Zur Verfassungsgerichtsentscheidung – IT-gestützte Gefahrenabwehr darf Grundrechte nicht aushebeln

Sascha Bilay

Anlässlich der heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erklärt Sascha Bilay, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Thüringer Landtag: „Es ist gut, dass das Bundesverfassungsgericht ausufernden Überwachungsinstrumenten einen Riegel vorschiebt und den Einsatz der umstrittenen Überwachungssoftware von 'Palantir' ausbremst bzw. dem verfassungswidrigen Rechtsrahmen einen Riegel vorschiebt, da andernfalls unbescholtene Bürgerinnen und Bürger Gegenstand von erheblichen Grundrechtseingriffen werden. Eine Sicherheitspolitik auf Höhe der Zeit darf die Bürgerrechte aller nicht einfach außer Kraft setzen, weil man glaubt, vermeintlich oder tatsächlich einen Vorteil im Verfahren gegen Einzelne zu erzielen.“

Bilay weiter: „Die berechtigten Interessen von Ermittlerinnen und Ermittlern erfolgreich Straftaten aufklären zu wollen, müssen in der Gesamtabwägung auch immer mit den verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Daher nützt es der Gesellschaft als Ganzes wenig, wenn die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten auf zwielichtige private Unternehmen verlagert wird, die mit intransparenten Mechanismen sensible Daten verarbeiten und parallel Eingriffschwellen, ab wann Daten von Bürgerinnen und Bürgern erhoben und diese durchleuchtet werden, herabgesetzt werden. Grade bei Palantir ist es möglich, von einer großen Zahl von Menschen plötzlich per Knopfdruck umfassende Persönlichkeitsprofile zu generieren, ohne dass diese sich überhaupt etwas haben zuschulden kommen lassen. Hier braucht es politische, gesellschaftliche und juristische Interventionen, daher danke ich den Kläger:innen u. a. der Gesellschaft für Freiheitsrechte für ihre Bemühungen in Karlsruhe.“

Die Software kann enorme Datenmengen aus unterschiedlichen Datensätzen verknüpfen, darunter auch Anrufer der Notrufnummer 110 oder Zeugen, sie hebelt de facto die Zweckbindung bisheriger Datenbanken ohne rechtmäßige gesetzliche Grundlage aus. Bilay weist darauf hin, dass der US-Konzern, der bereits mit den Polizeien in Hessen, NRW und Bayern Kooperationen einging, schon in den Skandal um Cambridge Analytica verwickelt war, als Millionen von abgezogenen Daten von Facebook-Nutzern ausgewertet wurden. Nach Kenntnis des Abgeordneten werden Palantir-Produkte bisher nicht in Thüringen eingesetzt. Die heutige Entscheidung des Gerichts hat er zum Anlass genommen, eine parlamentarische Anfrage einzureichen, um eine umfassende Erhebung bei der Thüringer Polizei durchzuführen, welche Software zum Auslesen, Strukturieren, Auswerten und Verknüpfen von Daten oder datenbankübergreifenden Analysen zur Anwendung kommt.