Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer

Steffen Dittes

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 7/6813

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Voigt, Sie haben am Ende Ihrer Rede gesagt, lassen Sie uns über Inhalte reden, deswegen will ich als Erstes über Inhalte reden, aber in einem zweiten wichtigen Teil auch über das politische Verfahren hier.

Sie haben es angesprochen, Ihr Vorschlag soll Familien unterstützen. Im Übrigen, das Wort „Familie“ werden Sie in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht finden. Und zwar soll dieser Antrag den Mittelstand und die Baubranche fördern. Es geht darum, dass sich die Menschen Vorsorge für das Alter schaffen, indem sie – und das ist ja die Übersetzung – durch Wohneigentum im Alter keine Miete mehr bezahlen. Meine Damen und Herren, wer erkennt, dass Wohnungsmieten ein Armutsrisiko darstellen, der muss sich eben um soziale Mietpolitik kümmern und

 

(Beifall DIE LINKE)

 

der muss sich darum kümmern, dass die Leute von ihrem Lohn leben können und nicht nur von ihrem Lohn leben können, sondern dann, wenn sie über Jahre einer Erwerbsbiografie auch in die Altersvorsorge, in die Rentenversicherung eingezahlt haben, im Alter eben keinem Armutsrisiko ausgesetzt werden. Deswegen ist es keine Standortfrage für Thüringen, wie hoch die Grunderwerbsteuer ist. Es ist eine Standortfrage, wie viel die Löhne hier sind, in welcher Höhe die sind und welche Bindung an die Tarife wir in diesem Land haben. Da liegen wir weit unter dem Durchschnitt in der gesamten Bundesrepublik. Ich will Ihnen auch sagen, das hat Ihnen ja auch der Rechnungshof ins Stammbuch geschrieben: Ihre Argumentation, dass Wohneigentum, was man sich über 40 Jahre lang durch Verschuldung, die man dann abzahlt, im Prinzip zur Entlastung im Alter führt, das wird es nicht geben. Denn gerade bei dem Wechsel ins Alter, in die Rente, kommen dann eben die Sanierungskosten, kommen die Instandhaltungskosten, die dann eben nicht mehr zu stemmen sind und dann wird Wohneigentum tatsächlich zur Belastung.

 

(Unruhe CDU)

 

Deswegen ist es auch eine falsche Politik zu sagen, die Leute sollen sich Wohneigentum anschaffen, sollen 40 Jahre ihre Schulden dafür abtragen, damit sie im Alter keinem Armutsrisiko ausgesetzt sind. Entschuldigung, Herr Voigt, das ist eine falsche sozialpolitische Zielrichtung Ihres Antrags.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Nun haben Sie gesagt, wir nehmen mal den Taschenrechner zusammen. Und nun sage ich Ihnen mal, Sie haben hier keine einzige Zahl genannt, auch im Ausschuss nicht, über wie viele Grundstücksgeschäfte wir überhaupt reden. Es gibt in Thüringen – das können Sie alles nachlesen beim Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation – ungefähr 30.000 Grundstücksgeschäfte, 16.000 betreffen private Erwerber für bebaute Grundstücke, für baureife Grundstücke und für Wohneigentum. Im Übrigen verkaufen mehr Private an Unternehmen, als Private auf dem Wohnungsmarkt kaufen. Das heißt, es findet auch eine Unternehmerisierung von privatem Grund in diesem Bereich statt. Das ist wichtig, wenn man noch mal darüber nachdenkt, wen Sie hier eigentlich entlasten. Sie sagen, Sie wollen mit der Entlastung die Baubranche fördern. Das heißt, wir gucken uns mal an, wie viele baureife Grundstücke eigentlich verkauft werden und durch Private gekauft werden, wo dann wirklich dieser Effekt eintreten soll. Das sind 3.286 im Jahr 2022 gewesen. Also, wir reden, wenn wir über Ihre Zielstellung reden, genau über 3.286 Grundstücksverkehre im Jahr 2022.

 

(Unruhe CDU)

 

Wenn Sie die Baubranche fördern wollen, dann reden wir über baureife, nicht bebaute Grundstücke und die entlasten Sie bei der Grunderwerbsteuer. Und dann sagen wir mal – ich komme auf ihren zweiten Paragrafen noch mal zurück –, ein Grundstück von 1.000 Quadratmetern kostet in Thüringen ungefähr 50.000 Euro. Die Ersparnis, die sich dann nach Ihrem Gesetzentwurf entwickelt, sind 750 Euro; wenn man von Baukosten von 250.000 Euro ausgeht, also insgesamt 300.000 Euro Kosten insgesamt, ist die Ersparnis 0,25 Prozent. Darüber reden wir, Herr Voigt, und ich sage Ihnen ganz ehrlich, wer seine Investitionsentscheidung in Höhe von 300.000 Euro von 750 Euro abhängig macht, dem würde ich abraten, diese Investition zu tätigen, aus guten Gründen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Jetzt komme ich aber dazu, wenn Sie immer sagen, wir entlasten Familien, Herr Voigt: Von Familien steht da nichts. Sie sagen ja, wir entlasten für selbstgenutztes Wohneigentum bis 500.000 Euro im Prinzip alle komplett von der Grunderwerbsteuer bis zu 32.000 Euro, alle. Da steht nichts von Familie, da steht nichts von Kindern, da steht: selbst genutztes Wohneigentum. Dann komme ich dazu zu sagen, wenn Sie doch immer so für Bürokratieabbau sind, was Sie da eigentlich schaffen: ein Bürokratiemonster. Sie schreiben in Ihrem Änderungsantrag: selbst genutztes Wohneigentum im Ersterwerb in Thüringen. Sie müssten also im Prinzip eine immense Bürokratie aufbauen, die erst mal fragt: Ist es selbst genutzt, was heißt das eigentlich? Auch das Zweit- oder Dritthaus, ist das auch selbst genutzt? Was heißt Ersterwerb in Thüringen, Ersterwerb der Immobilie?

 

(Unruhe CDU, Gruppe der FDP)

 

Und Sie müssten überlegen: Wie lange ist denn eigentlich die Selbstnutzung?

Das zweite Bürokratiemonster, was Sie neben dieser unerträglichen Nachweispflicht aufbauen, ist, dass Sie erst die Steuer einkassieren, um sie dann am Ende wieder auszuzahlen. Das machen Sie, weil Ihr Gesetz tatsächlich nicht rechtssicher ist. Sie haben mit dem Änderungsantrag versucht, den rechtlichen Bedenken des Landesrechnungshofs zur Hälfte zu begegnen. Die Frage der eigentlichen Gesetzgebungskompetenz beantworten Sie nicht, denn Sie schaffen hier wirklich zwei unterschiedliche Steuertatbestände und dafür fehlt dem Land tatsächlich die Kompetenz. Das ist Bundeskompetenz.

 

Was ich zum Haushalt sagen will: Sie nehmen nicht nur dem Land 48 Millionen Euro, Sie nehmen auch den Kommunen 17 Millionen Euro weg – über den Partnerschaftsgrundsatz, das können Sie einfach ausrechnen. Heute früh haben Sie sich noch hier hingestellt und haben gesagt, wir wollen die Kommunen unterstützen. 17 Millionen Euro kostet Ihr Vorschlag heute die Kommunen, ich bin gespannt, wie Sie denen das erklären. Was sagen Sie zur Deckung? Nichts. Sie sagen in der Begründung: „Mittel- und langfristig wird empfohlen, im Sinne des Haushaltsausgleichs den Weg zur einer Priorisierung des Landespersonals und Konsolidierung der Thüringer Fördermittellandschaft konsequent einzuschlagen.“ Was sagen sie damit? Das soll durch Rückabwicklung von Förderprogrammen finanziert werden, also öffentliche Leistungen, die für andere gedacht sind, um Entwicklungen voranzubringen? Das ist Ihr Gegenfinanzierungsvorschlag? Der Abbau von Landespersonal ist auch ein Vorschlag, den Sie hier unterbreiten.

Ihr Gesetzentwurf ist haushalterisch nicht zu verantworten, er ist rechtlich unsauber, er ist sogar in Teilen verfassungswidrig, würde ich behaupten – die Prüfung ist angekündigt – und er ist vor allen Dingen auch ein weiterer Baustein beim Bürokratieaufbau. Er ist aber vor allem auch sozialpolitisch kontraproduktiv, denn es werden nicht die Familien in diesem Land unterstützt, sondern es werden die Menschen unterstützt, Unternehmen, Immobilienspekulanten und die, die

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Immobilienspekulanten? Selbstgenutztes Wohneigentum!)

 

(Unruhe DIE LINKE)

 

– ja, die gibt es, es Herr Montag – sich Investitionen in Höhe von 300.000 bis 500.000 Euro leisten können.

 

Vizepräsident Bergner:

 

Meine Damen und Herren, Abgeordneter Dittes hat das Wort.

 

Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:

 

Auch wenn Sie sich mit den volkswirtschaftlichen Folgen von Steuersenkungen nicht beschäftigen wollen, empfehle ich Ihnen einen Artikel im „Merkur“ von Prof. Dr. Achim Truger, der ist Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Der hat geschrieben, Zitat – und Sie sollten den ganzen Artikel lesen: „Ausgabenkürzungen dämpfen jedoch die Wirtschaft stärker als Steuersenkungen sie anschieben, weil staatliche Käufe, Transfers und Investitionen beschnitten und Einkommen verringert werden.“ Und er hat es auch historisch begründet. Für die Volkswirtschaft ist Ihr Vorschlag dieser Steuersenkung wirklich verantwortungslos, weil kontraproduktiv. Das sollten Sie sich auch zu Gemüte führen.

 

Jetzt komme ich – weil wir tatsächlich nur wenig Zeit haben, man könnte das viel länger ausführen – zu der politischen Dimension Ihres Antrags. Wir müssen zurückgucken in das Jahr 2020, Herr Voigt: Wir haben zusammen nach dem 5. Februar 2020 gemeinsam verhandelt, wie es weitergeht.

 

(Zwischenruf Abg. Aust, AfD: Ja, Neuwahlen!)

 

Diese Regierung, die hier gebildet worden ist, Rot-Rot-Grün, gibt es deshalb, weil es keine Mehrheit gab ohne Rot-Rot-Grün oder unter Einschluss von Rot-Rot-Grün in diesem Parlament, die dieses Land gestalten will oder eine Regierung bilden will. Das war bis heute so. Denn nun fangen Sie an, diese Mehrheit – Herr Hey ist bei der Haushaltsdebatte auch schon angetreten – aus der Opposition heraus ohne R2G zu bilden. Was heißt das denn eigentlich? Dass Sie anfangen, heute mit einem zweiten Gesetz – und das nächste Gesetz ist ja schon in der Pipeline – eine parlamentarische Gestaltungsmehrheit in der Opposition herauszubilden, die Gesetze beschließt, was in normalen Mehrheitskonstellationen üblicherweise den Regierungsfraktionen obliegt, aber in der Minderheitskonstellation ist es halt eben anders.

 

(Heiterkeit CDU, AfD)

 

Aber wenn Sie eine Mehrheit zusammenfügen, die gestaltet, die Gesetze beschließt und so einen immensen Eingriff auf den Haushalt dieses Landes nimmt, und dafür eine Mehrheit in der Opposition bilden, dann fangen Sie an, eine kleine Regierungskoalition in der Opposition unter Einschluss der AfD tatsächlich in Gang zu setzen. Das ist das, was wir Ihnen vorwerfen,

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

nicht, dass wir hier mal gemeinsam mit denen die Hand heben, sondern, dass Sie bewusst eine Gestaltungsmehrheit in dem Parlament unter Einschluss der AfD gegen die demokratischen Fraktionen von Rot-Rot-Grün bilden. Das ist das, was wir Ihnen vorwerfen.

 

Nun sage ich Ihnen ganz deutlich, meine Damen und Herren: Das ist möglich. Herr Voigt, Sie können das tun. Die Geschäftsordnung, die Verfassung lässt das zu. Das verstößt nicht gegen demokratische Regelungen, aber Demokratie ist mehr als nur ein Regelungssystem. Demokratie ist ein Wertesystem. Ein Demokrat ist nicht der, der die Regeln einhält,

 

(Unruhe CDU)

 

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Das sagen gerade die Richtigen!)

 

ein Demokrat ist der, der Demokratie lebt, der die Werte verteidigt und zwar mit jeder seiner politischen Entscheidungen,

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

ob im Parlament oder außerhalb des Parlaments.

Es gab mal einen Spitzenkandidaten einer Partei hier im Thüringer Landtag, der hat plakatiert über sich selbst, dass er eine Glatze wäre, die aus der Geschichte gelernt hätte. Ich hoffe sehr, meine Damen und Herren in der Gruppe der FDP und in der Fraktion der CDU, das es bei Ihnen ausreichend Abgeordnete – es müssen nicht viele sein – gibt, die das Gelernte aus der Geschichte nicht parteistrategischen Überlegungen unterordnen. Sorgen Sie also dafür, dass heute kein weiterer Stein aus der Mauer, die die Demokratie vor ihren Feinden schützen soll, mutwillig und wissentlich herausgezogen wird! Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

(Unruhe CDU)

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