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Viele von uns lesen in ihrem Alltag nicht nur für sich selbst, sondern lesen auch anderen vor. Das ist besonders für Kinder wichtig, die dadurch ihren Wortschatz, Ausdruck ihre Phantasie und Kreativität erweitern, neues Wissen zu erlangen oder die Welt dadurch besser zu verstehen. Ganz besonders toll ist es, wenn die Bücher die wir vorlesen, nicht nur für die Kinder, sondern auch uns als Vorlesende ihren Reiz haben. Als ganz besonderes Highlight für mich hat sich dabei die „Der Tag, an dem …“- Kinderbuchreihe von Marc-Uwe Klinge herausgestellt.
Marc-Uwe Kling wird dem ein oder anderen als Autor der „Känguru Chroniken“, von „Quality-Land“ oder auch als Autor einiger Spiele „Halt mal kurz“ bekannt sein. Humorvoll pointiert, politisch klar akzentuiert, vermittelt er gesellschaftskritische Themen. Zuletzt wurden seine Känguru-Bücher sogar in zwei Kinofilmen umgesetzt. Aber auch als Kinderbuchautor ist Marc Uwe-Kling seit sieben Jahren aktiv. Seinen ersten Ausflug ins Reich der Kinderbücher markierte „Prinzessin Popelkopf“, gefolgt vom „Ostermann“ und dem „NEINhorn“. Während diese sich an die kleineren Kinder richteten, folgte ab 2018 eine bisher vierbändige Reihe, die eher für Kinder ab dem Grundschulalter ausgelegt ist (und sich damit nicht nur zum Vorlesen, sondern auch selber lesen hervorragend eignet).

In typisch humorvoller und von sprachlichem Witz geprägter Kling-Manier, begibt sich diese Reihe in die Welt einer siebenköpfigen Familie (Mutter, Vater, der 12-jährige Max, die 17-jährige Luisa, die kleine Tiffany und die Großeltern) und ihren chaotischen Alltag. Schon die Titel der Bücher lassen dabei erahnen, dass die Bücher als unterhaltsame Familienlektüre angelegt sind:
Der Tag, an dem die Oma das Internet kaputt gemacht hat.
Der Tag, an dem der Opa den Wasserkocher auf den Herd gestellt hat.
Der Tag, an dem Papa ein heikles Gespräch führen wollte.
Der Tag, an dem Tiffany das Wasser aus der Wanne geschaukelt hat.
Im ersten Band werden wir in die Familie eingeführt, indem die Großeltern auf die Kinder aufpassen. Doch als sich die Oma im Netz verklickt, macht sie das gesamte Internet kaputt und löst Chaos aus. Die Familie macht aus der Not eine Tugend und der durch Zwang erfolgte Tag ohne Medien führt zu Zeit, die man sich miteinander nimmt. Im zweiten Band stellt der Opa den neuen Retro-Look Wasserkocher auf den Herd. Die Familie flüchtet aus dem verqualmten Haus, aber anstatt der Opa Ärger kriegt, kommt nach und nach raus, dass alle Familienmitglieder schon mal richtig Mist gebaut haben.
Der dritte Band erzählt, wie es Papa ebenso gar nicht schafft, mit seinen Kindern unverkrampft über Sex zu sprechen. Und ganz nebenbei gelingt dem Buch dadurch das, woran der Papa scheitert, – nämlich unterhaltsam und locker dieses Thema zu vermitteln.

Im vierten Band gönnen sich die Frauen einen Wellnesstag außer Haus und lassen den Profi-Papa mit dem Opa Max und Tiffany allein. Die setzt beim Baden das Haus unter Wasser, was die männlichen Rettungsversuche an den Wasserleitungen nicht unbedingt verbessern. Doch gemeinsam meistert man auch diese Situation.
Alle vier Bücher zeichnen sich durch einen von Dialog geprägten, lockeren und sehr humorvollen Erzählstil aus. Zwar bauen die Rollen durchaus auf überzeichneten Vorurteilen auf (die schusseligen Großeltern, auf die die Kinder genauso aufpassen wie andersherum; der Mann, der sich in seinen Reparaturfähigkeiten latent überschätzt; die rebellische Teenagertochter; das neunmalkluge Kleinkind, …) bilden so aber die Grundlage für die herrlich humorvollen Konversationen zwischen den Familienmitgliedern.  Die Situationen sind so aus dem Alltag gegriffen, dass man sich ob mit oder ohne ähnlichen Familienkonstellationen sofort in die Situationen einfühlen kann und gleichzeitig so überspitzt, dass die Erwachsene bei diesen Büchern mindestens (wenn nicht sogar mehr) Lesevergnügen haben wie die Kinder. Gleichsam sind die Bücher aber nicht nur sehr humorvoll, sondern auch durchaus gesellschaftskritisch und bieten gleichsam Stoff zum Lachen, wie auch zum gemeinsamen Diskutieren und Reflektieren. Viele Themen sind dabei hervorragend kindgerecht, erklärt.
Wer dabei keine „politische Indoktrinierung“ (um aus negativen Kritiken von Amazon zu zitieren) fürchtet, kann sich auch auf latente Kritik am Bankwesen, der Erklärung, was Kacknazis sind, oder warum „Danke Merkel“ als überironischer Kommentar im Alltag von Tätern verwendet wird, „die so tun, als wären sie Opfer“ erfreuen. Unterstrichen wird das Ganze mit den nicht nur hübsch anzuschauenden, sondern ebenso lebendigen wie urkomischen Illustrationen von Astrid Henn. So bleibt zu hoffen, dass diese Buchreihe auch noch einen fünften Teil bekommt.

Pauline Lörzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Europa-, Kultur- und Medienpolitik

Die gesamte Ausgabe finden Sie hier