen Land nicht mehr sicher sei.


Wer sich die Zahlen aus dem Jahresbericht für 2023 vor allem für Thüringen genau anschaut, stellt fest, dass es tatsächlich einen starken Anstieg von Straftaten im Bereich des Diebstahls, vor allem schwere Einbruchsdiebstähle in Wohnungen und Häuser gegeben hat. Eingebettet in die Erzählung, dass „die Ausländer“ die Kriminalität nach oben getrieben hätten, müssten alle plötzlich Angst haben, in den eigenen vier Wänden von „den Ausländern“ ausgeraubt zu werden. Tatsächlich wurden diese Delikte aber zu 85 Prozent von Deutschen begangen, wenn man auf die ermittelten Tatverdächtigen blickt. Man könnte also auch attestieren, dass in der Wirklichkeit die Gefahr von „den Deutschen“ ausgeht.
Mal ganz davon abgesehen, dass die Kriminalitätsstatistik eine sogenannte Ausgangsstatistik ist. Das bedeutet, dass nur die Fälle in die Statistik eingehen, die im Jahr 2023 von der Polizei ermittelt wurden und an die Staatsanwaltschaften abgegeben wurden, die dann prüfen, ob ein Verfahren am Gericht eingeleitet wird. Erstens sagt die Statistik also nichts darüber aus, wann die Tat geschehen ist. Es ist nämlich möglich, dass beispielsweise eine Häufung von bestimmten Straftaten schon vor einigen Jahren passierte, aber erst 2023 die Verdächtigen ermittelt werden konnten. Und wenn einzelne Verdächtigte in Verdacht stehen, mehrere Straftaten verübt zu haben, treibt das eben die Statistik im betreffenden Jahr nach oben. Zweitens sagt die Kriminalitätsstatistik nichts über die tatsächliche Schuld der Verdächtigen aus, weil hierüber die zuständigen Justizbehörden entscheiden. Und schließlich verunmöglicht ein verengter Blick auf die Nationalität von Tatverdächtigen, dass ganz andere Faktoren darüber entscheiden, wer straffällig wird und wer nicht: insbesondere den sozioökonomischen Status und die Bildungsteilhabe. Rund 75 Prozent aller Verdächtigen in Thüringen waren im übrigen Männer. Letztlich unterscheidet die Statistik nicht, welchen weiteren Status die sogenannten nichtdeutschen Tatverdächtigen haben. Flüchtlinge werden ebenso unter Ausländer „verbucht“ wie Touristen aus dem Ausland und EU-Staatsbürger:innen, die im Rahmen der EU-weiten Freizügigkeit in der Bundesrepublik leben und arbeiten dürfen.
Abschließend erlaube ich mir einen Blick in die Kriminalitätsstatistik von Österreich 2022. Aufschlussreich ist dort ein Blick in die Kriminalitätsstatistik für den Bereich der verdächtigen Ausländer. In Österreich rangiert Rumänien auf Platz 1, dicht gefolgt von Deutschland. Erst mit weitem Abstand folgen Tatverdächtige aus der Türkei und Ungarn. In den Ländern Salzburg, Tirol und Vorarlberg bildet Deutschland sogar die größte Gruppe der kriminellen Ausländer.

Sascha Bilay

 

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