Wer übernimmt in der Regierung Verantwortung? Sonderbericht des Thüringer Rechnungshofs rügt systematische und schwerwiegende Verstöße bei der Stellenbesetzung in den Leitungsbereichen der obersten Landesbehörden und bei Staatssekretärinnen

Steffen Dittes

Zum Antrag der Fraktion der CDU und der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/7574

 

Sehr geehrter Herr Bühl, die Choreografie ging ein bisschen daneben, da Sie jetzt den Punkt mit der Grunderwerbsteuer setzen mussten, und Sie können die große politische Aufregung, die Sie sich offensichtlich von Akt III der Inszenierung „Angebliche Postenaffäre“ versprochen haben, gar nicht so richtig umsetzen, deswegen sind Sie wahrscheinlich auch so ein bisschen gelangweilt von dieser Debatte und beschäftigen sich mit Ihrem Handy und checken wahrscheinlich die Reaktionen auf den unsäglichen politischen Beschluss, den Sie gerade gefasst haben.

 

(Heiterkeit CDU, AfD)

 

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Ich checke die positiven Nachrichten, die mir Familien wegen der Senkung schreiben!)

 

Aber lassen Sie uns doch zu Ihrem Antrag reden. Ich rede doch – vielen Dank dafür, dass ich jetzt Ihre Aufmerksamkeit habe. Lassen Sie uns doch mal über Ihre Beschlussempfehlung reden. Ich finde es schon eigentlich ganz amüsant, wenn Sie hier von fehlendem Aufklärungswillen der Landesregierung sprechen, und Herr Kemmerich hat es ja nun deutlich gesagt. Sie machen es daran fest, dass Sie mit der Antwort der Landesregierung, die Sie bislang in allen Fragestunden, in allen Sitzungen bekommen haben, nicht zufrieden sind. Sie sagen, der fehlende Aufklärungswille macht sich daran fest, weil im Prinzip die Rechtsauffassung, die die Landesregierung vertritt, nicht zu Ihrer Zufriedenheit ausfällt und nicht der entspricht, die der Landesrechnungshof in seinem Bericht gemacht hat. Das ist der Punkt, den Sie hier ausmachen und sagen, deswegen fehlt der Landesregierung das Aufklärungsinteresse. Ich finde es vor allem auch deshalb interessant, denn wenn Sie ja der Landesregierung vorwerfen, dass sie überhaupt kein Aufklärungsbewusstsein, kein Aufklärungsinteresse hat, dann unterstellen Sie hier so ein Stück weit sich selbst, ein solches zu haben. Oder, Herr Bühl? Und Aufklärungsbewusstsein, Aufklärungsinteresse heißt ja, man will etwas aufklären, was unbekannt ist, wo man sich unsicher ist, wo ein Stück weit Informationen vorliegen, die muss man zusammenpuzzeln, die muss man beraten, und am Ende nach so einer Aufklärung kommt man zu so einem Urteil. Aber Ihr Urteil steht doch schon fest, und da sage ich mal, Sie haben überhaupt kein Aufklärungsinteresse, Sie haben auch kein Aufklärungsbewusstsein. Sie wollen, dass in diesem gesamten Prozess am Ende das festgestellt wird, was Sie von Anfang an sagen. Dann finde ich es wiederum ganz putzig, wenn Sie sagen, der Landesregierung fehlen die Wertschätzung und der Respekt gegenüber dem Verfassungsorgan. Herr Bühl, Ihnen fehlen die Wertschätzung und der Respekt gegenüber dem Verfassungsorgan der Landesregierung, wenn Sie erstens das unterstellen, dass sie kein Aufklärungsbewusstsein haben, wenn Sie unterstellen, dass sie die Aufklärungsarbeit im Untersuchungsausschuss oder in Ausschüssen gänzlich vereitelt haben, und Ihnen fehlen natürlich die Wertschätzung und der Respekt. Wenn Sie von Anfang an, vom ersten Tag an mit solchen Vokabeln, „die Ramelow-Regierung“, „Vetternwirtschaft“, „Veruntreuung“, „Ämterpatronage“ Stimmung erzeugt haben, da sage ich Ihnen, das hat mit Wertschätzung und Respekt gegenüber einem Verfassungsorgan nichts zu tun.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Die Landesregierung kann sich selber verteidigen. Ich sage Ihnen aber auch, warum Sie keinen Respekt gegenüber dem Verfassungsorgan Thüringer Landtag haben. Sie sagen, die Landesregierung gibt Ihnen nicht alle Informationen, gibt Ihnen nicht die Möglichkeit zu diskutieren, gibt Ihnen nicht die Möglichkeit, Fragen zu beantworten und zu bewerten. Ich war ja selbst Mitglied oder habe an Sitzungen des Haushalts- und Finanzausschusses teilgenommen. Ich kann mich noch an eine Sitzung erinnern, als Sie sich darüber aufgeregt haben und der Ausschussvorsitzende Ihrer Fraktion versucht hat, den Staatskanzleiminister zu unterbinden, weil er zum Punkt II. Ihres Antrags Ausführungen gemacht hat, nämlich zu der Frage, welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung? Da haben Sie lautstark dazwischengerufen, das tut hier überhaupt nichts zur Sache, Sie sollen nicht sagen, Herr Hoff, was die Landesregierung für Schlussfolgerungen zieht, das wollten Sie nicht hören, obwohl Sie es selber beantragt haben und haben dann sogar noch behauptet, dass das nicht in Ihrem Antrag gestanden hätte. Ich erinnere mich noch gut an diese Sitzung, als Sie genau diese Schlussfolgerung der Landesregierung gar nicht hören wollten. Ich erinnere mich auch noch gut an die Sitzung des Ausschusses für Europa, Kultur und Medien, als Sie gleich von vornherein gesagt haben, wir wollen in diesem Ausschuss überhaupt nicht reden, obwohl es Anträge von Fraktionen gab, die sagen, wir wollen genau darüber reden, weil das der Ausschuss ist, der a) auch betroffen ist durch die Staatskanzlei und b) natürlich es auch der Ausschuss ist, wo der Staatskanzleiminister regelmäßig dem Parlament Auskunft gibt. Diese Beratung in diesem Ausschuss haben Sie verhindert. Da sage ich: Herzlichen Dank für Ihre Feststellung, jemand anderem würde das Aufklärungsbewusstsein fehlen. Sie haben selbst keinen Aufklärungswillen. Sie haben den Willen zur politischen Inszenierung.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Das wird hier dann auch weiter in Ihrem Antrag sehr deutlich. Deswegen können wir den auch wirklich relativ schnell abhandeln. Wir stimmen dagegen, Sie stimmen dafür, wahrscheinlich mit der AfD und der FDP. Damit ist klar, dass die Mehrheiten zur Gestaltung der Politik im Thüringer Landtag jetzt tatsächlich neu verteilt werden.

Sie fordern mich hier heraus, wenn Sie in Ihrem Antrag die Sitzungen des Haushalts- und Finanzausschusses im April, im Mai, im Juni aufzählen und dann am Ende sagen, weil in diesen drei Sitzungen bis zum Juni die Landesregierung nicht ausführlich geantwortet hat, war es folgerichtig, dass Sie den Untersuchungsausschuss beantragt haben. Dummerweise, Herr Bühl, haben Sie den Untersuchungsausschuss am 27. April beantragt, also vor Stattfinden all dieser Sitzungen. Wie Sie dann diese Sitzungen zur Begründung Ihres Antrags herbeiziehen können, das müssen Sie mir erklären. Diese zeitliche Unwucht in Ihrem politischen Agieren kann ich zumindest mit meinem physikalischen Verständnis nicht nachvollziehen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ist aber auch egal, denn darum geht es Ihnen ja gar nicht. Es geht einfach um das Feststellen von Behauptungen, es geht darum, das weiter in der Öffentlichkeit zu halten. Und Herr Kemmerich hat es ja auch gesagt: Das Ziel ist die Wahl im Herbst 2024.

Was ich allerdings wirklich unverschämt finde, ist der Punkt II.3. Dort sagen Sie nämlich, dass im Prinzip die gesamte Landesverwaltung jetzt unter Verdacht steht. Deswegen nur noch mal kurz in Erinnerung gerufen: Der Rechnungshof hat geprüft die Einstellungspraxis bei Staatssekretären, bei nahen Angestellten, persönlichen Referenten, Büroleitern und Pressesprechern, wo § 3 des Laufbahngesetzes festschreibt, dass eine Ausschreibung nicht zwingend erforderlich ist. Was haben Sie festgestellt, Frau Butzke? Dort, wo gesetzlich keine Ausschreibung vorgeschrieben ist, wurde auch keine Ausschreibung gemacht. Das war Ausgangspunkt Ihrer Beurteilung. Es hätte auch keine Bestenauslese gegeben. Die Landesregierung hat auf die damit verbundenen Mängel in der Dokumentationspflicht der Bestenauslese in diesem Verfahren hingewiesen und hat darauf reagiert.

 

Jetzt übertragen Sie eine gesetzliche Regelung, die nur für diesen Bereich gilt, auf die komplette Verwaltung und unterstellen, dass dort das Verfahren auch Anwendung findet. Es gibt überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür, dass entgegen der rechtlichen Vorgabe, dass in allen anderen Bereichen Ausschreibungen zu erfolgen haben, diese dort nicht stattgefunden haben. Im Übrigen will ich Ihnen auch sagen: Das sind ja in anderen Bereichen – eben wurde das Landesverwaltungsamt genannt – Entscheidungen, die gar nicht durch Minister und Staatssekretäre getroffen werden, sondern wo Personalreferate diese Personalentscheidungen vorbereiten, wo Personalräte beteiligt sind, wo Ausschreibungen dokumentiert werden, wo im Prinzip auch Konkurrentenklagen bearbeitet werden und so die gerichtlichen Verfahren tatsächlich auch vorbereitet werden, die wirklich stattfinden.

 

Was Sie machen mit Ihrem Punkt II.3, ist, die komplette Verwaltung und die komplette Arbeit der Personalreferate in allen Ministerien und allen nachgeordneten Behörden unter Generalverdacht zu stellen. Diesen Generalverdacht beschreiben Sie von Anfang an mit Vetternwirtschaft, Veruntreuung und Ämterpatronage.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Das ist eine Unverschämtheit, weil das wirklich die politische Auseinandersetzung verlässt und tatsächlich Beamte in Thüringen unter Generalverdacht stellt. Aber das ist etwas, was wir heute früh schon mal diskutiert haben. Da haben Sie auch Polizeibeamtenstellen als Versorgungsposten charakterisiert. Sie haben wirklich langsam jeden Anstand verloren, den Sie in der politischen Auseinandersetzung mit uns, aber auch mit der Landesregierung eigentlich zeigen sollten.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ich habe es schon gesagt: Wir lehnen Ihren Antrag ab. Beschließen Sie ihn! Es wird daran nichts ändern. Wenn Sie wirklich Aufklärung im Untersuchungsausschuss erzielen wollen, dann werden Sie natürlich in die Lage versetzt werden müssen, in den Akten zu gucken, in die Akten zu schauen, die zu lesen, mit den jeweiligen Ministern und Staatssekretären zu diskutieren. Aber Sie sollten vor allem auch eines machen: Sie sollten die Mitarbeit anderer Fraktionen nicht blockieren. Denn eine Ihrer ersten Entscheidungen im Untersuchungsausschuss war, einen Beweisantrag der Fraktionen von SPD, Linke und Grüne abzulehnen. So viel zu Ihrem Aufklärungsbewusstsein. Herzlichen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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