Und tschüss: Landtag hat Rasseliste abgeschafft

In 14 von 16 Bundesländern werden bisher so genannte Rasselisten geführt, in denen die Gefährlichkeit eines Hundes per se wegen der Rasse angenommen wird und nicht anhand des Tierverhaltens. Das rot-rot-grüne Thüringen hat sich von diesem System nun verabschiedet und geht mit einem fortschrittlichen Gesetz zum Schutz vor Tiergefahren einen neuen Weg. Sabine Berninger (DIE LINKE), Mitglied des Thüringer Landtages:

„Eine Rasseliste ist nicht nur unwissenschaftlich, sondern auch gefährlich, weil sie eine falsche Sicherheit vermittelt. Tatsächlich waren bei 415 Vorfällen in Thüringen nur in neun Fällen Rasselistenhunde beteiligt“, informiert Berninger. „Die Verantwortung für das Verhalten eines Hundes liege am oberen Ende der Leine - beim Menschen und nicht beim Hund“, betont die Abgeordnete.

Statt dieser untauglichen Liste führt Thüringen nun ein neues Kombinationsmodell aus Wesenstest und Sachkundenachweis für gefährliche Hunde ein. Zudem können die Ordnungsbehörden auch präventiv bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine gefahrenbefördernde Tierhaltung eine Sachkundeprüfung des Halters anordnen.

Sabine Berninger resümiert zur Entstehung des Gesetzes, dass zunächst die erste rot-rot-grüne Landesregierung im Koalitionsvertrag 2014 eine Prüfung zur Abschaffung der Rasseliste verankert hatte. Sowohl in allen demokratischen Fraktionen des Thüringer Landtages als auch in der Verwaltung gab es zum Teil Vorbehalte hinsichtlich der Abschaffung der Liste.
Vor allem auch die Erinnerung an eine tödliche Attacke 2010, bei der ein Kind durch Bisse verstarb, führte zur drastischen Gesetzesverschärfung samt Liste. Im Herbst 2017 nahm der neue Diskussionsprozess mit einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses Fahrt auf, in der die tatsächliche Wirksamkeit der bisherigen Regelung, eine Gesetzesänderung des Innenministeriums - aber noch nicht die Abschaffung der Liste - und mögliche Alternativen diskutiert wurden.

Die Abgeordnete weiter: „Letztlich war die intensive Fachdiskussion, bei denen Kinderschutz- und Tierschutzvereine, Kommunen, Tierärzte, Hundesachverständige und andere ExpertInnen zu Wort kamen, und fasst einhellig die Abschaffung der Liste forderten ebenso wie die vielen Meinungsäußerungen von BürgerInnen im Online-Diskussionsforum des Landtages ausschlaggebend dafür, dass bei Parlament parteiübergreifend ein Umdenken stattfinden konnte. Dieses Gesetzgebungsverfahren steht insofern auch beispielhaft dafür, dass es sich lohnt, sich in Vereinen zu engagieren und die Möglichkeiten der Beteiligung zu nutzen, welche die funktionierende parlamentarische Demokratie bietet.“

Die Mehrheit des Parlaments folgte während der heutigen Landtagssitzung einem Gesetzentwurf mit Änderungen der Fraktionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Vor Thüringen hatten bereits Niedersachsen und Schleswig-Holstein modernisierte Gesetze erlassen. Die Abgeordnete Berninger ruft HundeliebhaberInnen in Bundesländern mit Rasseliste auf, ähnliche Initiativen zu ergreifen und erinnert auch anerkennend daran, dass am Ende neben den Koalitionsfraktionen in Thüringen auch die hiesige CDU-Fraktion das System der Rasseliste nicht mehr für tragbar erachtete, obwohl sie es sechs Jahr zuvor mit eingeführt hatte.

Nachdem der Präsident des Landtages das neue Gesetz ausgefertigt hat, wird es üblicherweise innerhalb der nächsten vier Wochen im Thüringer Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht und tritt damit in Kraft. Sabine Berninger hofft, dass das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales auch zügig die nötigen Rechtsverordnungen vorbereitet und erlässt, mit denen u. a. der Ablauf der Sachkundeprüfung geregelt wird, um auch den Kommunen Handlungssicherheit mit dem neuen Modell zu geben.

Das bisherige Tiergefahrengesetz von 2011 ist hier abrufbar:

Die Gesetzesänderung sowie die Erweiterung zur Abschaffung der Rasseliste sind hier abrufbar:

Gesetzentwurf der Landesregierung
Erstes Gesetz  zur  Änderung des Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren

Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/3570 -
Erstes  Gesetz zur Änderung des Thüringer  Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren