Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Rettungsdienstgesetzes 2/2

Donata Vogtschmidt

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/7780

 

Gut, dann hätte ich die passenden Zettel noch gar nicht dabeigehabt. Aber schön, noch mal: Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich vielleicht noch zu später Stunde am Livestream befinden oder auf der Zuschauerinnentribüne, im Notfall zählt jede Minute, mit Blick auf meine Redezeit habe ich heute etwas mehr Zeit, schön, zu diesen drei Punkten und hier reden zu dürfen. Im Frühjahr dieses Jahres hatten wir bereits drei Gesetzentwürfe an den Innen- und Kommunalausschuss überwiesen, wie ich vorhin schon in der Einbringung erläuterte. Sowohl die Regierungskoalition Rot-Rot-Grün als auch die FDP und CDU aus der Opposition waren bemüht, sachorientiert eine Verbesserung für das Thüringer Rettungswesen zu erzielen, indem insbesondere der Telenotarzt gesetzlich normiert wird. Es war uns besonders wichtig, hier die gesetzlichen Tatsachen zu schaffen.

 

Aus den Reihen unserer Fraktion konnten wir uns bei einer gemeinsamen Auswertung des Pilotprojekts bei der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen im letzten Jahr selbst vom Mehrwert des Telenotarztes überzeugen. Dort waren mein Kollege und gesundheitspolitischer Sprecher Ralf Plötner und ich im direkten Austausch vor Ort bei der KVT, denn zukünftig soll es demnach ein neues Instrument geben, dass dann greift, wenn es an einer regulären notärztlichen Versorgung kurzfristig und großflächig Ausfälle gibt und Notärzte eben nicht rechtzeitig am Einsatzort eintreffen können.

 

Aber wie sieht das eigentlich in der Praxis genau aus? Über eine Bild- und Tonübertragung kann dann der Telenotarzt oder natürlich auch die Telenotärztin vor Ort aktiv werden, auch wenn er physisch nicht selber vor Ort sein kann oder nicht schnell genug vor Ort sein kann.

 

Neben dem Telenotarzt enthält der Gesetzentwurf von Rot-Rot-Grün dann auch noch weitere Änderungen, zum einen die Einführung einer Experimentierklausel für neue Technologien wie die smartphonebasierte Ersthelferalarmierung, aber auch noch weitere Entwicklungen: eine Erweiterung des Beirats des Landesrettungswesens und zu guter Letzt natürlich auch noch eine gesetzliche Androhung einer Lehrleitstelle des Freistaats. In der Anhörung hat der Gesetzentwurf von Rot-Rot-Grün besonders viel Zuspruch erhalten. Wir haben ja alle drei Gesetzentwürfe gleichzeitig angehört, sodass wir diesen als Grundlage für eine Gesetzesänderung gewählt haben, um das bestmögliche Ergebnis im Sinne der Versorgungssicherheit der Menschen in Thüringen, aber auch um gute Arbeits- und Ausbildungsbedingungen für die Einsatzkräfte herauszuholen. Die demokratischen Akteure des Parlaments hatten entsprechende Änderungen zum Gesetzentwurf von Rot-Rot-Grün eingereicht, sodass wir uns wunderbar auf sachpolitischer Ebene für das Wohl unseres Freistaats austauschen konnten. Auch an dieser Stelle sah man in der Ausschussarbeit ganz deutlich, wer wirklich an einer Mitarbeit im Sinne der parlamentarischen Arbeit interessiert ist. Unter uns gesagt: Eine Fraktion des Landtags legte keine Vorschläge während des Prozesses vor. Aber ich muss diese Fraktion an dieser Stelle jetzt auch nicht namentlich nennen, Sie wissen sicherlich, auf wen diese Arbeitsmoral zutrifft.

 

(Zwischenruf Abg. Bilay, DIE LINKE: Doch! Namen!)

 

Zurück zum Inhalt der beratenen Änderungsanträge. Der Änderungsantrag der FDP enthält eine stärkere Verankerung der smartphonebasierten Ersthelfer-App, weitere Rahmenbedingungen für den Telenotarzt und – quasi Amtshilfe für die CDU – eine Kostenregelung für die C1-Führerscheinförderung. Die rot-rot-grünen Fraktionen reichten Änderungsanträge ein zur Verlängerung der Nachqualifizierungsfrist von Rettungsassistentinnen zu Notfallsanitäterinnen, außerdem noch eine Regelung für einen barrierefreien Notruf und klarere Regelungen zum Datenschutz beim Telenotarzt und der Ersthelferalarmierung.

 

All diese Anpassungen finden sich nun in optimierter Form im eingereichten Rot-Rot-Grün-FDP-Änderungsantrag wieder, wie ihn auch der Innen- und Kommunalausschuss beschlossen hat. Uns war es wichtig – wie auch schon in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs von mir angekündigt –, insbesondere den Datenschutz noch weiter zu stärken. So finden sich nun also beim Telenotarzt nicht nur ausdrückliche Widerspruchsmöglichkeiten für Betroffene hinsichtlich der Aufzeichnungsmöglichkeiten bei Bild und Ton während der Einbeziehung eines Telenotarztes oder einer Telenotärztin bei einer Behandlung vor Ort im Rettungswagen, sondern auch eine klare Zweckbindung zur Qualitätssicherung, einer wissenschaftlichen Begleitung und Wahrung von Betroffenenrechten. Außerdem war uns auch eine nachträgliche Widerspruchsmöglichkeit für Betroffene wichtig und eine Befristung des Aufzeichnungszwecks zur wissenschaftlichen Begleitung bis zum Sommer 2027, um dem höheren Schutzniveau im Sinne der Datenminimierung Rechnung zu tragen.

 

Ebenso haben wir im Bereich der smartphonebasierten Ersthelferalarmierung im Gesetz verankert, dass externe Dienstleistende die geltenden Datenschutzbestimmungen einhalten müssen. Ebenso haben wir im beigefügten Entschließungsantrag von Rot-Rot-Grün namens „Leistungsfähigkeit des Rettungswesens stärken, Digitalisierung als Ergänzung und Entlastung nutzen“ in der Drucksache 7/8945 verankert, dass die smartphonebasierte Ersthelferalarmierung zunächst einmal erprobt wird, um vor einem flächendeckenden Einsatz einen noch präziseren Datenschutz und schadenersatzrechtlichen Rahmen abzustecken. Hier war uns der erste Schritt vor dem zweiten besonders wichtig. Auch da hatten wir schon einen Punkt in der ersten Lesung angesprochen.

 

Gezeigt hat sich, dass auch unter den Anzuhörenden verschiedene, in diesem Fall auch facettenreiche Fachmeinungen herrschen, zum Beispiel in der Frage der Verschiebung der Nachqualifizierungsfrist für die Rettungsassistentinnen in § 34 Abs. 3. Die Arbeitsgemeinschaft der in Thüringen tätigen Notärzte vertritt hier zum Beispiel die Auffassung, dass das Notfallsanitätergesetz des Bundes seit zehn Jahren in Kraft ist und man theoretisch in diesen zehn Jahren ausreichend Zeit hatte, das höhere Qualifikationsniveau zu erreichen. Deswegen sollte man hart bleiben und auf der in acht Wochen auslaufenden Frist beharren. Wer es nicht geschafft hat, müsste dann damit leben, dass man nicht weiterqualifiziert wurde.

 

Andere Anzuhörende hingegen – wie die Arbeitsgemeinschaft der Berufsfeuerwehren, der Rettungsdienstzweckverband Südthüringen, die Regiomed Kliniken, der Thüringische Landkreistag und auch der Thüringer Feuerwehrverband – vertreten allerdings die andere Auffassung, dass wir das Personal an dieser Stelle halten und die auslaufende Frist unbedingt anpassen sollten. Es kann diverse, oft auch private Gründe geben, wieso sich Rettungsassistentinnen noch nicht innerhalb der bisherigen Frist zu Notfallsanitäterinnen weitergebildet haben, aber den Willen äußern, das definitiv noch nachholen zu wollen.

Als Linke und auch als Rot-Rot-Grün haben wir im letzten Jahr selbst per Evaluierungsklausel eine Kontrollinstanz ins Rettungsdienstgesetz integriert und die Landesregierung per Stichtag aufgefordert, den Innenausschuss über die aktuelle Umsetzung der Nachqualifizierung zu unterrichten. In der Berichterstattung am 9. September dieses Jahres hat das Innenministerium mitgeteilt, dass mehr als 160 Rettungsassistentinnen diese Nachqualifizierung aus unterschiedlichen Gründen bisher nicht bewältigt haben, wobei die meisten tatsächlich noch unter 50 Jahre alt sind. Dies bestätigt die bereits geschilderten Äußerungen unserer Praxispartnerinnen aus der Anhörung im Innen- und Kommunalausschuss. Das heißt, würden wir jetzt und heute nicht gesetzgeberisch aktiv werden, dann könnten diese 160 Personen nach dem 31.12.2023 – also in zwei Monaten – im gesamten Freistaat nicht mehr auf den Notarzteinsatzfahrzeugen als Fahrerinnen oder in den Leitstellen als Disponentinnen eingesetzt werden. Das muss uns an dieser Stelle klar sein, welche Entscheidung wir heute treffen.

 

Einige Anzuhörende fordern auch eine komplette Entfristung. Wir als Rot-Rot-Grün hingegen verfolgen weiterhin den Anspruch der Qualitätssicherung, aber natürlich auch die Sicherung der Einsatzbereitschaft. Daher werbe ich bei den Rettungsassistentinnen auch noch mal dafür: Lassen Sie sich gerne upgraden, nutzen Sie die Möglichkeit der Weiterqualifizierung! Mit unserem und auch im Änderungsantrag etablierten Kompromissvorschlag treffen wir daher eine Abwägung und ermöglichen den Aufgabenträgern nun etwas mehr Spielraum, aber auch nicht endlos, denn die Frist ist nun auf das Ende des Jahres 2028 datiert. In dieser Zeit sollten alle dann die Möglichkeit bekommen, sich nachqualifizieren oder sich eben upgraden zu lassen.

 

An dieser Stelle auch noch mal ein herzlicher Dank an die vielen Fachverbände im Bereich Rettungswesen, Feuerwehr und Katastrophenschutz, die es mit uns Mitgliedern im Innen- und Kommunalausschuss wahrscheinlich nicht leicht haben und die ganze Flut von Anträgen und Gesetzentwürfen mit mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen zu bewältigen haben. Aber nehmen Sie es uns nicht krumm, denn uns ist die Fachmeinung aus der Praxis besonders wichtig für die parlamentarische Arbeit und wir sind sehr dankbar für die gute Zusammenarbeit. Denn die Rückmeldungen der Praxispartnerinnen haben konkrete Auswirkungen auf die Gesetzesgestaltung und bilden für den Landtag eine essenzielle Entscheidungsgrundlage für das, was die nächsten Jahre und Jahrzehnte Gesetzeskraft erlangen wird.

 

Fun Facts bzw. bemerkenswert – könnte man auch sagen – ist, dass die extrem rechte AfD sich weder an der Vorbereitung der Anhörung beteiligt noch irgendwelche Lösungsvorschläge im Vorfeld oder im Ausschuss eingespeist hat. Wenn ich das gerade so ausspreche, ist es eigentlich gar nicht bemerkenswert, sondern eher erwartbar bei dem Gedanken darin.

 

Der vorliegende Gesetzentwurf ist also insofern ein Musterbeispiel für gleich zweierlei. Erstens: Er zeigt, dass wir als rot-rot-grüne Koalition gemeinsam mit der Landesregierung handlungsfähig sind und wir gemeinsam dafür Sorge tragen, dass unser Thüringen ein sicheres und hochqualifiziertes Bundesland ist und auch bleibt, und zweitens, dass wir in diesem Parlament unter den demokratischen Parteien in der Lage sind, gemeinsam die besten Lösungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu finden, und dass dies wirklich ohne jegliche Abhängigkeit der extrem Rechten, der AfD, passieren kann, die hier ohnehin kein Interesse an sachpolitischen Beiträgen hat. In diesem Sinne werbe ich natürlich um Zustimmung für den rot-rot-grünen Antrag. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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