Anfrage zur Anerkennung von Berufsabschlüssen: Zuwanderung bringt eine Win-win-Situation

Die anhaltende Diskussion über Zuwanderung in Deutschland und die begrüßenswerte Initiative der IHK Erfurt zur Vorbereitung und Heranführung von Flüchtlingen und Migranten an die duale Berufsausbildung veranlasste den Landtagsabgeordneten der LINKEN, Torsten Wolf, mit einer Kleinen Anfrage die Situation im Bereich der Anerkennung von Berufsabschlüssen und Maßnahmen der Landesregierung zur Integration über Berufsausbildung zu erfragen. Vor dem Flüchtlingsgipfel am 23. April stellt der bildungspolitische Sprecher der Fraktion anhand der Zahlenbasis fest: „Seit 2009 wurden 2.389 Anträge auf Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen gestellt, darunter waren 1.318 Ärzte und Apotheker sowie noch einmal 88 aus Gesundheitsfachberufen und 12 Tierärzte. Wenn wir diese Zuwanderung nicht gehabt hätten, wäre wohl heute schon die flächendeckende Gesundheitsversorgung in Gefahr.“

Integration gelingt vor allem, wenn es ermöglicht wird, die Fähigkeiten und das Wissen der Migranten in unserer Gesellschaft zur Wirkung zu bringen. „Die Behandlung durch einen syrischen oder rumänischen Arzt bringt nicht nur Teilhabe, sondern aktives Erleben der Bereicherung unserer Gesellschaft durch Migranten“, so Wolf. Dabei werden verschiedene Möglichkeiten genutzt, vorhandene berufliche Qualifikationen zur Anerkennung zu bringen. Das Wesentliche sind die notwendigen Sprachkenntnisse. Große Probleme gibt es bei nicht den deutschen Berufs- oder Studienabschlüssen gleichzusetzenden ausländischen Abschlüssen und vor allem bei durch Flucht verlorenen gegangenen Unterlagen. So sind bei 1.318 anerkannten Abschlüssen aus den Bereichen Ärzte, Apotheker und Gesundheitsfachberufe 464 nicht oder noch nicht anerkannte Abschlüsse zu verzeichnen, wie die Anfrage des Landtagsabgeordneten ergab.

Besonders hohe Ablehnungszahlen ergaben sich bei Lehrern durch insbesondere die Unterschiede zur Thüringer Lehrerausbildung sowie zu berufsqualifizierenden Schulabschlüssen der Berufsfachschulen und der Fachschulen, hier durch die deutsche Berufsausbildungsordnung sowie einem fehlendem Referenzberuf. „Aufgabe des Flüchtlingsgipfels muss es auch sein, die Anerkennungsverfahren kritisch zu hinterfragen, damit vermeidbare Hürden nicht den Flüchtlingen und Migranten bei der Integration über Arbeit im Wege stehen. Hier muss jeder einzelne Fall betrachtet werden. Auch sollte gesehen werden, dass wer sich auf die Flucht begeben muss nicht zuerst nachfragt, welche Unterlagen die deutsche Bürokratie braucht, insofern diese bei Krieg und Krisen überhaupt mitgenommen werden können“, sagt Torsten Wolf.

Im zweiten Teil der Kleinen Anfrage wurde der Bereich der dualen Ausbildung von Flüchtlingen und Migranten angefragt. Hier ergab sich, dass Migranten eine ca. fünf Prozent höhere Abbrecherquote (Gesamt 2012 29,1 Prozent) als Menschen ohne Migrationshintergrund haben. Gründe für den Anbruch sind insbesondere die fehlende deutsche Sprachkompetenz und der Wegzug aus Thüringen. Hier können und müssen die Beratungs- und Unterstützungsleistungen der verschiedenen Akteure wie z.B. der IHK Erfurt mit ihrem „Vocational Training Center“ ansetzen. Die Landesregierung begrüßt die Initiative der IHK Erfurt und aller Ausbildungsbetriebe, welche duale Ausbildungsplätze für Flüchtlinge und Migranten zur Verfügung stellen. Über den im Thüringer Ministerium für Migration und Justiz angesiedelten Integrationsbeirat wurde im März 2015 eine AG „Integration in den Arbeitsmarkt“ zur Abstimmung der arbeitsmarktpolitisch relevanten Institutionen im Kontext der Flüchtlingsarbeit ins Leben gerufen. Auch hat das Welcome Center Thuringia (WCT) eine koordinierende und unterstützende Funktion bei der beruflichen Integration von Migranten. Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport plant u.a. eine besondere Form des Berufsvorbereitungsjahres (BVJ) für Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache mit einem erhöhten Anteil an Deutschunterricht (12 Std./Woche).

Im Rahmen des Thüringer Landesnetzwerkes „Integration durch Qualifizierung“ (IQ), welches Migranten insbesondere bei der Berufsanerkennung unterstützt, wurden u.a. in den letzten Jahren 1.187 Menschen beraten, von denen 26 Prozent über einen Berufsabschluss verfügten. Auch werden im Projekt „to arrange – pro Job. Initiativ Flüchtlinge in Arbeit“ insbesondere junge Flüchtlinge sprachlich und fachlich auf die Berufsschule vorbereitet. Dieses Projekt wird durch das ab 2015 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales über ESF-Mittel geförderte Programm „Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen“ (IvAF) fortgeführt.

„Flüchtlinge und Migranten werden uns nicht nur kulturell bereichern. Wenn wir die Weichen richtig stellen und sie bei uns nach ihren Fähigkeiten und Abschlüssen in und über den Arbeitsmarkt integrieren, werden wir eine klassische Win-win-Situation erreichen. Denn die in den letzten 20 Jahren nicht geborenen Kinder können die sich abzeichnende Fachkräftelücke von mindestens 200.000 Menschen nicht schließen, wir brauchen dringend Zuwanderung. Hier kann und muss der Flüchtlingsgipfel am 23. April die Impulse auch in Richtung Integration auf dem Arbeitsmarkt setzen“, so fasst der bildungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Torsten Wolf, seine Erwartungen zusammen.