Gera im Mittelpunkt der Vernetzungen

Parlamentsreport

In den letzten Jahren setzt die extreme Rechte verstärkt auf Verschwörungsideologien, mit denen sie auf weit verbreitete antisemitische, rassistische und völkisch-nationalistische Haltungen zurückgreifen und für sich nutzen kann. Teile der selbsternannten politischen Mitte sind nicht frei von diesen Haltungen. Die Raumnahme seitens der extremen Rechten und die zunehmende öffentliche Akzeptanz für die Verschwörungsideologien der extremen Rechten lässt sich am Beispiel Gera nachvollziehen.  

Radikalisierte Konservative

Bereits in der ersten Phase der Coronakrise war die Mobilisierungsfähigkeit der extremen Rechten und die Bereitschaft von konservativen Kräften, mit ihnen zu kooperieren, in Gera zu beobachten. 2020 fand eine Demonstration gegen die Pandemieschutzmaßnahmen statt, die vom Geraer Unternehmer Peter Schmidt angemeldet wurde und zu der auch extreme Rechte mobilisierten. Schmidt lässt sich als damaliges Mitglied im Wirtschaftsrat der CDU im  Scharnierbereich zwischen konservativen und extrem rechten Akteuren verorten. An der Demonstration nahm auch Thomas Kemmerich, Landesvorsitzender der FDP Thüringen, teil und legitimierte  durch seine Teilnahme auch die Akzeptanz für rechte Verschwörungsideologien.
Die öffentliche Gleichgültigkeit bis Akzeptanz gegenüber derartigen Positionen trug dazu bei, dass die extreme Rechte organisatorischen Einfluss gewann. Inzwischen treten bei Demonstrationen in Gera bekannte extreme Rechte auf und verbreiten bei ihren Reden auch antisemitische und rassistische Inhalte. Frank Haußner, Vertreter von „Freies Thüringen“ und der Gruppe „Patrioten Ostthüringen“ ist nicht nur mehrfacher Teilnehmer, sondern mitverantwortlich für Plakate, auf denen Politiker:innen und Journalist:innen in Sträflingskleidung abgebildet und mit dem Schriftzug „Schuldig“ versehen sind. Über Monate wurden diese Plakate bundesweit auf Demonstrationen mitgeführt, bevor die Polizei begann, sie zum Teil zu beschlagnahmen. Auch die Organisierung der Demonstrationen selbst liegt inzwischen gänzlich in den Händen von extremen Rechten, wie etwa Christian Klar, der bereits seit Ende der 1990er Jahr als Nazi politisch aktiv ist. So nahm er 1999 bei einer Demonstration der NPD und des Thüringer Heimatschutzes teil. Der Thüringer Heimatschutz war diejenige Organisation, aus der der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) hervorging.

Stoppt die AfD

Bei der größten Demonstration der letzten Zeit, am 3. Oktober 2022, bei der nach Polizeiangaben bis zu 10.000 Menschen teilnahmen, hielt Christian Klar eine Rede, in der „Globalisten“ und „Kabale“ für Phänomene wie etwa Migration, Coronakrise und den Ukrainekrieg verantwortlich macht. Mit diesen kaum versteckten antisemitischen Äußerungen und Propagierung von extrem rechten Verschwörungsideologien war er bei dieser Demonstration nicht allein auf der Bühne. Auch Jürgen Elsässer, Chefredakteur der extrem rechten Zeitschrift Compact, der von einem angeblichen Bevölkerungsaustausch sprach, und Björn Höcke, Landesvorsitzer der AfD Thüringen, der die „Zerstörung der Nation durch Masseneinwanderung“ behauptete, bedienten die gleichen extrem rechten Verschwörungserzählungen. In jüngster Zeit haben sich die Organisator:innen aus Gera nun dem Netzwerk des ehemaligen AfDlers Poggenburg angeschlossen. Der neu gegründete Verein „Aufbruch Gera“ grenzt sich inhaltlich von der AfD ab und bietet insbesondere den Anhängern von „Freies Thüringer“ eine politische Heimat abseits der AfD. Inwieweit es dem Verein gelingt, der AfD Konkurrenz zu machen, wird sich bei den Kommunalwahlen im Jahr 2024 in Thüringen zeigen. „Aufbruch Gera“ will mit eigenen Kandidierenden antreten.
... weil es nötig ist!

Am Beispiel Gera zeigt sich aber auch, wie wichtig antifaschistische Recherchen und eine aktive Zivilgesellschaft sind. Die Verstrickungen und Verbindungen der extrem rechten Demonstrationen in Gera sind nur aufgrund der unermüdlichen Recherchearbeit von lokalen Antifaschist:innen bekannt. Es regt sich außerdem immer wieder auch Protest gegen die rechten Aufmärsche, der mit solidarischen Antworten auf aktuelle Krisen und rechte Verschwörungsideologien reagiert und die Etablierung von Angstzonen in Gera nicht unwidersprochen hinnehmen will. 

Ismail Küpeli, Patrick Mayer, Katharina König-Preuss

 

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