Wahlergebnisse als Seismographen und Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen

Dass Wahlanalysen tiefgehender und aussagekräftiger sein können für die parlamentarische Arbeit als gemeinhin gedacht, zeigte die heutige Veranstaltung der LINKE-Fraktion „Wahlen und Abstimmungen als Seismographen gesellschaftlicher Entwicklungen“. „Eine solche ‚Entschlüsselung‘ von Wahlergebnissen ist dringend notwendig, denn sie sagt bei genauerem Hinsehen auch sehr viel über die Erwartungen der Menschen an die Parlamente. Das zeigte nicht zuletzt die Bundestagswahl“, so die Fraktionsvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow. Die LINKE-Fraktion mache sich weiter stark für eine Ausweitung des Wahlrechts, das ein möglichst inklusives Wahlrecht sein sollte. „Das heißt, dass alle die von politischen bzw. staatlichen Entscheidungen von Gremien betroffen sind, diese mitwählen können müssen. Daher dürfe es auch keinen Ausschluss von Migranten und von behinderten Menschen vom Wahl- und Abstimmungsrecht geben. „Auch die Möglichkeiten, zu Sachfragen im Rahmen der direkten Demokratie selbst abstimmen zu können, müssen ausgebaut werden. Die Menschen wollen klare inhaltliche Positionen und Verlässlichkeit“, betont Hennig-Wellsow und fährt fort: „Wir müssen demokratische, emanzipatorische Antworten auf aktuelle Entwicklungen insbesondere zur immer größer werdenden sozialen Spaltung der Gesellschaft finden. Damit können wir auch den Rechtspopulismus zurückdrängen“, so die LINKE-Fraktionsvorsitzende Auf der Veranstaltung mit einer Reihe von Vorträgen betonte z.B. Prof. Hermann Heußner (Hochschule Osnabrück), dass ein weitreichendes inklusives Wahl- und Abstimmungsrecht „die Grundprinzipien der Demokratie, insbesondere Gleichheit und Beteiligungsfreiheit für alle, am besten umsetzt“. Niemand soll bloßer Adressat staatlicher Handlungen sein. Horst Kahrs (Rosa-Luxemburg-Stiftung) arbeitete heraus, dass Wahlen und Abstimmungen nur dann ihre demokratische Funktion erfüllen können, wenn alle die gleichen Chancen auf politische Teilhabe haben. Allerdings sei es im Alltag so, dass dies vielfältige soziale Hürden und Benachteiligungen verhinderten. Wie wissenschaftliche Untersuchungen zeigten, enthielten sich eher Menschen in benachteiligter sozialer Lage von Wahlen und Abstimmungen, sodass die soziale Schieflage in diesem Bereich dadurch noch verschärft werde. Dr. Michael Efler (Mitglied im Bundesvorstand von Mehr Demokratie e.V. und LINKE-Abgeordneter im Berliner Parlament) warb für mehr direkte Mitbestimmung in konkreten Sachfragen. Das mache die öffentliche politische Diskussion inhaltsreicher und fundierter und übe die Leute in demokratischer Diskussionskultur. Direkte Demokratie richtig praktiziert, dränge rechte Manipulatoren eher zurück. Den Parlamenten helfe die direkte Demokratie sehr, denn solche Abstimmungen seien wichtige Seismographen gesellschaftlicher Meinungslagen in der Bevölkerung zu wichtigen Sachthemen, gerade auch zwischen Wahlen und als „Blitzableiterfunktion“ bei gesellschaftlichen Konfliktthemen. Darüber hinaus gab Efler zu bedenken, dass sich in den Parlamenten kaum Abgeordnete aus sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen befinden. „Die Diskussion zu Themengesichtspunkten aus dem Bereich Demokratie soll mit weiteren Veranstaltungen fortgesetzt werden“, kündigte Anja Müller, Sprecherin für Bürgerbeteiligung der Linksfraktion an. „Direkte und parlamentarische Demokratie müssen als wichtige Ergänzungen füreinander fortentwickelt werden, auch als Schutz für die Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat, Menschenwürde und Grundrechteschutz“, betonte die die Abgeordnete.