Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes

Lena Saniye Güngör

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 7/1726

 

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, nach dem Redebeitrag ohne Polemik zu sprechen, ist durchaus schwierig, aber ich bemühe mich.

 

Wir beschäftigen uns heute hier mit dem Gesetzentwurf der CDU, der verkaufsoffene Sonn- und Feiertage ohne Anlass ermöglichen und die Samstagsfreistellungsregelung angehen will. Ich bin sicher, dass abschließend auch noch einmal auf die rechtlichen Bedenken gegenüber diesem Gesetzentwurf ausführlich eingegangen wird, nicht zuletzt anhand der Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die alleine schon reichen würden, um deutlich zu machen, dass dieser vorliegende Gesetzentwurf in der Form unbrauchbar ist.

In Verbindung mit dem Schutz der Arbeitnehmer in Form von Mehrarbeit und von Überstunden, der uns als hohes Gut gilt, können wir diesem Gesetzentwurf nichts Positives abgewinnen. Und unredlich, sehr geehrter Herr Bühl, wäre es an dieser Stelle übrigens, wenn der Ministerpräsident im verfassungsrechtlichen Graubereich agieren müsste.

 

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Dann soll er keine Versprechungen machen!)

 

Denn Ihr Ausweiten von Arbeitszeiten der Beschäftigten löst die Probleme des Strukturwandels, die Sie korrekterweise benannt haben, nicht, sie löst auch die Probleme der Digitalisierung für den Einzelhandel nicht. Sie löst auch das Problem der eingebüßten Umsätze durch die Pandemie nicht. Das sind alles vorgeschobene Argumente und ein Aufweichen des Gesetzes ist keine angemessene Reaktion auf die strukturellen Herausforderungen der Branche.

 

Herr Kemmerich, Sie können das gerne auch Flexibilität nennen,

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

De facto ist es aber eine Aufweichung, also wir können hier Synonyme spielen, aber Flexibilität zeichnet an der Stelle nichts anderes aus.

 

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Es wird nicht mehr gearbeitet!)

 

Im Gegenteil, die Änderungen, wie die CDU sie hier vorschlägt, straft diejenigen Menschen ab, die in Zeiten des gesellschaftlichen Runterfahrens unter schwierigsten Bedingungen die Versorgung der Bevölkerung gesichert haben, die sogenannten Systemrelevanten und denen jetzt im Nachhinein hier ihre durchaus notwenige Erholungszeit weggenommen werden soll, und das geht gar nicht.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, schauen Sie sich bitte auch noch einmal ganz konkret in der Pandemiesituation die Ausgangslage für die Beschäftigten im Einzelhandel an. Der Kontakt mit Kunden/Kundinnen erhöht das Risiko und auch die Sorge vor einer Infektion. Die Beschäftigten sind permanent einer angespannten Ausgangslage ausgesetzt, sie müssen nicht nur an ihre eigenen Hygieneschutzmaßnahmen denken und diese einhalten, sie müssen auch auf das Einhalten der Maßnahmen wie Abstände im Verkaufsraum und an den Tresen sowie dem Tragen des Mund-Nasen-Schutzes bei den Kunden/Kundinnen achten. Sie treffen dabei natürlich auch auf Kundschaft, die sich eben nicht an diese Maßnahmen hält, die teilweise wütend reagiert und eine Bedrohungssituation für die Beschäftigten entstehen lässt. Das heißt, die Beschäftigten sind aktuell nicht nur als Verkäufer/-innen tätig, nein, sie sind auch Manager/-innen der Schutzmaßnahmen im Einzelhandel. Sie setzen sich nicht nur für die Versorgung ein, sondern gleichzeitig auch für Gesundheit und dieser Situation sind sie seit Beginn der Pandemie ausgesetzt, permanent. Das sollten Sie nicht auch noch am letzten freien Tag der Woche aushalten müssen. So weit zum freien Sonntag.

 

Liebe Christdemokratinnen/Christdemokraten, dazu sei mir gestattet: Das Recht auf einen Erholungstag hochzuhalten, braucht wirklich keine religiösen Rückbezüge, es ist argumentativ auch so stark genug.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Jetzt hat die CDU, und das war zu erwarten, hier auch noch mal in der Plenardebatte betont, dass es ihnen um die Freiwilligkeit der Beschäftigten geht, gerade mit Blick auf den Vorstoß, an zusätzlichen Samstagen arbeiten zu können. Die Beschäftigten sollten also selbst entscheiden können, ob sie zusätzlich samstags arbeiten wollen. Theoretisch schön, es ist in der Praxis mindestens naiv zu glauben, dass das so funktioniert. Es zeigt, dass Sie keinen Einblick in die Arbeitsrealität der Beschäftigten im Einzelhandel haben, dass Sie keine Ahnung davon haben, wie Abhängigkeiten in Arbeitsverhältnissen entstehen und aufrechtgehalten werden,

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Abhängigkeit bei Fachkräfteknappheit? In welchem Jahrhundert leben Sie?)

 

Abhängigkeiten, die nicht überall durch eine Interessenvertretung der Beschäftigten abgepuffert werden können. Und zum skizzierten Bild der Ehefrau, die sich am Samstag was dazuverdienen will: Ich erinnere mich daran, dass ich nicht polemisch werden sollte und deswegen kann ich da wirklich nur den Kopf schütteln, so peinlich ist das, das hier von sich zu geben.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Sehr geehrte Damen und Herren, noch eine Ausführung zum Argument, es gehe um den eingebüßten Umsatz. Das ist ein wichtiges Argument. Zum einen hat das Bundesverwaltungsgericht bereits 2017 festgestellt, dass das alleinige Umsatz- und Erwerbsinteresse der Handelsbetriebe als Sachgrund eben nicht ausreicht, um eine Sonntagsöffnung vorzunehmen. Das wissen wir also eigentlich auch schon länger. Zum anderen bringt der verkaufsoffene Sonntag nur eine Verschiebung des Umsatzes, eine Verschiebung, keine Steigerung. Klar, als Konsument/-in habe ich mehr Zeit, mein Geld auszugeben, ich habe ergo aber nicht gleich mehr Geld, um es auszugeben.

 

Wir sollten, anstatt immer wieder die gleichen Angriffe auf das Ladenöffnungsgesetz parieren zu müssen, gemeinsam darüber nachdenken und gemeinsam darüber sprechen, wie der Gesundheitsschutz der Beschäftigten verbindlicher gestaltet werden kann. Wir sollten darüber sprechen, wie wir die Anerkennung der Beschäftigten steigern können, und zwar die Anerkennung in ihrem Geldbeutel und nicht nur die Achtung in unser aller Parlamentsreden. Und wir sollten darüber sprechen, wie die von der CDU benannten strukturellen Schwierigkeiten des Einzelhandels in den Innenstädten so angegangen werden können, dass sie sich sinnvoll zeigen, dass wir wirklich ein Maßnahmenpaket haben, das wirksam ist.

 

Um diesen Austausch miteinander fortzuführen, stimmen auch wir der Überweisung des Gesetzentwurfs an die genannten Ausschüsse zu. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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