Mitteldorf: Keine Sonderrechte für Geheimdienste im Bundesarchivrecht

Die Bundesregierung will morgen gegen Bedenken von Archivaren, Journalisten und Historikern sowie gegen die Opposition im neuen Bundesarchivgesetz Sonderregelungen für die deutschen Geheimdienste durchdrücken. Die Neuregelung ermöglicht es den Diensten, künftig selbst zu entscheiden, welche ihrer nicht mehr benötigten Akten sie dem Bundesarchiv zur Aufbewahrung anbieten und welche sie vernichten. Bisher waren alle Bundesbehörden verpflichtet, alle nicht mehr benötigte Akten dem Bundesarchiv zur dauerhaften Aufbewahrung anzubieten.

Katja Mitteldorf, kulturpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, kritisiert den Entwurf: „Die Neuregelung ist ein Geschenk der Bundesregierung an die Nachrichtendienste. Künftig können sie noch mehr Geheimniskrämerei
treiben und selber entscheiden, welche Unterlagen sie über ihre Arbeit für immer vernichten. Die Einschränkung der Abgabepflicht ist ein Rückschritt und eine Einschränkung für Forschung und Journalismus. Transparenz und Kontrolle staatlichen Handelns werden eingeschränkt. Das
Bundesarchiv ist das zentrale Gedächtnis des Staates für sein Handeln und für seine Akten aus Ministerien und Behörden. Die bestehenden und weitgehenden Geheimschutzbestimmungen wurden dort immer ohne Beanstandungen umgesetzt. Die Unabhängigkeit des Bundesarchives muss gestärkt und nicht beschränkt werden.“

Am 19. Januar stehen die zweite und dritte Lesung des Entwurfes des neuen Bundesarchivgesetzes auf der Tagesordnung des Bundestages. In der Anhörung des Kulturausschusses des Bundestages am 14. Dezember hatten sich Experten aus Archiven und Wissenschaft gegen diese Beschränkung ausgesprochen. Wegweisenden Studien zur Gründungsgeschichte von Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz würden mit dem neuen Gesetz beispielsweise nicht mehr so umfassend möglich sein wie bisher. DIE LINKE lehnt die Sonderregelungen für die Geheimdienste ab. Sowohl im Innen-, wie auch im Kulturausschuss haben die Thüringer Abgeordneten Martina Renner und Sigrid Hupach die Ermächtigung der Dienste, selber über die Archivierung zu entscheiden, kritisiert und entsprechende Änderungsanträge vorgelegt, die von den Fraktionen der Bundesregierung jedoch abgelehnt wurden.

Mitteldorf sagt abschließend: „Ich fordere die Abgeordneten aller Fraktionen des Bundestages auf, dieser Einschränkung der Abgabepflicht nicht zuzustimmen und das Gesetz zu ändern. Staatliches Handeln muss durch unabhängige Forschung rekonstruierbar sein. Für die Geheimdienste darf es keine Sonderrechte geben. Sie dürfen nicht entscheiden, was sie schreddern dürfen.“