Nr. 20/2011: Mit Behördenhilfe zum braunen Herrensitz in Guthmannshausen

Das Rittergut bei Sömmerda wechselt vom Besitz des Landes zum rechtsextremen Verein „Gedächtnisstätte e.V.“

Für den kleinen Ort Guthmannshausen (Landkreis Sömmerda) mit etwa 900 Einwohnern hielt der 23. September 2011 eine böse Überraschung bereit. Der „Vlothoer Anzeiger“ enthüllte, dass der rechtsextreme Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ im ehemaligen Rittergut in Guthmannshausen getagt hatte. Die frühere Landwirtschaftsschule war kurz zuvor vom Land Thüringen verkauft worden und ist nun offenbar im Beschlag von Rechtsextremen und Holocaust-Leugnern.

Am 23. September informierte der nordrhein-westfälische „Vlothoer Anzeiger“, dass der „Gedächtnisstätte e.V.“ am 17. und 18. September zu einem Vortragswochenende ins thüringische Guthmannshausen eingeladen hatte. Zwischen alten Bäumen liegt hier am Dorfrand das mehrgeschossige ehemalige „Rittergut“. Auf der Liste der Referenten stand auch Ursula Haverbeck, die „grande dame“ der deutschen Holocaustleugner. Sie war bis zum Verbot des Vereins im Jahr 2008 Vorsitzende des neonazistischen „Collegium Humanum“ (CH) in Vlotho. Der Nazikaderschmiede wurde in der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums bescheinigt, die NS-Herrschaft zu glorifizieren und eine Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus aufzuweisen. Haverbeck war auch bis 2003 Vorsitzende des ebenfalls in Vlotho gegründeten und teilweise unter gleicher Anschrift firm-ierenden „Gedächtnisstätte e.V.“, eben jenem Verein, der nun offenbar im Rittergut Guthmannshausen residiert.

In der Einladung zum Vortragswochenende im September schreibt der Vereinsvorsitzende Wolfram Schiedewitz: „(H)eute kann ich Ihnen endlich mitteilen, dass wir für unseren Verein eine neue Heimstatt gefunden haben, die allen Ansprüchen und künftigen Aktivitäten unseres Vereins gerecht wird! (…) Aber unser Ziel ist klar, wir wollen unseren Herrensitz auf dem ehemaligen Rittergut Guthmannshausen mit Leben füllen“. 2006 hatte der bereits 1992 gegründete Verein eine Immobilie nahe Leipzig in Borna bezogen, musste dort schließlich aufgrund von Protesten und Erbstreitigkeiten seinen Sitz wieder aufgeben. Neben Medien, Antifas und Lokalpolitikern hatte vor allem die LINKE Abgeordnete im sächsischen Landtag, Kerstin Köditz, die erfolgreiche kritische Auseinandersetzung mit dem Verein vorangetrieben. Die Nachricht, dass nun Rechtsextreme im Dorf residieren, löste in der Verwaltungsgemeinschaft Buttstädt, zu der Guthmannshausen gehört, Entsetzen aus. Denn das Rittergut, das zuletzt als Staatliches Bildungsseminar für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt genutzt worden war, war zuvor im Besitz des Landes und mit hohem Aufwand saniert worden.

Verfassungsschutz blieb auf Informationen hocken

Nun hatte das Land die Immobilie über das Thüringer Liegenschaftsmanagement (Thülima) offenbar an Rechtsextreme verkauft. Der Skandal war perfekt, als bekannt wurde, dass das Landesamt für Verfassungsschutz seit längerem die Kaufabsichten des „Gedächtnisstätte e.V.“ beobachtet und auch die vorgeschickte Käuferin im Visier hatte, ohne jedoch den Verkäufer zu informieren. Ein Skandal zu Lasten der Kommune, der Demokratie und antifaschistisch Aktiven, die sich zuletzt darüber freuten, dass mit dem Schützenhaus in Pößneck eine zentrale rechtsextreme Immobilie durch die Stadt Pößneck zurückgekauft werden konnte. Der Landesbetrieb Thülima –  dem Finanzministerium unterstellt –  hatte offenbar nicht daran gedacht, dass die ehemalige Bildungs- und Tagungsstätte auch bei Neonazis auf Interesse stoßen könnte.

Vom Gut in Fretterode, in dem der Neonazi Thorsten Heise residiert, von der ehemaligen Bundeswehrliegenschaft Heisenhof  in Niedersachsen oder vom Schloss Trebnitz in Sachsen haben die Immobilienhändler des Landes Thüringen offensichtlich noch nie gehört. Der Verfassungsschutz erwies erneut, wie überflüssig er für das Vorgehen gegen Neonazis ist. Seit wann er sein Ohr an den Verkaufsverhandlungen hatte, ist unklar. Fakt ist aber, dass der Vereinsvorsitzende des „Gedächtnisstätte e.V.“, Schiedewitz, schon auf dem Naziaufmarsch am 19. Februar 2011 in Dresden öffentlich und im Internet nachlesbar erklärt hat, man hätte in „Mitteldeutschland“ einen neuen Sitz für die Gedächtnisstätte gefunden. Damals hatte der Verein offenbar mit der Käuferin Bettina Maria Wild-Binsteiner schon eine Getreue auf Immobiliensuche geschickt. Binsteiner entstammt einer stramm völkischen Sippe. Über Bettina Maria Wild-Binsteiners Aktivitäten konnte man in der Zeitschrift „Glauben und Wirken“ (2/2011) des rechten „Bund deutscher Unitarier“ lesen, wie Binsteiner zur Sommersonnenwende „germanische“ Riten verrichtet. Autorin des Berichts ist die langjährige rechtsextreme Aktivistin Annedore Küthe, die schon in den 1990er Jahren im Neonazizentrum in niedersächsischen Hetendorf referierte. Da Binsteiner in dem offiziellen Mitteilungsblatt des Bundes zum Geburtstag gratuliert wird, ist davon auszugehen, dass sie dort Mitglied oder treue Sympathisantin ist.

Über den Erkenntnisstand des Thüringer Geheimdienstes kann nur spekuliert werden. Sicher ist aber, dass der Verfassungsschutz lange auf seinen Informationen hocken blieb und erst in der 37. Kalenderwoche das Innenministerium und zwei Wochen später die Parlamentarische Kontrollkommission informierte. Thülima, Finanzministerium, die zuständige Polizeidirektion wie die Verwaltungsgemeinschaft haben nie einen Hinweis erhalten. Und so nahm das Geschäft seinen Lauf. Dem Land konnte es offenbar gar nicht schnell genug gehen, die Immobilie für 320.000 Euro loszuschlagen.

Parlamentarisches Nachspiel in Sachsen und Thüringen

So soll es auch noch einen Nachlass auf den Kaufpreis gegeben haben. Der „Gedächtnisstätte e.V.“ berichtete Ende August begeistert seinen Mitgliedern und Spendern, dass das Warten auf ein neues Domizil ein Ende habe. In dem Brief wird auch noch verkündet, dass man der durch die „Landsmannschaft Schlesien“ suspendierten rechtsextremen „Schlesischen Jugend“ auch neue „Heimstatt“ in Guthmannshausen bieten will. Lange hatte es gedauert, bis der rechtsextreme personelle und ideologische Hintergrund der Jungschlesier zur Kündigung ihres bevorzugten Versammlungsortes in Thüringen, einem Landschulheim in Kleinschmalkalden, geführt hatte.

Die Landesregierungen von Thüringen und Sachsen werden diese Informationspanne nun aufarbeiten müssen. Entsprechende Anfragen werden  durch DIE LINKE an die Landesregierungen von Sachsen und Thüringen sowie an die Bundesregierung gestellt.  Kommunen, Öffentlichkeit und demokratisch Engagierte wollen eine Antwort, wie ein derartiges Immobiliengeschäft durch das Land über die Bühne gehen konnte. Und dann wird es darum gehen, auch in Thüringen über den Verein, seine Protagonisten und seine geschichtsrevisionistische Ideologie zu informieren und die Widerständigen unter den Zuständigen und Anständigen zusammenzubringen.

MdL Martina Renner/Paul Wellsow

Dateien