Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalwahlgesetzes

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/331 - Erste Beratung

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir erleben gerade wieder, wie das parteipolitische Gezänk zwischen SPD und CDU auf den Rücken Dritter, in dem Fall auf den Rücken der Kommunen und der Bürgerinnen und Bürger, ausgetragen wird.

(Beifall DIE LINKE)

Sie SPD hat sich im Koalitionsvertrag über den Tisch ziehen lassen, indem sie nicht sichergestellt hat, was eigentlich im Wahlkampf unstrittig war, dass nämlich dafür Sorge getragen wird, dass die Wiedereinführung der Stichwahl bereits in diesem Jahr, und zwar für alle Bürgermeisterwahlen, zur Anwendung kommt. In diesem Jahr werden immerhin 704 Bürgermeister gewählt. Das sind mehr als zwei Drittel aller Bürgermeister. Das jetzige Verfahren führt dazu, dass wir zwei parallele Systeme haben werden. Das wird den Wähler viel mehr verunsichern als es bisher schon der Fall ist. Ich verweise auf die gegenwärtigen Vorgänge in Brandenburg, zu welchen Folgen das führen kann. In Brandenburg sind vier Landratswahlen - dort sind zum ersten Mal die Landräte direkt gewählt worden - daran gescheitert, dass die Sieger nicht einmal 15 Prozent der Stimmen erhalten haben. Dort gibt es eine Regelung, dass die Wahl ungültig ist, wenn nicht der Sieger der Wahl mindestens 15 Prozent erreicht.

Das ist eine ganz andere Frage, ob das ein Beleg dafür ist, wie sich Bürger mit ihren Landkreisen identifizieren. Das ist eine andere Diskussion. Da wissen Sie, das haben wir hier im Hause öfters thematisiert, dass wir die Landkreise in der jetzigen Struktur für nicht mehr zeitgemäß halten. Da könnte das Ergebnis in Brandenburg ein Indiz dafür sein, wenn die Bürger kein Interesse daran haben, ihren Landrat zu wählen. Aber es kann natürlich auch am Wahlverfahren hängen, nämlich, dass asymmetrische Wahlzeiten vorliegen, also das Gemeinderat, Kreistag zu einem anderen Zeitpunkt gewählt werden als Bürgermeister und Landräte. Auch das muss man in diesem Zusammenhang hier noch mal thematisieren. Wir haben bewusst bisher vermieden, diese Punkte noch mal aufzugreifen. Das hatten wir in der letzten Legislaturperiode getan. Jetzt ging es erst mal wieder darum, einen grundsätzlichen politischen Fehler der CDU aus dem vergangenen Jahr zu korrigieren. Da hat die SPD eine Zusage gemacht. Sie läuft jetzt zumindest in Teilen ins Leere. Wir haben ein Angebot unterbreitet an die Regierung, auch an die SPD. Wir haben einen eigenen Gesetzentwurf rechtzeitig eingebracht. Der hätte jetzt schon Gesetzesrealität sein können. Damit wäre natürlich sichergestellt, dass die Bürgermeisterwahlen im Jahr 2010 wieder mit der Stichwahl stattfinden. Doch SPD und CDU haben diesen Gesetzentwurf im Innenausschuss bisher blockiert. Jetzt versucht ja - heute wieder - der Staatssekretär mit einer sehr abstrakten und herbeigezogenen Begründung darauf zu verweisen, der Gesetzentwurf der LINKEN hätte ja solche Mängel gehabt, dass er nicht Beratungsgrundlage hätte sein können.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das stimmt.)

Sie haben das vom Blatt abgelesen, weil Sie ja nicht selbst daran glauben und nicht davon überzeugt sind.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Unruhe CDU)

Von daher will ich es noch einmal versuchen, mich mit Ihren sogenannten Mängeln auseinanderzusetzen und noch mal darauf zu verweisen, wie absurd und demokratiefeindlich die Entscheidung der CDU im vergangenen Jahr war, eine Kommunalwahl ohne Stichwahl vonstatten gehen zu lassen. Sie hatten ja nicht mal in Ihrer Aufregung, das schnell zu regeln, beachtet, weil Sie mit Blick auf die Wahlergebnisse der letzten Bürgermeister- und Landratswahlen festgestellt haben, im ersten Wahlgang haben die Kandidaten der CDU immer noch höhere Chancen, weil in der Stichwahl sich im Regelfall dann Koalitionen gegen die CDU gebildet haben. Ich verweise auf die Oberbürgermeisterwahlen in den kreisfreien Städten, die sind ja zwischenzeitlich CDU-frei, was die Verwaltungsspitze betrifft. Aus rein parteipolitischen Erwägungen heraus haben Sie das gemacht und haben aber dabei vergessen, zumindest ein Mindestzustimmungsquorum festzusetzen, wie es in Nordrhein-Westfalen enthalten ist. Nordrhein-Westfalen ist ja das einzigste Land, wo diese Stichwahlen auch abgeschafft wurden, aber die haben wenigstens ein Mindestzustimmungsquorum von 30 Prozent. Wenn dort 30 Prozent der Leute nicht zur Wahl gehen, ist die Wahl der Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte nicht gültig. Sie hatten in Thüringen vor, dass selbst noch geringere Wahlbeteiligungen letztlich dann zu einem Ergebnis geführt haben. Wie Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte legitimiert sein sollen, wenn die Wählerzustimmung unter 30, unter 15 Prozent liegt, wie in Brandenburg, das hätten Sie der Öffentlichkeit mal erklären können.

Wir gestehen Ihnen ja den politischen Irrtum zu, weil wir von Irrtümern auch nicht frei sind. Uns unterscheidet nur, dass wir zu unseren Irrtümern stehen, während Sie irgendwie damit noch Probleme haben. Aber es ist gut so. Da will ich auch mal die SPD loben, da hat sie ja das im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Was Sie vergessen haben, war die Terminierung. Da bedauere ich, dass man unser Angebot nicht angenommen hat.

Ich will mich jetzt noch mal mit den Mängeln auseinandersetzen, die hier der Herr Staatssekretär thematisiert hat. Was ich ganz gefährlich finde, was Sie jetzt machen, ist diese Neuregelungen bei den Stichwahlen, und zwar dort, wo es nur einen oder keinen Bewerber gegeben hat, also bei der sogenannten Mehrheitswahl. Sie müssen sich jetzt vorstellen, da findet eine Kommunalwahl statt, da gibt es keinen Bewerber. Da schreiben die Wähler Namen drauf, sie sagen, der soll Bürgermeister machen, ohne dass sich diese Menschen vorher beworben haben. Da war es bisher so, dass nach der ersten Wahl die Bewerber gefragt wurden, wollen Sie in die Stichwahl? Der Bewerber muss natürlich das Recht haben, da er gar nicht kandidiert hat, zu sagen, jawohl, ich nehme jetzt doch das Wählervotum an, ich habe mich zwar nicht beworben, aber ich nehme das Wählervotum an und stelle mich der Stichwahl. Sie wollen jetzt entgegen der eigenen Entscheidungskompetenz der Bewerber erreichen, dass sich die Leute der Stichwahl stellen, und verweisen darauf, er könnte nach der Stichwahl es ablehnen, das Mandat anzunehmen oder die Wahl anzunehmen. Wie wollen Sie denn den Wähler noch veralbern?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das kann er doch jetzt auch. Das ist falsch.)

Nein, das ist nicht falsch.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist falsch, was Sie erzählen. Sie veralbern die Wähler.)

Nein. Sie können doch dann noch hier reden, Herr Mohring. Aber man hat Ihnen nichts aufgeschrieben oder so.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: So was Hohles.)

Aber Sie müssen es sich mal vorstellen, es ist doch aus demokratischen Erwägungen heraus fairer, dass man die Bewerber, die nicht kandidiert haben, aber von dem Bürger in diese Position gewählt wurden im ersten Wahlgang, zu befragen, wollt ihr in die Stichwahl, und nicht erst eine Stichwahl durchzuführen und danach dem Bewerber die Entscheidung zu überlassen, ob er die Wahl annimmt oder nicht. Das befreit sie auch nicht von der Gefahr, dass dann doch wieder eine Wiederholungswahl stattfinden muss. Das halten wir für sehr gefährlich, was Sie da machen. Dies wird der Demokratie nicht dienen. Die Regelung, was passiert, wenn zwischen der Wahl und der Stichwahl einer der Bewerber verstirbt, ist bereits im Kommunalwahlgesetz geregelt, deswegen haben wir da keinen Regelungsbedarf gesehen. Dass als Mängel zu bezeichnen, dann nehmen Sie einen Mangel der alten Fassung auf. Darüber kann man reden. Aber es ist unredlich, daran unseren Gesetzentwurf scheitern zu lassen.

Dann mit der Übergangsregelung, das ist dann was ganz Ulkiges. Klar muss es immer Übergangsregelungen geben. Es ist eine gute Sitte in diesem Haus, dass Gesetzentwürfe der Fraktionen neben den Fachausschüssen auch an den Justizausschuss überwiesen werden und dort tatsächlich die notwendigen Anpassungsregelungen, die durch den politischen Willen des Gesetzentwurfs zum Ausdruck kommen, vorzunehmen. Da kann man natürlich über eine Übergangsregelung dann reden, wenn feststeht, wann mit einer Beschlussfassung zu rechnen ist. Das heißt, es ist überhaupt nicht außergewöhnlich, dass im Gesetzgebungsverfahren dann zum Abschluss auch eine Übergangsregelung aufgenommen werden wird. Das als Mangel zu bezeichnen, stellt die bisherige Praxis in diesem Haus infrage. Das kann man ja machen, da muss man aber grundsätzlich dann sagen, alles was bisher in vier Wahlperioden hier in diesem Landtag gelaufen ist, war falsch. Das sage ich, das ist nicht in Ordnung. Daran hätten Sie auch unseren Gesetzentwurf keinesfalls scheitern lassen dürfen.

Also insgesamt, Sie hatten ein Angebot, das haben Sie nicht angenommen. Jetzt müssen wir sehen, wie schnell wir im Innenausschuss den Gesetzentwurf beraten. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat in der Öffentlichkeit den Eindruck vermittelt, als würde das jetzige Verfahren noch dazu führen, dass bei den Bürgermeisterwahlen die Stichwahlen grundsätzlich stattfinden könnten. Das ist eben nicht so, weil jetzt die Rechtsaufsichtsbehörden bereits die Wahltermine festlegen können. Herr von der Krone hat in seiner Gemeinde dafür Sorge getragen, dass dort die Bürgermeisterwahl, da kandidiert er nicht wieder, aber einer seiner Zöglinge soll kandidieren für die CDU, ohne Stichwahl stattfindet. Dafür hat er Sorge getragen, das finde ich nicht in Ordnung. Aber wir werden sehen, was wir da in Ichtershausen machen können, weil dort der politische Wechsel einfach auch mal guttut, dass sehen Sie ein, nach 20 Jahren. Sie haben da eine ordentliche Arbeit geleistet, Herr von der Krone. Das habe ich Ihnen immer gesagt. Als Kommunalpolitiker haben Sie meine Hochachtung. Als Landespolitiker habe ich da schon eine andere, differenziertere Auffassung.

Insgesamt, meine sehr geehrten Damen und Herren, korrigieren wir hier eine fatale politische Fehlentscheidung der CDU. Das ist gut so. Bedauerlicherweise werden nicht alle Bürgerinnen und Bürger in diesem Jahr in den Genuss kommen, ihre Bürgermeister auch im Rahmen einer Stichwahl wählen zu können. Das bedauern wir. Die Verantwortung hierfür trägt aber die Koalition, tragen also CDU und SPD und das werden wir natürlich den Bürgern auch noch mal dementsprechend rüberbringen. Dass die kommunalen Spitzenverbände keine Einwände gegen die jetzige Regelung haben, ist nicht überraschend, weil die heftigste Kritik an der damaligen Abschaffung der Stichwahlen geübt haben. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

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