Nein zur Einschränkung der Informationsfreiheit durch das neue Bundesarchivgesetz

Am Rande der heutigen Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Bundesarchivrechts kritisierte Katja Mitteldorf, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag und Sprecherin für Kulturpolitik der Fraktion, heute in Berlin:

„Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Bundesarchivrechts versteckt sich eine gravierende Einschränkung der Informationsfreiheit und künftiger historischer Forschung und journalistischer Arbeit. Akten aus den deutschen Nachrichtendiensten sollen nach dem Willen der Bundesregierung künftig nur noch eingeschränkt an das Bundesarchiv zur Verwahrung gegeben werden. Es ist zu befürchten, dass die Neuregelung zu einem Freifahrtschein für die Nachrichtendienste wird, historisch relevante Akten zurückzuhalten und gegebenenfalls zu vernichten. Ich fordere die Bundesregierung auf, diese Regelung zu streichen – oder noch besser: ausdrücklich die Abgabepflicht für alle Akten aus den Nachrichtendiensten an die zuständige und entsprechend gesicherte Stelle für Verschlusssachen im Bundesarchiv festzuschreiben, um eine dauerhafte und vollständige Archivierung zu gewährleisten. Die Vernichtungen von Akten im Zusammenhang mit dem NSU machen doch deutlich, wie wichtig klare Ansagen an die Dienste und ein Schredder-Verbot sind. Staatliches Handeln muss für künftige Generationen nach Ablauf der gesetzlich festgelegten Sperrfristen für Bürger, Forschung und Journalismus transparent und nachvollziehbar sein – das ist eine wichtige Aufgabe des Bundesarchivs und der Landesarchive. Die vorgelegte Neuregelung bedeutet im Ergebnis, dass die Nachrichtendienste selbst entscheiden können, welche Akten sie zur Archivierung abgeben, welche sie bunkern und welche sie vernichten.“

§6 Abs. 1 Satz 2 des vorgelegten Entwurfes der Bundesregierung des Bundesarchivgesetzes sieht vor, dass Akten der Nachrichtendienste dem Bundesarchiv nur anzubieten sind, wenn sie „deren Verfügungsberechtigung unterliegen“ und „überwiegende Gründe des Nachrichtenzugangs“ einer Abgabe an das Archiv „nicht mehr entgegenstehen“. Die Einschränkungen bedeuten, dass die Nachrichtendienste stärker als bisher selber entscheiden können, welche Akten zur Archivierung angeboten werden. Akten, die einer Geheimhaltungspflicht unterliegen, werden im Bundes- und den Landesarchiven besonders gesichert aufbewahrt und unterliegen langjährigen Schutzfristen. Bereits die jetzigen Regelungen berücksichtigen die Interessen der Nachrichtendienste umfassend.

Im Vorfeld der heutigen Anhörung in Berlin hatte auch der „Verband der deutschen Archivarinnen und Archivare“, der „Deutsche Journalistenverband“, das „Netzwerk Recherche“, die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, die Initiative „Netzpolitik.org“ und die „Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit“ diese Einschränkungen im Gesetzentwurf abgelehnt.

Mitteldorf kritisiert: „Die Bundesregierung stellt in ihrer Begründung für die Neuregelung sicherheitspolitische Erwägungen und die Interessen der deutschen und ausländischer Nachrichtendienste über Informationsfreiheit und die Interessen von Wissenschaft und Journalismus. Forschung über die Arbeit der heutigen Nachrichtendienste würden mit den Regelungen des neuen Gesetzes künftig deutlich erschwert oder gar unmöglich. Das ist eine schwere Hypothek für die Zukunft, um staatliches  Agieren zu erforschen, zu dokumentieren und transparent zu machen.“

Die Fraktionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben einen Entschließungsantrag zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Thüringer Archivgesetzes erarbeitet, mit dem der Erhalt, die Weiterentwicklung und die Förderung der Vielfalt der Thüringer Archive gestärkt und die Landesregierung um eine Novellierung des Thüringer Gesetzes über die Sicherung und Nutzung von Archivgut nach Beschluss und Umsetzung des neuen Bundesarchivgesetzes gebeten wird.