Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Schulgesetzes – Altersgerechter Aufklärungsunterricht

Torsten Wolf

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 6/7610

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Es ist schon viel gesagt worden. Ich danke ausdrücklich Astrid Rothe-Beinlich für die umfängliche Einlassung auf diesen Gesetzentwurf der AfD. Ich möchte mich eigentlich nur zu zwei Punkten kurz äußern, die mich wirklich noch mal hier vorgetrieben haben.

 

Erstens, die AfD beruft sich auf ein einschlägiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1977, in dem der Schule im Umgang mit der Sexualerziehung Sensibilität, Indoktrinierungsverbot und Berücksichtigung der Erziehungsziele der Eltern sowie allgemeine Zurückhaltung aufgegeben worden waren, und verlangt in diesem Zusammenhang die Festschreibung der sogenannten Kernfamilie – also Sie verlangen das, nicht das Bundesverfassungsgericht – als strategisches Erziehungsziel innerhalb der Sexualerziehung. Der Gesetzesvorschlag enthält gegenüber dem auch vom Bundesverfassungsgericht festgestellten staatlichen Auftrag der Schule für Gesundheitsförderung und Sexualerziehung sowie dem ebenso zu beachtenden Recht der Kinder auf eine freie und gesunde Persönlichkeitsentwicklung eine zu weitgehende und damit deutliche Überdehnung der Rechte der Eltern. Es ist nicht klar, was gewonnen sein sollte, wenn die Eltern über jeden Satz, der in der Schule im Zusammenhang mit Sexualität fällt, vorab zu informieren sind, abgesehen davon, dass es unter den Eltern sicher sehr verschiedene Meinungen zu den Dingen gibt, die die AfD so umtreiben, und ebenso abgesehen von dem gigantischen bürokratischen Aufwand, von dem Sie hier in Ihrem Verlangen gar nicht reden, die die Schulen aber belasten würden. In seinem Grundsatzurteil hat das Bundesverfassungsgericht 1977 befunden, dass auch die Sexualerziehung zu dem Erziehungs- und Bildungsauftrag der staatlichen Schulen gehört. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht deutlich Grenzen gezogen. Zitat: „Aufgrund der Vorschriften des Grundgesetzes können die Eltern allerdings die gebotene Zurückhaltung und Toleranz bei der Durchführung der Sexualerziehung verlangen. Die Schule muss den Versuch einer Indoktrinierung der Schüler mit dem Ziel unterlassen, ein bestimmtes Sexualverhalten zu befürworten oder abzulehnen.“ Dem Bundesverfassungsgericht ging es also darum, die Eltern zum Anwalt einer toleranten, sensiblen und damit breit aufgestellten Sexualerziehung in der Schule zu machen. Die Indoktrinierung einer bestimmten Richtung, zum Beispiel einer sogenannten AfD-Kernfamilie,

 

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist gut! Das gefällt mir! Achtung Sarkasmus!)

 

sollte auch durch die Einflussnahme der Eltern ausgeschlossen werden, explizit ausgeschlossen werden. Die AfD beruft sich auf den Satz des Bundesverfassungsgerichts: Sie, die Schule, muss allerdings allgemeine Rücksicht nehmen auf die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen der Eltern, sobald sie sich auf dem Gebiet der Sexualität auswirken.

 

Was heißt das in diesem Satz? Gewiss kann man ihn so auslegen, dass die Schule Rücksicht nehmen soll auf die weltanschaulichen Überzeugungen von auch AfD-Eltern über die sogenannte Kernfamilie. Ja, das stimmt. So kann man das deuten. Aber doch nicht nur. Sie muss in dem selben Umfang Rücksicht nehmen auf die Überzeugung und Weltanschauung anderer Eltern – und Sie sind in der Minderheit –,

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

die vielleicht in einer Patchworkfamilie oder einer heterosexuellen oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft leben, alleinerziehend sind oder in ganz anderen normalen Lebensumständen sind. Auch das ist im Übrigen Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen.

 

Dies alles zusammendenkend ergibt sich: Sachgerecht ist allein eine pluralistische Rücksichtnahme und das Verbot irgendeiner Indoktrinierung durch ein Gesetz, genauso wie es das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, wie es unser gegenwärtiges Schulgesetz in § 47 bestimmt.

 

Ich sage jetzt noch mal zum Schluss, warum wir das als Fraktion Die Linke auch ablehnen: Als ich das das erste Mal gelesen habe, habe ich mich wirklich gefragt, ob Herr Globke bei Ihnen in der Fraktion sitzt und mittlerweile wieder Gesetze schreibt. Ich will mal das Zitat aus der Begründung bringen. Und nur damit jeder weiß, wer Herr Globke war: Das war – und ich meine das völlig im Ernst – der Kommentator zu den Nürnberger Rassegesetzen. Zitat: „Zum Zweck der Aufklärung und der Prävention sollen Probleme und Gefährdungen wie beispielsweise durch „Grooming“, „Loverboys“ oder solche, die aus interkulturellen Beziehungen erwachsen können, im Rahmen der Familien- und Sexualerziehung vermittelt werden.“ Das ist purer Rassismus!

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Das ist purer Rassismus, den Sie hier in ein Gesetz schreiben wollen. Das gab es in Deutschland schon einmal. Und Sie eifern dem nach. Schande über Sie! Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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