Stärkung der dualen Ausbildung durch eine moderne Berufsorientierung in Thüringen - Unterstützung für die Fachkräfte von morgen

Daniel Reinhardt

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/6782

 

Ich habe ja gedacht, Halloween wäre vorbei und dann habe ich diesen CDU-Antrag gelesen und musste mich doch schon wieder etwas gruseln. Herr Präsident, werte Zuhörerschaft! Bereits heute leisten unsere Thüringer Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer in Zusammenarbeit mit den Betrieben für die umfängliche und gute Gewinnung von zukünftigen Arbeits- und Fachkräften einen hervorragenden Beitrag. Das ist oftmals darauf zurückzuführen, dass es einzelne engagierte Lehrerinnen und Lehrer gibt, und dafür kann man bereits heute schon mal Danke sagen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Zum Themenkomplex „Berufsorientierung“ kann ich so viel sagen, dass unsere Landesregierung das Thema weitgehend bearbeitet hat. Wir als Linksfraktion haben das Thema „Stärkung der dualen Ausbildung durch eine moderne Berufsorientierung“ bereits 2019 in das Schulgesetz tatsächlich auch aufgenommen, indem wir dort die Möglichkeit geschaffen haben, Modellprojekte durch Kooperation von Betrieb und Schule einzuführen. Und darauf hat die Landesregierung im Übrigen mit ihrer Landesstrategie „Berufsorientierung“ in Abstimmung – man höre und staune – mit den Kammern reagiert, die dafür sogar mehr Arbeitsplätze erhalten haben. Und es ist im Übrigen auch so, wenn sie das verfolgt haben und wissen, was dort passiert, dass die Schulen bereits jetzt schon aufgefordert sind, uns Konzepte vorzulegen, wie sie Berufsorientierung ganz konkret mit den lokalen Betrieben bei ihnen vor Ort vornehmen wollen. Das soll jetzt schon passieren. Wir als Linksfraktion haben auch in unserem aktuellen Schulgesetz nochmal ganz konkret dieses Thema „berufliche Orientierung“ verankert und festgelegt, dass die bisher erfolgreichen Modellprojekte zu beruflicher Orientierung mit den Betrieben von den Schulen zum Regelfall werden sollen. Aber da komme ich später noch einmal darauf zurück.

 

Ich habe also, wie sicherlich alle, die heute dazu gesprochen haben, diesen CDU-Antrag durchgelesen und habe mich gefragt: Warum stellen Sie den jetzt? Wollen Sie gerne stänkern? Wollen Sie Dinge feststellen, die wirklich jeder von uns schon weiß, also, dass wir ein Ungleichgewicht haben von Menschen, die nicht in der Ausbildung vermittelt werden konnten, oder es nicht geschafft haben? So viel zu zu vielen Ausbildungsplätzen. Also, die Problematiken, die kennen wir. Aber das immer wieder zu beschreien und zu sagen, wie Herr Thrum, die Landesregierung wäre daran schuld, halte ich für den falschen Weg. Ich denke, an dieser Stelle müssen wir tatsächlich innovativ und lösungsorientiert vorgehen. Oder aber es gehört zu Ihrer CDU-Kampagne, alles und jeden hier in Thüringen schlecht zu reden, um eigenes politisches Kapital daraus zu schlagen.

 

Ich würde mich freuen, wenn von der größten Oppositionspartei im Thüringer Landtag tatsächlich mal auch in diesem Bereich ein konstruktiver, realisierbarer und vor allen Dingen auch ernst gemeinter Vorschlag käme. Warum ich das hier so hart benenne, will ich Ihnen mal an zwei Sachen hier in Ihrem Antrag exemplarisch erläutern und einordnen.

Ich zitiere kurz aus Ihrem CDU-Antrag, da steht – Zitat –: In „den zuständigen Ausschüssen [soll] bis zum 30. Juni 2023“ berichtet werden, „wie hoch die Quote der Lehrstellenbesetzungen in den unterschiedlichen Branchen“ usw. ist. Also, liebe CDU, Sie machen sich nicht mal die Mühe, den Antrag, den wir hier heute behandeln, aktuell zu halten. Wir leben nicht mehr im Juni 2023, wir leben mittlerweile im November 2023. Das haben Sie nicht mal geschafft und so gehen Sie mit uns Parlamentariern um, das hier zeitlich auch neu einzuordnen. Das halte ich für mindestens liederlich.

 

(Zwischenruf Abg. Dr. König, CDU: Lassen Sie mal die Polemik bei diesem wichtigen Thema raus!)

 

Dann stehen in Ihrem Antrag so viele Anforderungen und Aufforderungen, die Sie gerne doch in einer Kleinen oder Großen Anfrage stellen können, um zu Ihren Ergebnissen zu kommen. Oder aber Sie machen das so, wie ich das gemacht habe, Sie machen eine Berufsschultour durch den Freistaat Thüringen und sprechen vor Ort mit den Berufsschulen, mit den Direktorinnen und Direktoren, mit den Schülersprecherinnen und Schülersprechern, da bekommt man jede Menge clevere Antworten. Und ich glaube im Übrigen, dass Frau Baum das gemacht hat, denn den Antrag, den wir heute nicht mit drauf genommen haben, der hat nämlich aus diesen Gesprächen, die ich dort auch geführt habe, ganz viele von diesen Erkenntnissen dabei.

 

Aufgrund der recht kurzen Redezeit, die mir hier heute zuteilwird, habe ich jetzt nicht die zehn weiteren Beispiele angeführt, die mich im CDU-Antrag auch stören, sondern habe mir nur noch einen weiteren Antrag rausgesucht von Ihnen, und zwar unter Punkt II.2, da wird von Ihnen, von der CDU, die Landesregierung aufgefordert, sich mit den Kammern abzustimmen, sodass Berufsschulen und Ausbildungen auf dem Lande erhalten bleiben. Dazu fordern Sie die Landesregierung auf. Da frage ich mich: Was wollen Sie mit einem solchen Punkt im Antrag bewirken? Wollen Sie Angst machen? Wollen Sie suggerieren, dass alle Berufsschulen auf dem Lande geschlossen werden? Oder wollen Sie, dass zukünftig die Landräte in den Landkreisen kein Mitspracherecht mehr haben bei der Berufsschulnetzplanung? Soll das TMBJS zukünftig ohne Abstimmung mit den Kommunen, sondern nur noch mit den Kammern abstimmen, wo welche Berufsschule erhalten bleibt? Ich sage ganz klar Nein. Denn aktuell ist es doch so, dass die Berufsschulnetzplanung zweieinhalb Jahre, bevor sie denn dann tatsächlich umgesetzt wird, in die Kommunen vor Ort gegeben wird und die Gemeinden, Städte und Kreise sich in Abstimmung mit den Kammern, also mit der Industrie- und Handelskammer, mit der Handwerkskammer, begeben können. Das funktioniert doch auch schon. Klar gibt es Probleme, es gibt hier einen massiven Verteilungskampf, das ist ganz klar, das will ich gar nicht kleinreden. Aber bei den Voraussetzungen, die wir gerade haben, also einen Rückgang der Schülerinnenzahlen, die ganze wirtschaftlichen Herausforderungen, die wir gerade haben, müssen wir natürlich für den gesamten Freistaat, über die Ressourcen, die wir haben, nachdenken, wie wir diese bündeln können und Synergien schaffen können. Diese Entscheidungen können durchaus schmerzhaft sein, aber wenn alle daran beteiligt sind und gucken können, wie man das beste Ergebnis findet, dann kann ich das tatsächlich auch vertreten und so findet es aus meiner Sicht in der Realität gerade auch statt.

 

Es gibt auch noch weitere Punkte, die Sie hier mit aufmachen, das ist zum Beispiel das Ausbildungsticket oder auch BAföG – aber ich habe ja gesagt, ich will nicht auf alle Punkte eingehen, die mich stören. Weil da so viele Punkte drin sind, die uns und auch mich gestört haben, haben wir uns als Rot-Rot-Grün gedacht, wir schreiben jetzt auch noch mal einen Antrag, der natürlich sehr, sehr gut ist, der innovativ ist und der natürlich auch Lösungen anbietet bei all den Problemen, die sowohl Sie als auch wir benennen und feststellen.

 

(Heiterkeit CDU, AfD)

 

Da picke ich jetzt nur mal zwei Dinge raus, die mir besonders wichtig sind, und zwar wollen wir geprüft wissen, ob ein Ausbildungsunterstützungsfonds, so wie es ihn bereits umgesetzt in Bremen gibt, in Thüringen auch funktionieren könnte. Und, Frau Baum, der Bereich jetzt für Sie: Ausbildungsunterstützungsfonds kann ein wichtiges Instrument sein, um Jugendliche in der Ausbildung zu unterstützen, zu fördern, und gleichzeitig – und jetzt hier das, was ich meine – bei kleinen Unternehmen auch andocken, die ja den Großteil der Ausbildungen übernehmen, um diese kleinen Unternehmen zu entlasten. Ziel eines solchen Ausbildungsunterstützungsfonds sind die Erhöhung des Ausbildungsplatzangebots, die Verringerung der Ausbildungsabbrüche – das wollen ja auch alle – und die Erhöhung der Ausbildungsqualität, aber eben auch die Unterstützung der Betriebe bei der Ausbildung. Finanziert werden dann fachliche Angebote, psychosoziale Beratung, Verbundausbildung, überbetriebliche und außerbetriebliche Ausbildung und Ausbildungsbegleiter.

 

Ich möchte trotzdem noch einmal auch auf die hervorragende Arbeit an unseren Regelschulen eingehen, denn seit Jahrzehnten findet das im Freistaat Thüringen statt, dass unsere Regelschulen Kooperationen mit Betrieben umsetzen, um so jungen Menschen berufliche Orientierung für den Start in die Arbeitswelt und in das Berufsleben näher zu bringen. Das ist auch gut so, gut für die Betriebe, aber auch gut für die Schülerinnen und Schüler. Bei mir war das noch nicht so, also ich musste nicht in einen Betrieb gehen, mit dem man kooperiert hatte, aber ich hatte zumindest in der 9. und 10. Klasse in der Regelschule ein Praktikum irgendwo in einer Berufswelt, bei mir war es klassischerweise der Kindergarten. Ich denke, mir und auch anderen Schülerinnen und Schülern tut diese Perspektive in einer Berufswelt sehr gut, weil ich denke – und das unterscheidet mich auch ein bisschen von den anderen, was sie gesagt haben –, dass nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer für die berufliche Orientierung unserer Schülerinnen und Schüler zuständig sind, sondern es ist sehr wohl auch das Elternhaus, was die eigenen Kinder mit an die Hand nehmen und sagen sollte: Guck mal, in den und den Bereich kannst du gehen, das und das kann man machen. Ich denke, da sollte man auch Eltern mit in die Verantwortung nehmen und nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer.

 

Wenn man jetzt noch mal ganz konkret die von uns durch das Schulgesetz ermöglichten Modellprojekte der berufsorientierten Bildung an unseren Schulen herauspickt, dann sind das beispielsweise „Berufsstart Regio Nord“ oder Praxistage, wie sie im Schulamtsbereich Nordthüringen bereits stattfinden. Das strahlt in den gesamten Freistaat sehr positiv aus, und zwar so gut, dass mittlerweile sogar in Ostthüringen genau so was auch gemacht wird. Früher nannte man das, was wir jetzt in Ostthüringen machen, in den Schulen „Tag im Betrieb“, nun ist es „TiP – Tag in der Praxis“. Und das wollen wir in unserem Schulgesetz mittlerweile dann auch so verankert wissen, dass es alle Schulen auch verbindlich machen müssen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Im Übrigen wäre diese betriebliche Ausbildung oder die Möglichkeit, in einen Betrieb zu schnuppern, nicht nur für unsere Regelschulen gut, sondern es wäre auch gut, wenn die Gymnasien das machen könnten. Es gibt bereits Gymnasien im Freistaat, die das machen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

So könnte man Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, so einen Betrieb mal kennenzulernen.

 

Was im Übrigen auch helfen würde, wäre, wenn wir moderne und neue Internatsplätze haben, ein gutes Internet, also mit Glasfaseranschlüssen, mit einer tollen Software, die dort angebunden ist, mit spezialisierten Förderangeboten für Menschen, die zum Beispiel eine Behinderung haben oder erhöhten Förderbedarf haben. Das wäre schön, wenn man das hätte, und dann wäre es natürlich auch schön, wenn die Förderrichtlinie zum Azubi-Wohnen recht zügig käme, um genau an diesen Stellen zum Beispiel Menschen zu unterstützen, die aufgrund der eingeschränkten Mobilität keinen Ausbildungsplatz haben, also die dann zum Beispiel im modernen zukünftigen Internat sein können, in die Berufsschule gehen und so nicht täglich darauf angewiesen wären, zu pendeln.

 

Abschließend: Wir stehen in Deutschland und in Thüringen vor gewaltigen Aufgaben und es knarrt und knirscht überall, das wissen wir. Ich denke, dass wir, dass das Parlament die Aufgabe hat, Lösungen anzubieten, zu diskutieren. Aber ich denke nicht, dass wir die Aufgabe haben, Probleme zum hundertsten Mal zu benennen und damit selbstpolitischen Mehrwert herzustellen. In diesem Sinne bitte ich Sie, unserem Antrag auf Überweisung zuzustimmen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE)

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