Modernes Wahlrecht Nr. 7 Petition zur Steigerung der Wahlbeteiligung

In unserem letzten Teil unserer Reihe beschäftigen wir uns mit dem wohl umstrittensten Vorschlag zur Erhöhung der Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen. Zur Erinnerung: Der Verein Mehr Demokratie e.V. hat eine Petition beim Thüringer Landtag eingereicht, in der sieben Vorschläge zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes unterbreitet werden, welche die Wahlbeteiligung erhöhen sollen. In den vergangenen Ausgaben haben wir bereits die Vorschläge zur Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre, die integrierte Stichwahl, die Ermöglichung von Proteststimmen und Stimmenthaltungen, die Versendung von Informationen über Bewerber*innen an alle Wahlberechtigten, die obligatorische Zustellung der Briefwahlunterlagen sowie die Einrichtung von zusätzlichen Wahlorten, Wahlterminen und verlängerten Wahlzeiten vorgestellt. In der aktuellen Ausgabe stellen wir den Vorschlag der Einführung einer Wahlpflicht vor und gehen auf Pro- und Contra-Argumente ein.

Vorschlag Nr. 7: Einführung einer Wahlpflicht
 
Der Verein Mehr Demokratie e.V. schlägt vor, eine Wahlpflicht bei Kommunalwahlen einzuführen. Die Wahlpflicht ist mit einem Bußgeld in Höhe von fünf bis zehn Euro zu bewehren. Über die Verpflichtung zur Teilnahme an der Wahl und die Bußgeldbewehrung müssen die Stimmberechtigten in der Wahlbenachrichtigung informiert werden. Gleichzeitig betont der Verein, dass eine Wahlpflicht nur möglich ist, wenn die Wählerinnen und Wähler auf dem Wahlschein die Möglichkeit haben, eine Proteststimme abzugeben oder mit Enthaltung zu stimmen.

PRO:
Durch die Wahlpflicht, die mit einem Bußgeld bewehrt ist, würde sich die Wahlbeteiligung deutlich steigern. Als Beispiele hierfür kann man Australien oder die Schweiz. Wie jedes tief verwurzelte Verhalten, ist das Wahlverhalten nur schwer zu ändern. Eine gesetzlich vorgeschriebene Wahlpflicht kann hier den Kreislauf von Nichtwählen – mangelnder politischer Repräsentation – Eindruck, dass Wahlen keinen Effekt haben – Nichtwählen durchbrechen. Insbesondere jüngere Wähler:innen und sozial schlechter gestellte Schichten, die sich verhältnismäßig weniger an Wahlen beteiligen, würden von einer Wahlpflicht profitieren, indem die soziale Selektivität abnehmen und sich ihre politische Repräsentation verbessern würde.
Die Wahlpflicht greift auch nicht in die Freiheit ein, sie verpflichtet nur, den Wahlraum aufzusuchen oder einen Wahlbrief abzusenden. Die Wahlpflicht hilft dabei ein wichtiges Verfassungsgut zu schützen. Da die Geldbuße auch nur bei fünf bis zehn Euro liegt, ist die Eingriffsintensität nur sehr gering.

CONTRA:
Der Grundsatz der Wahlfreiheit bedeutet zunächst, dass man sein Stimmrecht ohne Zwang und unzulässigen Druck von außen im Rahmen eines freien und offenen Meinungsbildungsprozesses ausüben kann. Das Prinzip der freien Wahl verbürgt dabei nicht nur die Freiheit, sich frei zu entscheiden, welche Partei oder welche Kandidierenden man wählt. Zusammen mit dem Grundsatz der Geheimhaltung der Wahl verbürgt die Wahlfreiheit auch die Freiheit, sich an der Wahl zu beteiligen. Die Wahlfreiheit umfasst daher nicht nur wie, sondern auch ob man sich an der Wahl beteiligt.
Zudem ließe sich eine Wahlpflicht nicht durch ein einfaches Gesetz einführen. Nach herrschender Meinung in der Literatur müsste hierfür das Grundgesetz geändert werden. Dem gegenüber gibt es wesentlich einfachere und nicht in die Wahlfreiheit eingreifende Wege, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, wie z.B. die in den vorherigen Ausgaben des Parlamentsreports vorgestellten Vorschläge zur Erhöhung der Wahlbeteiligung.

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