Nachrichtendienstähnliche Befugnisse der Polizei parlamentarisch kontrollieren

Steffen Dittes

Das Oberlandesgericht Thüringen musste laut MDR im Mordfall Ramona Kraus den Beschuldigten aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem es einen Mangel an Beweisen feststellte und den Einsatz von verdeckten Ermittlern kritisierte. Diese seien über das Ziel hinaus geschossen und hätten eine aufwendig konstruierte Scheinwelt um den Täter erschaffen. Dazu erklärt Steffen Dittes, innenpolitischer Sprecher der LINKEN im Thüringer Landtag:

„Für die strafrechtliche Aufklärung des Falls ist das eine fatale Entwicklung. Die dafür ursächliche Arbeitsweise der verdeckten Ermittler muss auf den Prüfstand gestellt werden. Der Bereich der nachrichtendienstähnlichen Befugnisse in der Polizei bereitet uns immer wieder Sorgen, also auch der Einsatz von Verdeckten Ermittlern (VE) und Vertrauenspersonen (VP), gerade wegen der mangelnden Kontrollmöglichkeiten. Es ist unverständlich, warum diese Befugnisse im Bereich der Polizei - anders als beim Verfassungsschutz, für den immerhin eine eigenständige, wenn auch nur mit geringen Kompetenzen ausgestattete Kommission gesetzlich vorgeschrieben ist - einer parlamentarischen Kontrolle bislang entzogen sind. Wir sollten daher künftig die nachrichtendienstähnlichen Befugnisse der Polizei ebenso parlamentarisch in einem Ausschuss begleiten und kontrollieren.“

Dittes betont, dass die Thüringer Polizei - einschließlich der Kriminalbeamten - eine gute Arbeit erledige und einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit leiste. Auch die Soko „Altfälle“ habe mit der Aufklärung und Verurteilung im lange ungelösten Kindermordfall Stephanie einen herausragenden Erfolg verbuchen und nach 27 Jahren des Wartens der Familie entscheidende Antworten geben können. Der Abgeordnete weiter: „Greifen jedoch Maßnahmen in besonders sensible Bereiche der Menschen ein, ganz gleich in welchem Deliktsbereich, müssen diese genau abgewogen und geprüft werden. Eine parlamentarische Kontrolle im Bereich dieser Mittel könnte auch für mehr Rechtssicherheit bei den handelnden Beamten führen, denn die Grundlage bei der Kriminalitätsbekämpfung sind rechtssichere und überprüfbare Verfahren, die letztlich auch vor Gericht Bestand haben und zu Verurteilungen führen. Polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungsmaßnahmen und gewonnene Erkenntnisse nützen nichts, wenn sie am Ende nicht gerichtsverwertbar sind. Hier braucht es klare Regeln, bei denen die Rechtsprechung der Gerichte berücksichtigt werden müssen.“

Der Abgeordnete erinnert daran, dass es in den letzten Monaten wiederholt Probleme bei der Kontrolle nachrichtendienstähnlicher Befugnisse bei der Polizei in Thüringen gab. So war es weder den Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschusses noch einem vom Innenministerium eingesetzten Sonderbeauftragten möglich, Verbindungen von Vertrauenspersonen (VP) im Bereich der organisierten Kriminalität zur rechten Szene tiefgründig zu überprüfen. Dittes abschließend: „Es handelt sich um eine bestehende Kontrolllücke, die es zu schließen gilt. Auch die umstrittenen rechtlichen Grundlagen für den Einsatz von Vertrauenspersonen gehören auf den Prüfstand, damit auch künftig eine professionelle und rechtskonforme Ermittlungsarbeit möglich ist.“

Hintergrund:
Als verdeckte Maßnahmen im Bereich der Polizei wird der Einsatz von VE (Verdeckten Ermittlern) gezählt, also das gezielte Einschleusen oder Ansetzen von Beamten mit geänderter Identität und unter der Vorgabe einer Legende sowie der Einsatz von VP (Vertrauenspersonen), also Privatpersonen, die mit der Polizei im Geheimen zusammenarbeiten. Der Einsatz von VE zur Strafverfolgung findet in der StPO Erwähnung und zur Gefahrenabwehr im Landespolizeiaufgabengesetz. Für den Einsatz von VPs ist das Vorhandensein einer verfassungskonformen Rechtsgrundlage umstritten, siehe zum Beispiel: https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=10454