Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Kindergartengesetzes

Daniel Reinhardt
RedenDaniel Reinhardt

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/6574

 

Vom Modellprojekt zum Regelbetrieb – was lange währt, wird endlich gut. Herr Präsident, vielen Dank, dass die drei Koalitionsfraktionen direkt hintereinander sprechen dürfen.

Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, die mir zuhören, werte Kolleginnen und Kollegen der Thüringer Kindergartenlandschaft, mit der heutigen Einbringung des Gesetzentwurfs liegt Ihnen nicht der dringend notwendige große Wurf in der Kindergartenlandschaft in Thüringen vor – das ist in der Tat so –, aber er wird noch kommen, wie bisher von Rot-Rot-Grün in jeder Legislaturperiode.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Was Ihnen vorliegt, ist ein schlanker und dafür auch solider Gesetzentwurf, in dem es im Wesentlichen um zwei Dinge gehen wird: einmal ist das PiA, also die praxisintegrierte Erzieherinnenausbildung neben der konsekutiven, also der schulischen Ausbildung, die zur Regelausbildung wird, und andererseits Regelungen zur Umsetzung der 39-Stunden-Woche bei gleichbleibender Bezahlung für Erzieherinnen im Kindergarten zum 01.01. nächsten Jahres. Das hat natürlich, wie Sie wissen, Auswirkungen auf den Mindestpersonalschlüssel.

 

Als ehemaliger Kindergartenleiter und gelernter Erzieher weiß ich, dass ein guter Kindergarten das Wohlbefinden der betreuten Kinder, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Eltern an erste Stelle stellt. Hierbei liegt der Schwerpunkt natürlich auf der Betreuung und Bildung der Kinder und der Unterstützung von Familien. Um diesem hohen Anspruch gerecht zu werden, braucht es pädagogisches Personal und – genau – eine Kindergartenleitung, die genau diesen Anspruch verfolgt. Die praxisintegrierte Erzieherinnenausbildung ist also ein Weg in Thüringen, der dieses so dringend benötigte Fachpersonal generieren soll. PiA wurde bereits 2019 als Modellprojekt in Thüringen in einer Stärke von 69 Plätzen eingeführt, anfänglich noch mit der Zusage einer Bundesförderung, welche dann schnell wieder in der Versenkung verschwand.

Der Freistaat Thüringen, wir als Vertreterinnen der Koalitionsfraktionen, aber auch sie, werte Kollegen Abgeordnete, sahen PiA in seiner Gesamtheit als so immens wichtig an, dass wir in den letzten vier Jahren mehrere Millionenbeträge dafür zur Verfügung gestellt haben, um dieses Ausbildungsmodell als Modellprojekt fortzuführen. Und so hat der Freistaat Thüringen alle dafür notwendigen Finanzierungen übernommen.

Neben sehr vielen positiven Rückmeldungen aus der Praxis gab es jedoch ein einheitliches Feedback zu dieser PiA, und zwar, dass die geschaffenen Ausbildungsplätze und deren Vergabesystem unzureichend sind. Ja, man kann an dieser Stelle sogar von ganz verständlichem Ärger sprechen. Die Fragen richteten sich auf: Warum darf der Kindergarten einen PiAnisten haben, der Kindergarten nicht? Warum ist es in der Berufsschule möglich und in der Berufsschule nicht? Ja, das sind die Nachteile eines Modellprojekts.

 

Nichtsdestotrotz bleibt doch aber hängen, dass PiA ein Erfolg war und bleiben wird. Heute haben wir mittlerweile doppelt so viele Nachfragen nach dieser Ausbildung, wie hier Plätze zur Verfügung stehen. Ja, selbst die Kindergärten in den Kommunen und Landkreisen machen sich selbst auf den Weg, PiA vielleicht gar selbst zu finanzieren wie im Eichsfeld.

Aus unserer Sicht als Links-Fraktion ist es insbesondere die Bezahlung der Auszubildenden, die das Pfund im Vergleich zur konsekutiven, also schulischen Ausbildung ausmacht. Beim klassischen Werdegang eines Thüringer Erziehers, einer Erzieherin wird man fünf Jahre lang ausgebildet und hat, wenn man denn BAföG bekommt, drei bis vier Monate verspätet die Möglichkeit auf BAföG. Bei PiA wird man innerhalb von drei Jahren ausgebildet und in jedem Falle erhält man eine Ausbildungsvergütung, welche auch noch höher ist als dieses klassische BAföG.

Aber die PiA-Auszubildenden haben gegenüber der konsekutiven Ausbildung auch einige Erschwernisse in Kauf zu nehmen. Dessen sollte man sich bewusst sein. Neben der höheren Belastung durch den stetigen Wechsel von Praxis und Theoriebezug, den Wechsel vom Kindergarten zum Berufsschulort und zu sich nach Hause gibt es deutlich weniger Freizeit. So haben PiAnistinnen eben nur 30 Tage Urlaub, währenddessen die in der konsekutiven Ausbildung die Sommer-, die Herbst- und die Winterferien haben.

Es ist also so, dass beide Ausbildungsformen Vor- und Nachteile haben. Mit unserem vorliegenden Gesetzentwurf kann demnächst der oder die potenziell Auszubildende für sich selbst entscheiden und abwägen, welche Vor- und Nachteile für die eigene Erwerbsbiografie besser passen. Das sollte mehr junge Menschen, im allgemeinen Menschen ermutigen, diesen so wunderbaren Beruf des Erziehers zu ergreifen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wissen, dass Thüringen bundesweit Spitze ist bei den Nutzungszeiten der Kindergärten und in der Quote der Inanspruchnahme.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wenn wir diesen Spitzenplatz halten wollen, müssen wir in der Fachkräftefrage agieren. Fakt ist: PiA hat bereits und wird mehr an den dringend benötigten Fachkräften für den Kindergartenbereich schaffen, Fachkräfte, die heute in einer Reihe von Standorten in Thüringen bereits fehlen, Fachkräfte, die die Betreuungszeiten in Gänze abdecken können, um so eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiterhin auf einem hohen Niveau in Thüringen gewährleisten zu können.

 

Eine in Auftrag gegebene Bundesstudie zeigt auch, dass sich unter den Auszubildenden bei den PiAnistinnen mit 35 Prozent ein hoher Anteil an Quereinsteigerinnen befand. 32 bzw. 26 Prozent verfügten über Abitur oder Fachhochschulreife. Hier also wird ganz konkret die Personengruppe deutlich, die wir meinen, wenn wir von zusätzlichem Personal sprechen, welche wir als Berufseinsteigerinnen gewinnen wollen.

 

Und noch ein weiterer Aspekt: Diese Fachkräfte werden dringend für weitere anstehende Personalschlüsselverbesserungen benötigt. Es macht aus meiner Sicht überhaupt gar keinen Sinn, über eine Erhöhung des Personalschlüssels zu sprechen und über dessen Qualität, wenn uns an der Stellschraube – also dem Personalschlüssel – die Fachkräfte dazu fehlen. Auch deswegen ist der Ausbau der PiAnistinnen so wichtig.

 

Ein Thema, das nicht unbedeutend ist: Wie soll denn das Ganze nun finanziert werden? Da gibt es mindestens vier Möglichkeiten. Das eine wäre, der Bund nimmt einfach Geld in die Hand und bezahlt das Ganze oder der Freistaat Thüringen macht es wie bisher: Er nimmt das Geld haushalterisch in die Hand und macht im Modellprojekt weiter. Oder aber man koppelt diese Finanzierung der PiAnistinnen und der Ausbildungsplätze an das geltende Kindertagesstättengesetz und die darin beschriebenen Finanzierungswege. Auch hier gibt es mindestens zwei Möglichkeiten: Entweder man koppelt die Refinanzierung an die Personalkosten oder an die Betriebskosten. Auch hier gibt es Vor- und Nachteile – je nachdem, woran man das koppelt. Wir haben in unserem Gesetzentwurf die Kopplung der Refinanzierung an die Betriebskosten gesetzt und sagen somit: Wenn die Kindergärten die Betriebskosten sozusagen entgegenstellen, haben sie ein Mehr an Personal in den Einrichtungen und das ist für uns gleichzeitig ein Qualitätsgewinn.

 

Wir rechnen also ganz fest damit, dass durch PiA zusätzliches Personal in die Kindergärten kommt und – ja – dass es geradezu zu einem Run in den Berufsschulen kommen wird, um diese zur bevorzugten Ausbildungsstätte zu nehmen. Ein weiterer Kostenpunkt werden daher die Entschädigungen für Mentorinnen und Mentoren im Kindergarten sein. Das ist natürlich ein Mehraufwand, der pauschal bezahlt werden muss, denn jeder und jede angehende PiAnistin, die Erzieherin werden möchte, braucht gerade in den ersten Monaten im ersten Jahr eine Mentorin, die ihr überhaupt erst mal zeigt: Wie arbeitet man denn im Kindergarten oder mit Kindern?

 

Im Dezember 2019 beleuchtete die vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Prognos-Studie die Entwicklung des personellen Bedarfs an Erzieherinnen und Erziehern in Deutschland. Die Studie kam zu dem Schluss, dass, wenn keine gegenläufigen politischen Weichenstellungen erfolgen, im Jahr 2030 rund 200.000 Erzieherinnen und Erzieher in Deutschland fehlen werden. Dieser Gesetzentwurf ist unsere Antwort auf diese Studie. Es ist eine politische Weichenstellung für ein Mehr an qualifizierten – wohlgemerkt, an qualifizierten –Fachkräften. Damit verbunden legen wir die Grundlage für weitere Verbesserungen des Personalschlüssels. Die Kostenfreiheit des dritten gebührenfreien Jahres werden wir sicherlich auch noch oben draufpacken. Für uns als Linke steht nämlich ein Gleichklang zwischen Qualitäts- und Quantitätsverbesserung.

 

Weil ich nur noch eine Minute Zeit habe, springe ich mal. Ich sage Ihnen aber noch ganz kurz die Kennzahl. Wenn wir die Personalschlüsselverbesserungen zweier Kinder zwischen 3 und 6 auf 1 zu 13 machen wollten, bräuchten wir um die 600 neue Fachkräfte, bei einer Personalschlüsselverbesserung auf 1 zu 12 bräuchten wir sogar 1.200 neue Erzieherinnen und Erzieher. Und ja, sehr geehrter Herr Montag, werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, diese Komplexität braucht Kooperation.

 

(Beifall Gruppe der FDP)

 

Unser Gesetzentwurf ist ein wesentlicher Baustein, dass das Fröbelland Thüringen zukunftsfest gestaltet wird. Bitte stimmen Sie dieser Überweisung an den Bildungsausschuss zu und lassen Sie uns zu einer raschen Anhörung kommen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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