Deklaration zum Stopp der voranschreitenden Deindustrialisierung und zur Rettung von Arbeitsplätzen und Industriestandorten in Thüringen

Fraktion Die Linke

Nach Schätzungen der IG Metall sind allein in der Automobilzulieferindustrie in Thüringen derzeit rund 10.000 Arbeitsplätze akut gefährdet. Der Druck auf Beschäftigte nimmt spürbar zu und damit die Sorge um die Zukunft. Gemeinsam mit Gewerkschaften, Wissenschaft und Beschäftigten haben wir konkrete Vorschläge für ein wirksames Maßnahmenpaket erarbeitet, das Antworten auf die aktuelle Krise gibt.

 

Deklaration zum Stopp der voranschreitenden Deindustrialisierung und zur Rettung von Arbeitsplätzen und Industriestandorten in Thüringen

 

Die Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag unterstützt die Forderungen des Offenen Briefes der IG Metall und zahlreicher Thüringer Belegschaften an die Landespolitik. Es ist dringend notwendig, sofort eine Gesamtstrategie für den Erhalt des Industriestandortes Thüringen zu entwickeln. Es geht um den Erhalt von Arbeitsplätzen und der damit verbundenen Bildungs-, Gesundheits- und Wirtschaftsstruktur, von Kindergarten über das Krankenhaus bis hin zum Kleinstgewerbe und Mittelstand wie Bäcker oder Fleischer. Geht ein Betrieb und damit die Beschäftigten, wird der ländliche Raum massiv beeinträchtigt.

 

Wir fordern die Einrichtung eines Investitionsfonds, um durch Landesbeteiligung oder etwaige Überbrückungsfinanzierungen Betrieben aus der Krise zu helfen und die Beschäftigten nicht zu Opfern von Entscheidungen in fernen Konzernzentralen werden zu lassen. Wir nehmen besorgt zur Kenntnis, dass der Druck auf Beschäftigte im verarbeitenden Gewerbe und in der Industrie aufgrund der marktbedingten Problemlagen massiv zunimmt. Statt schulterzuckend hinzunehmen, wie der Markt angeblich alles allein regelt, sehen wir nicht nur die Bundes-, sondern auch die Landespolitik in der Pflicht, aktiv einzugreifen und wichtige Weichenstellungen vorzunehmen.

Für die Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag geht die Bedeutung von Industriestandorten weit über deren ökonomischen Nutzen hinaus. Durch die dortigen Arbeitsplätze und Beschäftigten werden Wohlstand und Zusammenhalt in den Regionen gestärkt und erhalten sowie weitere wirtschaftliche Wertschöpfung ermöglicht. Wir sehen die Politik, und ganz konkret die aktuelle Landesregierung, in der Pflicht, entschlossen und mutig zu handeln, damit Thüringen sozial, stark und ein Ort bleibt, an dem wir gut und gern leben können. Wir wollen Entlastung statt Druck, damit die Beschäftigten nicht allein gelassen werden.

Die Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag ist überzeugt:

„Thüringen darf in der industriellen Transformation nicht abgehängt werden. Mit einem starken Transformationsfonds und klarer Mitbestimmung können wir eine Brücke hin zu einem sozial gerechten, ökologisch verantwortlichen und zukunftsfähigen Industriestandort bauen. Nur, wenn wir Betriebe stabilisieren, die Beschäftigten einbeziehen und entschlossen in die Zukunft investieren, sichern wir Arbeitsplätze und die industrielle Zukunft Thüringens. Die Beschäftigten haben völlig recht: Ohne schnelles und entschlossenes Handeln droht Thüringen eine zweite Welle der Deindustrialisierung. Wir dürfen die Fehler der 1990er Jahre nicht wiederholen. Angesichts der aktuellen Krisensignale aus zahlreichen Thüringer Betrieben braucht Thüringen jetzt eine aktive Industriepolitik, die Arbeitsplätze sichert, den Wandel zur Klimaneutralität vorantreibt und die Beschäftigten beteiligt. Für uns sind die Kriterien ‚Guter Arbeit‘ ein Standortvorteil für Thüringen und damit ein Wirtschaftsfaktor mit wachsender Bedeutung.

Als konkrete Maßnahmen schlägt die Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag vor:

1. Industrielle Kerne sichern – öffentliche Verantwortung übernehmen

Wir fordern ein entschlossenes Handeln der Landesregierung, um Betriebe in Krisensituationen nicht allein zu lassen. Dazu gehören Überbrückungsfinanzierungen, Landesbeteiligungen und eine Stärkung der Industrie. Statt Werksschließungen oder Verlagerungen ins Ausland brauchen wir den Mut, mit Landesmitteln und klarer industriepolitischer Verantwortung eine Brücke in die Zukunft zu schaffen, damit neue, zukunftsfähige Wertschöpfungsketten, z.B. in der Recycling- und Rohstoffwirtschaft, der Ausrichtung hin zu Sondernutzfahrzeugen, z.B. in der Landwirtschaft, oder dem öffentlichen Personen- und Nahverkehr entwickelt werden können.

2. Sozial-ökologische Transformation gestalten

Der Umbau hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft ist für Die Linke kein Risiko, sondern eine Chance. Klimaschutz und ‚Gute Arbeit‘ dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir wollen, dass Investitionen in Energieeffizienz, erneuerbare Energie, Energiespeicher und innovative Technologien gezielt in Thüringen ankommen und die industrielle Kernwirtschaft gestärkt wird. Die Landesregierung hat hier wirksame Hebel in der Hand, um mit Förderprogrammen insbesondere dafür Unterstützung zu leisten. Zudem muss der Bund für bessere Rahmenbedingungen und eine wirksame Förderung der Transformation in Verantwortung genommen werden. Dazu gehört auch, Forschung und Entwicklung an den Thüringer Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen mit den Erfahrungen aus den Betrieben zu verbinden. Die kurzfristige Umstellung auf Rüstungsproduktion ist keine nachhaltige Idee und wird maximal ein kurzes Strohfeuer ohne langfristige Perspektive für den Wirtschaftsstandort Thüringen entfachen.

3. Transformation gelingt nur gemeinsam mit den Beschäftigten.

Die Linke setzt sich für eine verbindliche Beteiligung von Betriebsräten, Gewerkschaften und Belegschaften bei der Entwicklung einer Transformationsstrategie und allen relevanten Entscheidungen z.B. durch Transformationswerkstätten und die Etablierung einer Arbeitskammer ein. Wirtschaftspolitik darf nicht über die Köpfe der Menschen hinweg gestaltet werden. Mitbestimmung ist für uns nicht nur Kriseninstrument, sondern Grundlage einer demokratischen, gerechten und zukunftsfähigen Industriepolitik in Thüringen.

Für die anstehenden Haushaltsverhandlungen fordert die Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag:

Die Einrichtung eines Transformations- und Beteiligungsfonds in Höhe von 70 Millionen Euro, um Arbeitsplätze zu retten und Industriestandorte zu sichern. Der Fonds soll Unternehmen unterstützen, die in Dekarbonisierung, Digitalisierung und innovative Zukunftstechnologien investieren und gleichzeitig als Beteiligungsinstrument wirken. Damit sollen Betriebe in Krisenlagen gestützt, Zukunftsinvestitionen ermöglicht und die Beteiligung der Beschäftigten an den Veränderungsprozessen dauerhaft gestärkt werden.


 

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