Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen – Elektronische Ausfertigung und Verkündung von Rechtsakten

Steffen Dittes

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/2040

 

Kollege Montag, Sie haben sich in Ihrem Redebeitrag gefragt, damit auch uns und die Öffentlichkeit: Was ist eigentlich das Ziel dieser Beratung oder des Redebeitrags von Anja Müller, meiner Kollegin, gewesen? Ich kann Ihnen sagen, als Fraktionsvorsitzender – und das wird Ihnen nicht anders gehen – höre auch ich die Redebeiträge der Abgeordneten meiner Fraktion das erste Mal hier im Plenum, weiß nicht, was sie sagen. Und was ich herausgehört habe, das hat mir Anja Müller noch mal gesagt, ist, was der Linken in der Verfassungsdebatte an Inhalten wichtig ist, und zweitens habe ich herausgehört, eine Einladung auch an die demokratische Mehrheit, die wir zur Verfassungsänderung brauchen, auszusprechen, nämlich eine vorhandene Blockade aufzulösen und sich genau auf das Machbare zu konzentrieren.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Nun war leider war der Kollege Zippel eben nicht in der Lage, genau diesen Redebeitrag auch in diesem Sinne so aufzunehmen und darauf zu reagieren.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ich hoffe, Herr Zippel, dass ich Sie in Ihrem Redebeitrag durchaus falsch verstanden habe und nicht richtig verstanden habe, denn ich hatte den Eindruck, dass Sie hier mit Ihrem Redebeitrag die Verfassungsdebatte und auch die Möglichkeiten einer Verfassungsänderung für beerdigt erklären wollten und nur lediglich nach dem Prinzip „Haltet den Dieb!“ auf die Linke zeigen. Sie haben an einer Stelle gesagt, Herr Zippel, Sie hatten den Eindruck, man hat der Linken gut zusammengearbeitet.

 

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Funktioniert!)

 

Ehrlich gesagt, das kann ich Ihnen sagen auch aus meiner Richtung – ich habe ja auch an vielen Beratungen und Verhandlungen zur Verfassung teilgenommen –, das kann ich auch in Richtung der CDU sagen, es gab gute konstruktive Gespräche zur Änderung der Verfassung. Nur dann gab es einen Moment im Jahr 2021, da hatte ich dann eben auch den Eindruck, dass die CDU erschrocken war über das Ergebnis der guten Zusammenarbeit, weil, es gab ja eine Einigung mit der CDU zu konkreten Texten der Verfassungsänderung. Wir hatten uns geeinigt über die Aufnahme Ehrenamt, über die Aufnahme des Ziels der gleichwertigen Lebensverhältnisse, des Ziels der Stärkung des Schutzes von Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierung, des Ziels des Schutzes vor Diskriminierung aufgrund des Alters. Wir haben uns auf staatsorganisatorische Rechteregelungen geeinigt, wie beispielsweise zur Konnexität oder eben auch zur elektronischen Verkündung. – Herr Voigt, ich komme gleich noch zur Konnexität drauf. –

Also, wir waren uns einig, dass diese Punkte in die Verfassung rauskommen. Was Sie heute dann aber machen, ist, zu sagen, das sind ja eigentlich gar nicht die echten Probleme, und verweisen darauf, dass Sie dann nämlich, als wir uns geeinigt hatten – das tatsächlich echte Problem auf den Tisch gelegt haben „als Bedingung die MP-Wahl“, also im Prinzip, nachdem wir einen Einigungsprozess erreicht haben und in wirklich vielen Punkten uns noch mal verständigt haben. Deswegen sage ich es in aller Öffentlichkeit: Wir sind bereit, alles das, was wir gemeinsam auch bereits innerlich verabredet haben in dieser Verfassungsänderung, ohne Bedingung tatsächlich auch als Verfassungsänderung mit Ihnen gemeinsam zu beschließen.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Geben Sie Ihre Inhaftungsnahme dieser Staatsziele und staatsorganisatorischen Regelung einfach – geben Sie diese Haftung auf und nehmen Sie dieses verbindende Element mit der MP-Wahl zurück!

 

Zur Konnexität nur ein Beitrag. Da will ich in aller Offenheit sagen: Es gab keine letztendliche Einigung über den Wortlaut der Konnexität. Aber, Herr Voigt, jetzt können Sie auch nicken, wir sind uns einig, dass wir eine Konnexitätsregelung in die Verfassung aufnehmen können. Was wir bloß wollen – und das Finanzausgleichsrecht ist durchaus etwas Kompliziertes.

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Ja, … als wir!)

 

Wir haben eigentlich gar keine verfassungsrechtliche Regelungslücke bei der Konnexität. Was wir aber nicht machen, ist, – und das ist dann Ihr Textvorschlag – im Prinzip die Formulierung der Konnexität für den übertragenen Wirkungskreis so abzuändern, dass die vorhandene Verfassungsrechtsprechung obsolet wird, sondern wir wollten die Verfassungsrechtsprechung auf Grundlage der Verfassung zur Konnexität im übertragenen Wirkungskreis bestehen lassen, also rechtssichere Regelung auch beibehalten und die Konnexität zum eigenen Wirkungskreis danebensetzen. Dazu sind wir bereit. Da müssten Sie sich einfach nur fachlich mit uns verständigen zum Text. Aber da gibt es im Prinzip im Grundsatz gar keinen Dissens.

 

Ich will aber noch mal auf den Einwand von Herrn Zippel eingehen, das alles wäre ja nicht so wichtig, das wären nicht die echten Probleme – Beschaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Thüringen, Nachhaltigkeit, Schutz vor Diskriminierung, weil, das eigentlich echte Problem, was Sie von Anfang an gesetzt haben, wäre die MP-Wahl. So haben Sie es gesagt, Herr Zippel.

 

Nun ist ja das AIS, also das Landtagsinformationssystem, ein elektronisches System, was nicht lügt oder sich zumindest meistens richtig erinnert, im Gegensatz zu vielen Abgeordneten unserer Fraktionen oder unseres Landtags.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ich habe noch mal nachgeschaut. Herr Zippel, im November 2019, also unmittelbar nach der Wahl, vor einer MP-Wahl mit den aus Ihrer Sicht unklaren verfassungsrechtlichen Regelungen, haben Sie einen Gesetzentwurf in den Thüringer Landtag eingebracht mit dem wesentlichen Inhalt: Aufnahme von zwei Staatszielen in die Thüringer Verfassung. Das war Ihnen das Wichtigste im November 2019, nämlich den Schutz des Ehrenamts in die Thüringer Verfassung aufzunehmen und Nachhaltigkeit als Staatsziel zu verankern.

Dann kam der 5. Februar 2020, und die politische Verantwortung, die Sie da zu tragen haben, will ich hier gar nicht wiederholen. Dann haben Sie seitdem – das ist allen bekannt – eine Minderheitsregierung in Thüringen mit den, sage ich mal, nahezu krisenhaften Situationen auch in Ihrer Bundespartei, aber auch in Thüringen. Und dann kamen Sie ein Jahr, nachdem Sie hier Staatsziele im Thüringer Landtag beantragt haben, auf die Idee, einen Gesetzentwurf zur MP-Wahl einzubringen. Das haben Sie heute begründet, Herr Zippel, gar nicht ehrlich und transparent, was Sie da eigentlich die ganze Zeit wollen und als Bedingung formulieren, sondern Sie haben gesagt: Wir wollen einen Vorschlag machen, um eine Klageanfälligkeit bei der MP-Wahl auszuschließen.

 

Herr Zippel, dieses Angebot, eine Klageanfälligkeit bei der MP-Wahl auszuschließen, liegt Ihnen unsererseits vor. Und ich sage jetzt noch mal in der Öffentlichkeit: Wir sind damit einverstanden und gehen mit Ihnen den Weg, eine Rechtslage, wie wir sie in Thüringen haben, so klar in der Verfassung auch zu formulieren, dass sie eben nicht klageanfällig ist.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Aber Ihre Fraktion, die diesen Vorschlag seit Januar und jetzt auch wieder seit März auf dem Tisch hat, lehnt bisher genau diesen Weg ab, die Klageanfälligkeit der MP-Wahl auszuschließen durch eine Klarstellung in der Verfassung.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Und deswegen nochmals auch meine Einladung an Sie, tatsächlich diesen Weg zu gehen und genau diese klarstellende Regelung auch aufzunehmen, damit diese Bedenken wirklich auch aufgegriffen werden.

 

Ich will aber auch politisch deutlich machen, Herr Zippel – und das ist mir wirklich wichtig bei allen Diskussionen, wie man auch eine Ministerpräsidentenwahl in der Verfassung unterschiedlich gestalten kann –: Wir haben – und das sage ich in aller Klarheit und Deutlichkeit – überhaupt kein Klarstellungsproblem,

 

(Beifall DIE LINKE)

 

es gibt keine unklare Verfassungslage. Das haben die Verfassungsrechtsexperten in der Anhörung des Verfassungsausschusses, Herr Schard, auch alle deutlich gesagt. Der Verfassungskommentar, der genau in dieser Zeit der Diskussion hier im Verfassungsausschuss veröffentlicht worden ist, ist in dieser Frage eindeutig: Die Väter und wenigen Mütter dieser Verfassung von 1994 haben auch hier im Landtag eindeutig gesagt, dass die Regelung, wie sie verstanden wird, genau auch die Regelung war, die beabsichtigt ist, nämlich die Stärkung des Souveräns und praktisch die In-die-Pflichtnahme aller Abgeordneten, sich nicht eben ihrer eigenen Verantwortung bei der Regierungsbildung entziehen zu können, wenn ihnen das Wahlergebnis nicht passt. Was Sie wollen, ist gar keine Klarstellung und möglicherweise das Verhindern von Klageanfälligkeit, was Sie wollen, ist ein Systemwechsel. Und da haben wir allerhöchste Bedenken und sind nicht dafür und sprechen uns auch dagegen aus, weil wir es gerade für gefährlich halten, in dieser Situation eine Möglichkeit zu erschaffen, dass sich eine destruktive Mehrheit so verhalten kann, dass eine Regierungsbildung auf Dauer unmöglich gemacht wird und dass der Wähler und die Wählerin immer wieder an die Wahlurne gerufen werden, nur, weil wir uns möglicherweise nicht in der Lage sehen, mit dem Wahlergebnis umzugehen.

 

Die Regelung in der Thüringer Verfassung ist unstrittig, sie ist auch in der Bundesrepublik geübte Praxis, die in zahlreichen Verfassungen der Bundesländer existiert. Sie stärkt den Souverän, das Recht des Souveräns, und es setzt uns als Abgeordnete in die Verantwortung, mit jedem demokratischen Wahlergebnis umzugehen und eine Regierungsfähigkeit in Thüringen herzustellen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Deswegen nochmals, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, sehr geehrte Fraktionsvorsitzender Herr Voigt: Wir haben Ihnen noch mal auch in dieser Woche ein Verhandlungsangebot auf den Tisch gelegt. Das beinhaltet die Punkte, auf die wir uns bereits textlich verständigt haben, einschließlich der Konnexität, Herr Montag, einschließlich auch des Europabezugs in der Verfassung und auch einschließlich einer Klarstellung der gegenwärtigen Rechtslage in Artikel 70. Und ich kann Sie nur einladen: Wenn Sie alle Ihre Redebeiträge ernstnehmen, die Sie heute gehalten haben, dann setzen Sie sich mit uns an einen Tisch, geben Sie die Blockaden auf, stellen Sie keine wechselnden Bedingungen. Dann gelingt es uns auch, Herr Montag, uns auf das Machbare zu konzentrieren. Das, was sich als machbar andeutet,

 

Vizepräsident Bergner:

 

Herr Abgeordneter Dittes, Ihre Redezeit ist zu Ende.

 

Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:

 

für eine Verfassung für Thüringen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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