Eine Röhrenglocke für Sonneberg: Mit der „Alternative 54“ unterwegs in Thüringen (mit Video)

Wir als LINKE Fraktion im Thüringer Landtag finden die automatischen Diätenerhöhungen für Abgeordnete nach Artikel 54 der Thüringer Verfassung ungerecht und falsch, weil sie eine Form von „Selbstbedienungsmentalität“ darstellt. Deshalb gründeten Abgeordnete der PDS (heute DIE LINKE) schon im Jahre 1995 den Verein „Alternative 54 Erfurt e.V.“, der die automatischen Erhöhungen der Abgeordneten-Diäten an soziale, kulturelle und ehrenamtliche Vereine sowie Jugendprojekte weitergibt. Bislang konnten so schon über 1,4 Mio. Euro für gemeinnützige Zwecke aus den Bereichen Sport, Kultur, Bildung und Erziehung gespendet werden. Regelmäßig werden im Parlamentsreport die von der „Alternative 54“ geförderten Projekte und deren Ziele vorgestellt.

 


 

Knut Korschewsky, sport- und tourismuspolitischer Sprecher der Linksfraktion ist auf dem Weg nach Hönbach, einem idyllischen Ortsteil seiner Wahlkreisstadt Sonneberg im fränkisch geprägten Süden Thüringens. Gerade einmal fünf Minuten Fußweg sind es von hier bis zur bayrischen Grenze. Wunderschöne Schieferfassaden bestimmen das Straßenbild und das Krähen und Schnattern der Nutzvögel aus den anliegenden Höfen steuert die ländliche Geräuschkulisse bei. Am malerischen Dorfteich vor der kleinen Feuerwache soll an diesem Tag die Übergabe des Schecks stattfinden, welchen Siegfried Motschmann in Empfang nehmen wird. Der Siebzigjährige in bunt kariertem Hemd und Lederjacke, der sogar schon einmal zum Thüringer des Jahres gewählt worden war, und drei junge Mädchen aus dem Ort warten bereits neben einem eigenartigen, knapp zwei Meter hohen Gebilde aus silbernen Metallgestängen. Was es wohl damit auf sich hat?

 

Motschmann ist neben vielen anderen Tätigkeiten seit der Gründung im Jahre 1993 erster Vorstandsvorsitzender und Repräsentant des Vereins „Alpenecho“, welcher sich dem Erhalt eher unüblicher Instrumente und dem Fortbestand der damit verbundenen Kultur verschrieben hat. Mit viel Eifer und großem ehrenamtlichen Engagement werden Konzerte eingeübt und auf Volksfesten, in Kirchen oder auf Geburtstagsfeiern dargeboten. Sogar ein Auftritt im Thüringer Landtag vor 22 Jahren ist in der Vereinschronik verzeichnet. Neben einem guten Dutzend Alphörnern umfasst das vereinseigene Inventar auch Kuhglocken, Dudelsäcke, Harmonikas, Panflöten, verschiedene Blechblasinstrumente und die kabarettistischen Kapriolen der vereinszugehörigen „Waschweiber“. Zuletzt sollte das illustre Potpourri durch eine perkussiv-melodische Röhrenglocke ergänzt werden. Doch weil solch ein seltenes Instrument mit rund 7000 Euro Marktwert nicht gerade erschwinglich ist, beschlossen Motschmann und seine Vereinskolleg*innen kurzerhand, selbst eines herzustellen.

Aus verzinktem Edelstahl wurden dafür spezielle Klangröhren angefertigt, die auf die jeweiligen Tonhöhen zurecht gesägt und in ein Gestell aus Metall und Holz eingehangen wurden. Durch Schläge mit einem speziellen Klöppelhammer auf die abgeflachten Oberkanten der Hohlzylinder lassen sich der rund 70 kg schweren Apparatur warme, voluminöse Glockenklänge entlocken und dank der klaviaturartigen Anordnung zu beliebigen Melodien kombinieren. Bislang ist jedoch der Variantenreichtum der 19 Töne vor allem beim mehrstimmigen Spielen schnell erschöpft. Motschmann möchten das schleunigst ändern; zwei weitere Oktaven sollen hinzukommen. Dabei werden gewiss auch die 500 Euro aus dem Fördertopf der „Alternative 54“ hilfreich sein.

Knut Korschewsky hat es nachgerechnet: Rund 30.000 Euro hat er in seinen nunmehr zwölf Jahren als Abgeordneter der Linksfraktion bereits als Spenden an die „Alternative 54“ überweisen können. Schon oft konnte er auch selbst die begehrten Schecks an Herzensprojekte in der Region überreichen. Für alle eine Win-Win-Situation, denn das Geld kann auf unbürokratischem Wege dort helfen, wo es benötigt wird und bietet für die Abgeordneten gleichzeitig die Möglichkeit, neue Projekte in ihren Kommunen kennenzulernen und im regen Austausch mit ihren Bürger*innen zu bleiben. So kommt die automatische Diätenerhöhung schlussendlich wieder einem gesellschaftlichen Nutzen zugute.

Siegfried Motschmann, der sich selbst eher als Idealist versteht, geht es sowieso nicht um das große Geld: „Wenn nach einem Auftritt eine Feier für die Mitglieder herausspringt, dann sind wir zufrieden. Reich wird man nicht in unseren Sphären.“ Die Freude am Vereinsleben und die fruchtbaren Bemühungen, auch Kinder und Jugendliche für das gemeinsame Musizieren zu begeistern, genießt für ihn eine höhere Prorität. Und so ist auch Knut Korschewsky zufrieden, dass wieder ein Verein in Thüringen von der „Alternative 54“ profitieren konnte. Lukas Krause

 


 

Mehr Videos vom Parlamentsreport finden Sie auf www.youtube.com/LinkeTHL

Mehr Informationen zum Verein „Alternative 54 Erfurt e.V.“ unter www.alternative-54.de