Für mehr Bildungsgerechtigkeit längeres gemeinsames Lernen und individuelle Förderung

Die Bertelsmann-Stiftung unterscheidet im „Chancenspiegel 2014“ vier Gerechtigkeitsindikatoren: Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförderung, Zertifikatsvergabe. Mit dem Chancenspiegel liegt eine umfassende vergleichende bildungspolitische Studie vor, welche Thüringen eine Entwicklung attestiert. Dazu erklärt Torsten Wolf, Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag:

Neben regionalen Disparitäten in den Indikatoren stellt die Studie auch auf das Merkmal soziale Herkunft ab. In allen Bereichen ist die Stadt Jena deutlich mit an der Spitze. Leider vergibt sich die Studie in dem wichtigen Feld „Integration und Förderung“ einiges, was zu dem Bereich Bildungsgerechtigkeit unerlässlich ist.

Die Studie weist aus, dass 2012 durchschnittlich 42,9 Prozent der Grundschüler in Thüringen den Weg in das Gymnasium fanden. Der höchste Wert liegt bei 54,7 Prozent (nicht klassifiziert), der niedrigste bei 29,1 Prozent (nicht klassifiziert). Regionen mit hoher Übergangswahrscheinlichkeit bei weiterführenden Schulen mit der Option auf das Ablegen des Abiturs (Gymnasien/ Gemeinschaftsschulen/ Gesamtschulen) sind Eisenach, Erfurt, Gera, Ilm-Kreis, Jena sowie Weimar (durchschnittlich 67,7 Prozent), die mit der geringsten sind Apolda, Eichsfeld, Hildburghausen, Schmalkalden-Meinigen und Wartburgkreis (durchschnittlich 37,8 Prozent). Damit kann festgestellt werden, dass der Einfluss von Gemeinschaftsschulen und Gesamtschulen in den Städten und Landkreisen mit diesen Schulformen einen deutlich positiven Einfluss auf die Abschlussquoten zur allgemeinen Hochschulreife hat.

Die Studie stellt fest, dass das Verhältnis der Wechsler vom Gymnasium auf die Regelschule (Abwärtswechslern) bzw. Regelschule auf das Gymnasium (Aufwärtswechslern) der Klassenstufen sieben bis neun in Thüringen bei 1:5,3 liegt. Das heißt, dass 5 Mal mehr Kinder durch die viel zu frühe Trennung in Klassenstufe 5 Abwärtswechsler werden. Ein klares Ergebnis, die Entscheidung für die weiterführende Schule nicht in die Klassenstufe 4 zu legen.

Die Aussagen zu Klassenstufenwiederholungen sind für Thüringen nur von begrenzter Reichweite, da mit der neuen Schulordnung erst 2011 die Veränderungen kamen. Allgemein wird von 1,7 Prozent  ausgegangen. Die Schulstatistik Thüringen weist für 2013/14 einen Wert von 1,5 Prozent  aus. Also hier ein leichter Rückgang.

Diejenigen ohne einen Schulabschluss werden mit 1.024 bzw. knapp 7 Prozent in 2012 angegeben (für 2013/14 weist die Schulstatistik 1.177 bzw. 8 Prozent aus, also ein Anstieg). Regional liegen hier der Landkreis Altenburg, HBN, Jena, Suhl, SOK und Sonneberg mit durchschnittlich 4,4 Prozent  vorn, während Eisenach, IK, Nordhausen, Sömmerda und UH mit 9,5% durchschnittlich die Schlusslichter bilden.

Die Studie widmet sich dankenswerter Weise in einem extra Kapitel für Thüringen der Frage, ob Bildungsgerechtigkeit eine soziale Dimension hat (S. 324ff). In Abhängigkeit vom Bildungsstand der Region, der Höhe des Einkommens und der Kinderarmut wird festgestellt, dass städtische Regionen mit eher geringem Einkommen, einem hohem Bildungsstand und geringer Kinderarmut sowohl die Übergangswahrscheinlichkeit an das Gymnasium erhöht (49,2 Prozent), die Quote der Wiederholer deutlich niedriger ist (1,4 Prozent) als auch die Zahl der Abgänger ohne Schulabschluss (3,5 Prozent) am geringsten ist.
Im Gegensatz dazu schneiden eher ländliche Regionen mit durchschnittlichem Einkommen, eher niedrigem Bildungsstand und relativ hoher Kinderarmutsquote in den Bereichen Wiederholer (1,9 Prozent) und Abgänger ohne Schulabschluss (mit 8,1 Prozent) besonders schlecht ab.
In beiden Dimensionen sind keine Städte und Landkreise benannt wurden.

Die neue rot-rot-grüne Thüringer Landesregierung hat mit den Zielen des Koalitionsvertrages wichtige Bereiche zur Herstellung von Bildungsgerechtigkeit in Thüringen aufgegriffen und wird dies umsetzen. Der systematische Ausbau des längeren gemeinsamen Lernens bei Garantie aller Schularten, multiprofessionelle Teams, die Verstetigung der Schulsozialarbeit, ein neues Personalsteuerungsmodell, eine Qualitätsoffensive Inklusion und die Neueinstellung von mindestens 600 Vollzeitlehrkräften pro Jahr sind die richtige Antwort, damit Thüringen in 2019 von einem Mittelfeldplatz bei der Studie Chancenspiegel 2014 auf vordere Plätze gelangen kann. Das von Ministerin Dr. Klaubert angebotene ‚Bündnis für gute Schule‘ als Angebot an alle Akteure zur Beteiligung auf diesem Weg unterstützt die Linksfraktion ausdrücklich!