Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Schulgesetzes

Torsten Wolf

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 7/1725

 

Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, nach der Einbringung bleibt festzustellen: Der erste Satz ist zumindest teilweise richtig, nämlich dass Digitalisierung ein wichtiges Thema auch in den Bildungseinrichtungen ist – auch. Aber alles andere will ich nur mal zusammenfassen: Wir haben im Bildungsausschuss drei Anträge von fünf demokratischen Fraktionen zur Digitalisierung an Schulen, die wir beraten und entsprechend anhören werden. Mit der Expertise allein von der AfD gibt es dort gar nichts.

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, wieder einmal haben wir es bei einem Änderungsantrag der AfD zum Schulgesetz mit einem Verbotsanliegen zu tun. Die demokratischen Fraktionen hier im Landtag streben Entwicklung, Modernisierung, Problemlösung für gute Bildung an. Die demokratischen Fraktionen unterscheiden sich durchaus in vielen Punkten. Was aber, denke ich, alle demokratischen Fraktionen von dem unterscheidet, was die selbst ernannte Alternative will, ist, die methodisch-didaktische Freiheit von Lehrkräften eben nicht einzuschränken, sondern diese ständig weiterzuentwickeln bzw. ihr auch voll Geltung zu verschaffen.

Für uns, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, haben die Kompetenzen und die pädagogische Arbeit und natürlich auch die Methodenfreiheit von Lehrerinnen ein hohes Gut und sichern Thüringen das beste Ergebnis bei allen Vergleichsstudien. Daher lehnen wir Ihren Antrag von der selbst ernannten Alternative als unbegründet, nicht zielführend und gänzlich entbehrlich ab.

 

Feststellung Nummer 1: In 2019 hat der Thüringer Landtag ein neues Schulgesetz mit umfangreichen Neuregelungen zu Inklusion, Demokratisierung und Schulnetzplanung beschlossen, zu dem die AfD genau null Änderungsanträge eingebracht hat. Stattdessen wollten Sie in der letzten Legislatur allen Schulen vorschreiben und sie mit behaupteten, aber nicht belegten, wissenschaftlichen Studien zwingen, die Schulanfangszeit auf einen fixen Termin festzulegen, mit allen Konsequenzen. Allen Ernstes – das war der einzige Regelungsinhalt für die AfD, die einzige Antwort auf die Herausforderungen im Bildungsbereich. Ein in Buchstaben und Absätzen gegossenes Armutszeugnis.

 

Feststellung Nummer 2: Im jetzt vorliegenden Gesetzentwurf möchte die AfD gesetzliche Vorgaben für den methodischen Einsatz von digitalen Endgeräten und digitalen Lernmethoden einfügen und die pädagogische Methodenfreiheit dadurch einschränken. Nun könnte es natürlich ein berechtigtes Anliegen dieser Fraktion darstellen, wenn es in der Begründung zum Gesetz Anlässe gäbe, welche die Notwendigkeit einer Neufassung auch tatsächlich darstellen. Aber beim besten Willen, bis auf allgemeine Konjunktivaussagen – ich sage dazu: pure Behauptungen – findet sich dazu gar nichts.

 

Stattdessen stellt die AfD für sich fest, dass der Kursplan Medienkunde in der Grundschule, welcher von Wissenschaftlern und Lehrkräften erstellt und erprobt wurde, Behauptungen beinhalten würde. Vielleicht beschäftigen Sie sich wirklich mal intensiv mit der Erstellung unserer Lehrpläne, und natürlich auch mit entsprechenden Kursplänen. Das ist ein Prozess von fünf bis sieben Jahren, wo Lehrkräfte, wo Wissenschaftler zusammensitzen und die neuesten Erkenntnisse für die Lehrpläne und für die Kurspläne zusammenfassen. Und Sie sagen: Das sind alles Behauptungen, die dort aufgestellt werden. Was für ein kruder Unsinn. Oder zur Anwendung von digitalen Medien- und Lernangeboten, sagen Sie: „Von Erwachsenen gesammelte Erfahrungen im Umgang mit digitalen Medien [würden] auf Kinder und Jugendliche übertragen“. Unfassbar.

 

Drittes Beispiel: Es sollen durch einen neuen Absatz 2 des § 43 zum Schulgesetz nur Lehr- und Lernmittel zugelassen werden, die der sozialen und kognitiven Entwicklung der betreffenden Schulart und Klassenstufe entsprechen. Hier wird postuliert, dass digitale Lehr- und Lernmittel per se für bestimmte Schularten und Klassenstufen wohl schädlich sind und diese – so der Begründungstext – ausschließlich eben auch dort genutzt werden zur Wissens- und Kompetenzvermittlung. Weder das eine noch das andere trifft aber zu. Nun ja, wir kennen das von Ihnen, der selbst ernannten Alternative und Ihren obskuren Anhängern, natürlich nicht anders. Wissenschaft und erprobte Praxis werden negiert, um alternative Fakten, denn hier haben Sie insbesondere das Privileg, alternativ zu sein – unsere Gesellschaft und im Speziellen immer wieder auch unsere Schulen damit zu strangulieren.

 

Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels verdeutlichen. Eine Lehrkraft, die gerade unter Pandemiebedingungen Pads einsetzt, kann heute wie mit Stift und Papier auch digital den Schrift-/Schreiberwerb der Schüler/-innen pädagogisch begleiten, aber viel wichtiger ist, es gibt keine Vorgaben, welche Lehr- und Lernmittel die Lehrkräfte überhaupt einsetzen. Digitale Medien sind gleichberechtigt und unterstützend für die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen. Diese Methodenfreiheit wollen und werden wir nicht einschränken. Unsere Lehrerinnen und Lehrer, gerade an den Grundschulen, können selbstständig entscheiden, welche digitalen Lehr- und Lernmittel oder eben auch analogen, nicht digitalen Lernmittel sie in welchem Umfang bei welchem Schüler oder welcher Schülerin einsetzen, um die Ziele und Vorgaben der Lehrpläne zu erreichen, nicht nur altersgerecht, sondern individuell.

 

Ihr Gängelparagraf 47 Abs. 2 ist vollständig entbehrlich. Natürlich stellen die Schulen sicher, dass die Datensicherheit gewahrt bleibt. Eine weitere Hürde bei der Nutzung von digitalen Medien und Lernformen wollen Sie einbauen, indem Sie einen Elternvorbehalt einfügen wollen. Es wäre vielleicht hilfreich, wenn sich die selbsternannte Alternative nicht permanent in ihrer eigenen Blase bewegen würde, sondern die Realitäten in Thüringen zur Kenntnis nimmt und die Erwartung der Eltern ebenso.

 

Ich beziehe mich auf die dem Bildungsausschuss, also auch Ihnen, zugeleitete Studie des ThiLLM mit dem Titel „Auswertung zur Befragung zum häuslichen Lernen in Thüringen“ vom August dieses Jahres, für die ich mich bei Minister Holter und dem Chef des ThiLLM, Dr. Jantowski, sowie den beteiligten Mitarbeitern bedanken möchte. In dieser Studie ist ab Seite 98 die Nutzung digitaler Medien und der Ausstattungsstand aus Sicht der Eltern und Schülerinnen dargestellt. Dabei kann festgestellt werden, dass die Ausstattung mit digitalen Endgeräten und deren Gebrauch bei Eltern und Schülern der Grundschule mit 92 Prozent als gegeben und überwiegend als notwendig angesehen wird und dass 98 Prozent über einen Internetanschluss verfügen und diesen auch nutzen.

 

Beim Zugang zur digitalen Lernplattform und bei der Nutzung der Schulcloud bestehen noch größere Herausforderungen. Die von Ihnen gewünschte Nutzung von digitalen Endgeräten unter Aufsicht ist in den Klassenstufen 1 und 2 mit 80 Prozent und in den Klassenstufen 3 und 4 mit 59 Prozent für Eltern selbstverständlich. Die Eltern haben also die Endgeräte, nutzen diese mit ihren Kindern zusammen und wissen, dass die Lehrkräfte verantwortlich mit den Eltern und in Absprache mit den Eltern die Nutzung digitaler Lernmöglichkeiten sicherstellen.

 

Die Gesetzesvorlage ist also vollständig entbehrlich, unbegründet und einzig für ihre eigene Kommunikationsblase, aber sicher nicht für die Schule des 21. Jahrhunderts geeignet. Meine Fraktion lehnt aus diesem Grund Ihren Gesetzesvorschlag ab. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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