Mögliches Fehlverhalten der Landesregierung bei der Besetzung öffentlicher Ämter bei Staatssekretärinnen und Staatssekretären sowie Stellen von persönlichen Mitarbeitern in den Leitungsbereichen der Ministerien und der Staatskanzlei

Steffen Dittes

Zum Änderungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/7886

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, diejenigen, die uns hier zurufen, wir wären diejenigen, die die Beratung verzögern würden, will ich vielleicht noch mal daran erinnern, dass diese Beratung hier stattfindet, weil es die drei Fraktionen Linke, Grüne und SPD beantragt haben. Sie haben versucht, dass heute früh noch zu verhindern.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Das ist die … Frechheit!)

 

Herr Zippel, bleiben Sie doch mal ganz ruhig, Sie werden Gelegenheit haben, auch noch reden zu können.

 

Da Herr Schard bei seiner Begründung hier gesagt hatte, es geht darum, aufzuklären, was der Rechnungshof als systematischen Verstoß und Rechtsbruch dargestellt hat, will ich vielleicht doch noch mal an die Ausgangssituation erinnern, worüber wir eigentlich reden, weil es auch für die Öffentlichkeit interessant ist.

Sie haben darauf verwiesen, es gibt im Grundgesetz in Artikel 33 Abs. 2 die Bestenauslese für den öffentlichen Dienst. Es ist vorgeschrieben, jeder muss nach Eignung, Befähigung den Zugang zu allen Ämtern haben. Nun gibt es allerdings auf Initiative Ihrer Partei, der CDU, eine Rechtslage in Thüringen, die für Staatssekretäre, für persönliche Mitarbeiter von Ministern und Staatssekretären, für Büroleiter, für Pressesprecher in den Ministerien, also für eine Vielzahl von Menschen, die Teil dieser Regierung sind, eine Regelung, die sagt, von einer Ausschreibung kann abgesehen werden.

 

Was passiert? Der Rechnungshof macht eine Prüfung in genau diesen Bereichen, Besetzungsverfahren von Staatssekretären, persönlichen Mitarbeitern, Büroleitern, Pressesprechern, und stellt fest, dass keine Ausschreibungen rechtskonform stattgefunden haben. Das ist Ausgangspunkt. Daraus schlussfolgert der Rechnungshof, dass es keine Bestenauslese gibt, weil er die nicht nachvollziehen konnte, da es ja keine Ausschreibung gibt.

 

Nun habe ich mir dem Bericht sehr genau durchgelesen und habe mich gefragt, was denn eigentlich der Rechnungshof empfiehlt, wenn es keine gesetzliche Verpflichtung zur Ausschreibung gibt, wie denn die Bestenauslese tatsächlich stattfinden soll. Da sagt der Rechnungshof, bei den persönlichen Mitarbeitern, Büroleitern und Pressesprechern sollten wir einfach die Rechtslage ändern, wir sollten das Gesetz ändern und die gesetzliche Ausschreibungspflicht wiedereinführen. Was der Rechnungshof nicht sagt, weil er das eben auch nicht kann, weil er auch keine Idee hat, wie bei nicht notwendiger Ausschreibung denn die Bestenauslese erfolgen soll.

 

Das hat auch einen besonderen Grund, dass das nämlich so gesetzlich geregelt ist und auch auf Vorschlag Ihrer Fraktion in Thüringen seit Anbeginn der Existenz dieses Freistaats so gilt, nämlich dass es in diesen Positionen ein besonderes persönliches und auch politisches Vertrauensverhältnis zu den Ministern, zum Teil der Landesregierung geben muss.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Das ist doch selbstverständlich richtig. Das ist doch absurd, wenn Sie hier jetzt behaupten, in Ihren Regierungsbeteiligungen wären die Staatssekretäre irgendwie im Rahmen von Ausschreibungen nach beamtenrechtlicher Bestenauslese eingestellte Beamte, die mit der Politik Ihrer Partei nichts zu tun hätten.

 

Herr Kemmerich, schauen Sie doch mal, wer im Bundesfinanzministerium Staatssekretär ist. Eine FDP-Abgeordnete ist Parlamentarische Staatssekretärin und ein Staatssekretär ist nicht Mitglied der FDP, der seine letzten Jahre seiner Arbeitsbiografie damit verbracht hat, im Ausland, in Brasilien, Botschafter zu sein. Davor war er in der FDP-Fraktion Referent für Europapolitik. Der Mann ist Beamter im Bundesfinanzministerium als verbeamteter Staatssekretär.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Aus dem Haus! Aus der Beamtenlaufbahn!)

 

(Unruhe Gruppe der FDP)

 

Ich glaube, wenn man Ihren Maßstab zur Grundlage nimmt und sagt, dort müsste ein beamtenrechtliches Auswahlverfahren stattfinden, glaube ich nicht, dass ein Referent, der übrigens auch Jurist für Europapolitik ist, mit der Berufserfahrung, die in diesem Bereich nicht einschlägig ist, eine beamtenrechtliche Bestenauslese gewonnen hätte.

 

(Unruhe Gruppe der FDP)

 

Ich glaube, das kann auch nicht Ihr Ziel sein …

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP)

 

Ach, es gab keine Ausschreibung, Herr Montag. Erzählen Sie doch nicht so einen Blödsinn.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Ihr wisst nichts!)

 

Der war früher Referent in Ihrer Bundestagsfraktion. Ich sage auch, dass das richtig ist, Herr Montag.

 

Das müssen wir auch in den Mittelpunkt der Diskussionen stellen. Natürlich, die Menschen gehen zur Wahl, Parteien machen Wahlkampf, die Menschen wählen Parteien, weil sie wollen, dass sich entsprechend der Parteien Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten bilden und dass dann aufgrund dieser Mehrheitsverhältnisse Regierungen entsprechend dem Wertesystem der Parteien die Politik für die nächste Regierungsperiode bestimmen. Das ist der Wunsch und das ist auch Prinzip unseres Demokratieprinzips hier in der Bundesrepublik. Frau Bergner, das ist völlig abwegig, was Sie hier erzählt haben. Das ist unvereinbar mit den parlamentarischen, parteipolitischen Prinzipien. Das erwarten die Menschen, dass sich eben auch in ihrer politischen Wahlentscheidung manifestiert, was dann fünf Jahre in der Regierungsverantwortung umgesetzt wird.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Und weil Sie das so genau wissen, Herr Bühl und Herr Montag, werfe ich Ihnen vor, dass ist unverantwortlich politisch, was Sie hier machen, denn Sie zerstören genau das Vertrauen der Menschen in dieses politische Prinzip der Regierungsbildung, weil das eben darauf aufbaut.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ich werfe Ihnen nicht vor, Herr Tischner, ich werfe Ihnen gar nicht vor, dass das bei Ihnen 24 Jahre lang nicht anders war. Ich könnte Ihnen alle CDU-Generalsekretäre nennen, nachdem sie bei Ihnen nicht mehr Generalsekretär waren, die heute Mitarbeiter in den Ministerien sind aufgrund der ministeriellen Entscheidungen Ihrer Partei, Vertreter in den Ministerien. Das werfe ich Ihnen gar nicht vor. Aber wenn Sie das eben nicht als Vorwurf haben wollen, dann müssen Sie genauso wie ich das Demokratieprinzip und die Funktionsweise von Regierungsbildung begründen

 

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Das ist doch Ihre Praxis! Das ist das Problem!)

 

und eben auch in der Öffentlichkeit darstellen.

Nun sagen Sie als Zweites, die Regierung würde mauern.

 

Vizepräsidentin Marx:

 

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte wird immer noch – eigentlich – von hier vorne vom Rednerpult aus geführt.

 

Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:

 

Jetzt sagen Sie, wir würden mauern oder die Landesregierung würde mauern. Sie haben ja wirklich die ganze Klaviatur der politischen Inszenierung gespielt. Im Dezember haben Sie angefangen: Sondersitzungen des Justizausschusses, Haushalts- und Finanzausschuss, da hat die Landesregierung im Übrigen den Bericht beantragt, den wollten Sie dort gar nicht hören – haben wir gemacht. Der Minister hat ausführlich berichtet. Wir haben dort die Fragen gestellt. Danach haben Sie, schon das letzte Mal, während einer laufenden Plenarsitzung eine Sondersitzung beantragt. Ich glaube, das ist auch ein Missbrauch eines parlamentarischen Rechts.

 

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Umweltausschuss!)

 

(Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Das entscheiden Sie?)

 

Nein. Ein Antrag auf Sondersitzung soll ja dazu dienen, die Unmöglichkeit der Beratung eines Gegenstands erst möglich zu machen. Wenn man sich aber hier trifft, weiß ich nicht, wie man zeitgleich sagen kann, wir sind gar nicht in der Lage, über den Sachverhalt zu reden. Sie hätten einfach nur sich melden müssen und einen Antrag stellen müssen, mit uns reden müssen und wir hätten einen gemeinsamen Weg gefunden, so wie wir das heute gefunden haben. Nein, Sie wollen diese politische Instrumentalisierung.

Und ich will Ihnen auch noch was sagen, wo es deutlich wird, dass Sie politisch instrumentalisierend an die Sache herangehen. Letzte Woche, weil Sie immer sagen, der HuFA war verantwortlich, hat das Parlament entschieden. Anstatt nämlich im Parlament in der Sondersitzung die beiden Anträge der CDU und der FDP und der Koalition gleich zu beschließen, weil dort Aufträge der Transparenzschaffung an die Landesregierung drinstanden, haben Sie gesagt: Wir überweisen erst mal diese beiden Anträge an den Haushalts- und Finanzausschuss, der soll dann beraten, ob wir überhaupt der Landesregierung den Auftrag geben; und wenn die Beschlüsse dann zurückkommen als Beschlussempfehlung, dann ist die Landesregierung in der Pflicht, tatsächlich zu berichten. – Das ist doch Quatsch. Das ist aber Ihr Herangehen an die Fragestellungen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Und deswegen war es auch ganz konsequent und richtig und hat etwas mit Transparenz und Aufklärung zu tun, dass der Minister in der Haushalts- und Finanzausschusssitzung letzte Woche Ihnen gesagt hat, Herr Bühl: Ich tue einfach mal so, als ob der Landtag die Aufträge an die Landesregierung schon ausgelöst hat, obwohl sie es gar nicht wollen, und sage ihnen die Berichte, die sie wollen, alle zu bis zum 26. oder 25. Mai. Der Haushalts- und Finanzausschuss hat sich letzte Woche auf Ihre Initiative hin dazu verständigt, dass die Fraktionen bis heute ihre Fragestellungen erarbeiten und an die Landesregierung geben, damit sich der Haushalts- und Finanzausschuss am 25. Mai damit befassen kann.

Das wollen Sie gar nicht in diesem Ausschuss. Das wollen Sie nicht. Sie wollen nicht, dass in der Sache gearbeitet wird. Sie wollen nicht, dass man anhand der Fragenkataloge, die die Fraktionen bis heute auf Verabredung dort einreichen, berät. Nein, Sie wollten das Schauspiel einer Sondersitzung, weil Sie suggerieren wollen, es gäbe da einen besonderen politischen Druck, den Sie entfalten müssen, weil andere mauern. Das ist ganz und gar nicht der Fall. Und das wird tatsächlich belegt, wenn man sich die Schrittfolge mal anschaut.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Nun sagen Sie, mit unserem Änderungsantrag würden wir unzulässigerweise den Kern erweitern. Jetzt will ich Ihnen mal sagen, das stimmt nicht, weil der Rechnungshof, und das geht auch aus dem Bericht hervor, auch Prüffeststellungen getroffen hat für den Zeitraum von 2009 bis 2014. Ich will nicht spekulieren, warum Sie diesen Zeitraum nicht betrachtet wissen wollen. Das war, glaube ich, eine Regierung unter einer Ministerpräsidentin der CDU. Aber das wäre eine reine Mutmaßung, dass darin ein Grund liegen könnte.

 

Ich will Ihnen aber auch sagen, warum es tatsächlich sinnvoll ist, sich das genau anzuschauen. Denn es hat etwas mit der eingangs von mir skizzierten Rechtslage zu tun, die nämlich auf den ersten Blick eine Rechtskonformität feststellt, nämlich, dass man auf die Ausschreibung verzichten kann. Der Rechnungshof sagt nicht, es gibt eine Reihe von Einzelfällen, die merkwürdigerweise immer mit Rechtsverstößen behaftet sind. Der Rechnungshof sagt nach der Prüfung von Einzelfällen, die Landesregierung hat eigentlich systematisch falsch gehandelt. Was heißt das denn, Herr Montag, „systematisch“? Es scheint, in Thüringen ein zugrundeliegendes Prinzip zu geben, das bei der Besetzung von Stellen für persönliche Mitarbeiter, Staatssekretäre, Büroleiter und Pressesprecher dazu führt, dass dort keine Ausschreibungen getätigt werden. Das ist die Rechtslage und der Rechnungshof sagt, das scheint Prinzip zu sein in Thüringen. Deswegen ist ja wichtig, zu fragen, woher kommt eigentlich dieses Prinzip. Hat es diese Landesregierung 2014 eingeführt oder ist es ein Prinzip, was in Thüringen seit 1990 gilt und was im Übrigen in allen anderen Bundesländern, aber auch in der Bundesregierung zur Anwendung kommt? Deswegen ist es richtig, nicht nur die Einzelfälle zu überprüfen – das mag Ihrem Wunsch nach Voyeurismus gerecht werden –,

 

Vizepräsidentin Marx:

 

Herr Dittes, kommen Sie bitte zum Schluss.

 

Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:

 

sondern es ist wichtig, der Systematik auf den Grund zu gehen. Und wenn wir der Systematik auf den Grund gehen, werden wir wissen, diese Landesregierung hat rechtskonform gehandelt. Die Verwaltungspraxis wurde seit 2014 nicht verändert. Wir müssen auch ehrlich sein, wir müssen diese Prinzipien politischer Regierungsbildung vertreten, vorstellen, transparent erklären und dort, wo Änderungen notwendig sind, auch Änderungen herbeiführen. Das hat die Landesregierung angeregt. Ich freue mich auf den Untersuchungsausschuss, wenn er in diesem Sinne arbeitet. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dateien