Parlamentsreport 11-2023

Thüringen-Monitor

Bereits zum 22. Mal erstellte die Friedrich-Schiller-Universität im Auftrag der Landesregierung den Thüringen-Monitor, eine inzwischen zur Langzeitstudie etablierte Untersuchung zur politischen Kultur. Neben Werten zur Demokratieeinstellung, Institutionenvertrauen und zu Einstellungen zu Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus widmen sich die Wissenschaftler:innen jährlich einem immer neu gewählten Schwerpunktthema. Der diesjährige Monitor untersuchte die Unterschiede zwischen Stadt und Land. In der politischen Kommentierung der Ergebnisse durch Parteien nur wenige Stunden nach Veröffentlichung der 252-seitigen wissenschaftlichen Studie lässt vermissen, was Wissenschaftler:innen eigentlich von einer Rezeption durch politische Verantwortungsträger erwarten können müssen: Ernsthaftigkeit und Wahrhaftigkeit in der Bewertung und Kommentierung. Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag meint aus dem Monitor herauslesen zu können, dass „die Bürger … den Eindruck (haben), dass Ampel und Ramelow-Regierung Gendersprache wichtiger ist, als bezahlbare Energie, die Bekämpfung von Unterrichtsausfall oder die Sicherstellung guter Pflege.“

Nur im Monitor findet sich dazu absolut nichts. Allerdings lässt sich dem Zahlenwerk entnehmen, dass das Vertrauen in die Landesregierung zwar gegenüber dem Vorjahr deutlich gesunken ist, aber immer noch den fünfthöchsten Wert seit Beginn der Untersuchungen aufweist und keine CDU-Regierung jemals einen höheren Wert als die rot-rot-grüne Minderheitsregierung aufwies. Aber auch dieser Wert ist allenfalls ein Mosaikstein in einer sehr komplexen Betrachtung der politischen Verhältnisse in Thüringen. Man sollte sich also nicht auf die interessengeleitete Interpretation der Wissenschaftsstudie durch politische Parteien verlassen, sondern selbst den Monitor zur Hand nehmen. Politiker:innen sollten sich, wenn sie über den Thüringen Monitor 2022 öffentlich diskutieren, aber bewusst machen: Vertrauen in Politik und in die Praxis der Demokratie wird nicht dadurch gestärkt, wenn politische Interpretation und Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung weit auseinanderklaffen.
Steffen Dittes, Fraktionsvorsitzender

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