Für Bürger:innen und Demokratiebildung: Gesetzentwurf zur Erneuerung des Bürgerbeauftragtengesetzes

Anja Müller

Zwar wurde das Thüringer Bürgerbeauftragtengesetz im Jahr 2007 überarbeitet und in einer Neufassung in Kraft gesetzt, doch es bleiben aus Sicht der einreichenden Fraktionen weiterhin inhaltliche und strukturelle Schwächen, die nachgebessert werden müssen. Hierfür wird nun ein Gesetzentwurf vorgelegt. Ein großes Anliegen ist die Schaffung Bürger:innen freundlicherer Kommunen. Mit Blick auf Verwaltungs- und Gebietsreformen – derzeit in Thüringen in freiwilliger Form verstärkt möglich und schon in anderen Ländern durchgeführte Reformen ist bekannt, dass es während des Umstrukturierungsprozesses immer wieder Klärungsbedarf und Reibungsverluste gibt. Aus Sicht der einreichenden Fraktion(en) ist es daher sinnvoll, den/die Bürgerbeauftragte:n als Funktion mit inhaltlichem Schwerpunkt auf der kritischen und zugleich unterstützenden Begleitung von Verwaltung und Verwaltungshandeln auszugestalten. „Der /die Bürgerbeauftragte soll die Kommunen darin begleiten, Bürger:inner-freundlicher zu werden“, so Anja Müller, Sprecherin für Demokratie und Verfassung.


„Der Ausbau der praktischen Arbeit vor Ort und in der Fläche in Thüringen ist dazu wichtig. Die regelmäßigen Vorort-Termine können sowohl der Information und Unterstützung  der Menschen vor Ort dienen, als auch der Schulung der Verwaltung, z.B. im Gebrauch einer Bürger:innen-freundlichen „Amtssprache“. Wenn nach drei Jahren das Gesetz dann erstmals auf seine praktische Wirksamkeit evaluiert wird, kann im Rahmen dieser Prüfung auch der weitere Ausbau der Vorort-Arbeit angegangen werden. Der Aufbau von Bürgerservice-Büros in den Regionen wird ein wichtiges Thema sein.“ Denn der/die Bürgerbeauftragte soll nach den geplanten Regelungen beispielsweise die Bürger:innen auch beraten und begleiten, ein Bürgerbegehren auf den Weg und erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Dafür muss der/die Bürgerbeauftragte auch außerhalb der Landeshauptstadt Erfurt aktiv sein - gerade auch in der Funktion des/der „Demokratiebeauftragten“.

 


„Der Aufbau von Bürger­service-Büros in den Regionen wird ein wichtiges Thema sein.
Der oder die Bürgerbeauftragte soll zukünftig auch als Demokratie­beauftragte:r agieren.“


Zugleich wird der Petitionsausschuss in seiner Arbeit und seinen Kompetenzen gestärkt, in dem alle Petitionen zur Bearbeitung an den/die Bürgerbeauftragte:n gehen. Nach Ansicht der einreichenden Fraktionen kann und darf es nicht darum gehen, die Aufgaben der bzw. des/der Bürgerbeauftragten dadurch zu vermehren, dass alle Petitionen zentral bei dieser Stelle eingehen und dann erst an den Petitionsausschuss weitergeleitet werden. Solche in der öffentlichen Diskussion immer wieder aufkommenden Vorschläge entwerten die Funktion des Petitionsausschusses und auch das in Artikel 14 der Thüringer Verfassung verankerte Petitionsrecht.


Vielmehr müssen die tatsächliche Kontroll- und Unterstützungs­funktion gegenüber der Verwaltung und die Aktivitäten zur Schaffung einer möglichst bürgernah und Betroffenen freundlich ausgestalteten Verwaltung den Tätigkeitsschwerpunkt bilden – und zwar in der Weise, dass die bzw. der/die Bürgerbeauftragte vor allem auch auf eigene Initiative tätig werden kann und wirksame Handlungsinstrumente zur Verfügung hat. Soweit ersichtlich gibt es in Thüringen – mit Ausnahme des Datenschutzbeauftragten - keine unabhängige Institution, die auf Anregung der Bürger Missständen bzw. Mängeln in Organisation und Handeln öffentlicher Stellen nachgeht und möglichst wirksam für Abhilfe sorgt. Auch über den Einzelfall hinaus, z.B. durch ein verbindliches Beanstandungsrecht oder durch ein Recht, muss es möglich werden, Gesetzesänderungen zu initiieren. Dies sollte ebenso bei der Kompetenz des Beauftragten liegen. Der/die Bürgerbeauftragte soll zukünftig auch in der Funktion des/der „Demokratiebeauftragten“ agieren.


Bei immer komplexer Handlungs- und Entscheidungsprozessen der öffentlichen Verwaltung ist eine demokratische Mitsprache und Gestaltung durch die (betroffenen) Einwohner:innen im Land immer wichtiger. Nicht nur, um die Transparenz und Akzeptanz der staatlichen Maßnahmen bei den Menschen zu erhöhen. „Es geht auch darum, den Einwohner:innen deutlich zu machen: Ihr seid nicht Objekte staatlichen Handelns. Ihr seid selbst wichtige Akteure zur Gestaltung der Gesellschaft und des Alltagslebens im Land. Deshalb soll der/die Bürgerbeauftragte eigene Demokratieprojekte umsetzen, aber auch die der Bürger:innen und Initiativen vor Ort unterstützen“, erklärt die Abgeordnete Müller.  In Teilen der Gesellschaft zeigt sich eine diffuse Demokratie- und Politikverdrossenheit – leider auch durch Zulauf zu rechtsextremen antidemokratischen Populisten. Mit einer Stärkung des aktiven demokratischen Engagements kann solchen Entwicklungen wirksam begegnet werden. Umso wichtiger ist es, aktive Demokratieentwicklung und Engagement für Mitbestimmung und Mitgestaltung zu fördern.


Vielen Menschen ist nicht bewusst, welche sehr brauchbaren Instrumente zur Mitgestaltung es schon gibt. Darüber hinaus gibt es in Thüringen hier noch weiteres Entwicklungspotenzial, z.B. in Sachen Kommunen als „Beteiligungskommunen“. Daher ist es wichtig, dass es für engagierte Menschen und solche, die es werden wollen, Unterstützungsangebote gibt, die sehr leicht zu erkennen und erreichen sind. Eine weitere Aufgabe des Beauftragten sollte in diesem Sinne weiterhin sein, die Demokratie-Entwicklung in Thüringen zu erheben und Informations- und Forschungsarbeit zu leisten.


Die Auswahl des/der Bürgerbeauftragte:n muss basisdemokratisch erfolgen. Dafür müssen Fraktionen, Abgeordnete, Vereine, Verbände, aber auch Initiativen und Einzelpersonen aus Thüringen, Kandidaten/ Kandidatinnen vorschlagen dürfen. Für die notwendige personelle, sächliche und finanzielle Ausstattung der Aufgabenerledigung soll es zusätzlich eine Finanzierungsgarantie im Gesetz geben. „Alle drei Jahre muss die Wirksamkeit der Aufgaben des/der Bürgerbeauftragte:n evaluiert werden. Nur dann kann die Person in ihrer Position nachhaltig Veränderungen schaffen“, so Abgeordnete Müller abschließend.

 

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