Parlamentsreport 2024-07

Aus eigener Erfahrung von Pressekonferenzen und Interviews weiß ich, dass jede Aussage über das politische Ziel der Linken in Thüringen mit Blick auf die diesjährige Landtagswahl, weiterhin ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis anzuführen, belächelt und mit dem Hinweis auf aktuelle Umfragewerte abgetan wird. Stattdessen wird die Frage gestellt, ob Die Linke bereit wäre, mit der CDU und/oder dem BSW zu koalieren, weil eine parlamentarische Regierungsmehrheit für Thüringen wichtig erscheint, wichtiger noch als eine an Werten und damit an richtungsweisenden Inhalten orientierte Regierung.

Wenn dann, wie Bodo Ramelow als Ministerpräsident, auf durchaus andere mehrheitsfähige Konstellationen verwiesen wird oder wie der Linken-Bundesvorsitzende Martin Schirdewan auf entsprechende Nachfrage antwortet, dass „alle demokratischen Kräfte (...) mindestens in der Lage sein (müssen), miteinander zu reden, gerade wenn es darum geht, den Aufstieg des neuen Faschismus zu verhindern und ein klares demokratisches Signal zu setzen“, wird dies mit den Worten „letzter Strohhalm“, „Rettungsanker“ oder „Augenwischerei“ kommentiert. So zu lesen in der Thüringer Allgemeinen vom 2. April dieses Jahres. Mit dem Bild der um den Machterhalt kämpfenden Partei wird hier ganz nebenbei ein Wesensmerkmal der Demokratie diskreditiert und jenen Vorschub geleistet, die die repräsentative Demokratie ohnehin als Machtkartell der Parteien bezeichnen. In der Demokratie stellen sich die Parteien in einer freien Wahl den Wählerinnen und Wählern und wollen natürlich ein möglichst gutes Ergebnis erzielen, das es ihnen ermöglicht, in der kommenden Legislaturperiode – in der Regel mit einem oder mehreren Koalitionspartnern – auf der Grundlage der erreichten politischen Mehrheit entsprechend den von ihnen vertretenen Werten politische Entscheidungen zu treffen.

Wunsch nach Veränderung

Geht es um die eigene Macht, um Posten? Sicher nicht. Es geht um den politischen Anspruch, die Gesellschaft zu gestalten, den die Mitglieder einer Partei auch in dieser Richtung teilen. Politik ist nicht das Streben nach bloßer Macht über andere, sondern nach verantwortlicher Gestaltungsmacht für das Gemeinwesen. Darin unterscheiden sich die demokratischen Parteien nicht. Es stellt sich die Frage, warum der einen Partei Machterhalt vorgeworfen wird, der anderen aber der Kampf um Mehrheiten und die Staatskanzlei. Im besten Fall ist es der zunächst unpolitische Wunsch nach Veränderung. Nun sind die Verhältnisse in Thüringen komplizierter, als dass es mit dem von wohl auch einigen Journalisten erhofften Regierungswechsel nach dem Vorbild der alten Bundesrepublik, in der das Pendel abwechselnd in Richtung CDU/CSU oder SPD als Koalitionspartner für die FDP ausschlug, so einfach wäre. Es droht, dass eine rechtsextreme Partei ein Drittel der Abgeordneten des Landtages stellen wird.

Erhalt der Demokratie

So oder so, die Aufgabe für Demokraten ist banal. Es muss verhindert werden, dass diese Partei auch nur ansatzweise Macht erhält, auch im positiven Sinne einer politischen (Mit-)Gestaltungsmacht. Insofern geht es bei den Wahlen nicht nur in Thüringen durchaus um Machterhalt, und zwar um Machterhalt für die Demokratie nicht nur als Regelsystem, sondern auch als Wertesystem. Für Die Linke ist dies nicht nur eine Floskel, sondern führt, wenn man dann noch Regierungsmehrheiten Minderheitsregierungen vorzieht, zwangsläufig zu Überlegungen über Konstellationen und Formen politischer Zusammenarbeit, die mit politisch fast unüberwindbar erscheinenden Hürden versehen sind. Dies auch neben dem eigentlichen Ziel einer rot-rot-grünen Regierungsmehrheit zu benennen, ist konsequent und auch ehrlich.
Es wäre schön, wenn diese Konsequenz und Ehrlichkeit, vor allem aber Klarheit auch von anderen demokratischen Parteien eingefordert würde. Zumindest eine aber sendet ganz andere Signale. Deren Spitzenkandidat wird ausgerechnet am 11. April mit dem Spitzenkandidaten der rechtsextremen Partei auf einer Bühne sitzen und einen politischen Dialog auf Augenhöhe führen. Drei Tage später wird in der Gedenkstätte Buchenwald der Befreiung des Konzentrationslagers gedacht und der Schwur der befreiten Häftlinge wiederholt, in dem es heißt: „Die endgültige Zerschmetterung des Nazismus ist unsere Losung.“
Steffen Dittes, Fraktionsvorsitzender

 

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