Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/1751 -


Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Prof. Huber, ich hatte heute ja schon meine Hochachtung vor Ihnen geäußert und Ihnen auch viel Glück gewünscht bei Ihrer neuen Tätigkeit. Doch dieser hier jetzt vorgelegte Gesetzentwurf ist andererseits ein Beleg für das Umdeutungspotenzial verfassungsrechtlicher Vorgaben und damit würden Sie natürlich in Ihrer neuen Funktion manchmal Probleme bekommen, denn da müssen Sie als Unabhängiger zu den unterschiedlichen Positionen in der Umdeutung von verfassungsrechtlichen Vorgaben dann Entscheidungen treffen. Sie haben unbestritten in Thüringen trotz Ihrer kurzen Tätigkeit als Innenminister eine Spur hinterlassen; in dieser Frage wird sie aber nicht mit positiven Erinnerungen verbunden sein. Das ist aber Ihr Problem.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben hier als Innenminister, Herr Prof. Huber, sehr ausführlich die neuen Eckdaten des Finanzausgleichgesetzes dargelegt, aber es bleibt trotz dieser Ausführlichkeit - und Sie haben ja auch gesagt, es ist Transparenz gegeben - bei unserer Einschätzung und auch bei meiner Einschätzung: Vieles im neuen Finanzausgleich geht einseitig zulasten der Kommunen. Es ist ein einmaliger Vorgang hier im Thüringer Landtag, dass zunächst der Entwurf eines Landeshaushalts eingebracht wird und jetzt erst mit einer zeitlichen Verzögerung das dazugehörige Finanzausgleichsgesetz. Sie hatten ja schon, weil Sie wissen, was Sie so jetzt erwartet in der Debatte, auf die Anhörung und die Ergebnisse verwiesen. Auch das ist ein einmaliger Vorgang, dass aus der Anhörung heraus, es nicht eine einzige Veränderung am Referentenentwurf gab. Insofern müssen Sie sich noch einmal mit der Frage beschäftigen, auch mit dem Vorwurf: Wie ernsthaft haben Sie tatsächlich diese Anhörung betrieben, wenn nicht eine einzige Anregung der kommunalen Spitzenverbände sich dann im Gesetzentwurf widergespiegelt hat. Jetzt kommen Sie ja nicht mit dem Argument, das liegt an der Qualität des Referentenentwurfs.


(Zwischenruf Prof. Dr. Huber, Innenminister: Doch, das tue ich.)


Sie haben zu Recht darauf verwiesen, hier geht es um einen Interessenausgleich, immer. Da haben Sie mich immer an Ihrer Seite, dass natürlich die Kommunen bestimmte Dinge anders bewerten als das Land. Aber wenn es einen solchen Interessenausgleich gibt, dann ist es selbstverständlich, dass im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens sich der Gesetzentwurf entwickeln muss. Aber bei Ihnen stagniert er. Ich habe heute schon einmal den Vorwurf formuliert, das klingt sehr nach Dogmatik. Ich habe Sie bisher anders kennengelernt, Herr Prof. Huber, als jemanden, dem diese Eigenschaft nicht zuzurechnen ist. Nun weiß ich, Sie sind Bestandteil eines Kollektivorgans, genannt Landesregierung. Vielleicht hat Ihnen auch die eigene Motivation gefehlt, sich da noch mit Ihrer Person in diesem Prozess durchzusetzen, weil Sie gesagt haben, nach der ersten Lesung bin ich weg. Die Ministerpräsidentin hat es bisher versäumt, einen Nachfolger zu benennen. Insofern wissen wir auch nicht, wer dann Ihr Werk fortsetzt.


(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Hat das einer erwartet?)


Andererseits werden Sie weiter im öffentlichen Fokus stehen. Da brauche ich Ihnen gar kein Versprechen abzugeben, dass ich Sie natürlich mit Ihren Ergebnissen konfrontieren werde, selbst wenn Sie in Karlsruhe sind.


(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Ruhe vor Kuschel.)


Meine sehr geehrten Damen und Herren - ja, etwas anders, da wären Sie jetzt enttäuscht gewesen.

Ich versuche jetzt, mich mal systematisch mit den Dingen auseinanderzusetzen, die Sie hier zur Diskussion gestellt haben, und wir kommen einmal zur Bedarfsermittlung. Herr Prof. Huber, da sind Sie Erbe eines Verfahrens, das Ihre Vorgänger zu vertreten haben, nämlich der Bedarfsermittlung nach der Korridormethode. Wir haben eines der modernsten Finanzausgleichssysteme in der Bundesrepublik. Darauf bin ich auch stolz. Wenn ich durch die Bundesrepublik reise, sage ich das auch immer. Wir haben lange darum gekämpft - auch als PDS, als Die Linkspartei.PDS und als LINKE -, dass wir gesagt haben, wir wollen einen Finanzausgleich, der bedarfsorientiert ist, weil die Kommunen verfassungsrechtlich zu den Ländern gehören usw. Wir konnten uns politisch nicht durchsetzen, aber die SPD hat geklagt und die Verfassungsrichter haben ein Urteil gesprochen, das unseren Vorstellungen sehr nahe kommt.


Jetzt ist aber die Frage, wie geht man mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben um, insbesondere was die Bedarfsermittlung betrifft. Da sind wir als LINKE davon überzeugt, dass bereits die Bedarfsermittlung beim Finanzausgleich - 2009 erstmalig zur Anwendung gebracht - fehlerhaft war, insbesondere die Korridorbildung, und zwar insbesondere im übertragenen Wirkungskreis. Weshalb sage ich das? Da greifen Sie jetzt wieder ein, indem Sie die Korridorbildung sogar noch verschärfen, indem Sie jetzt nicht mehr einen Korridor bilden, sondern sagen, die drei Kostengünstigsten sind jetzt die Orientierung. Aber im übertragenen Wirkungskreis ist das Land nicht nur Rechtsaufsichtsbehörde, sondern auch Fachaufsichtsbehörde und gibt deshalb die Standards vor. Jetzt müssen Sie mir mal erklären, wie es geschehen kann, wenn das Land auch Fachaufsichtsbehörde ist, dass Sie den Vorwurf erheben - unausgesprochen, aber er resultiert ja aus dem Verfahren -, dass eine Vielzahl der Kommunen nicht kostenoptimiert arbeitet. Ansonsten würde es keinen Sinn machen, dass Sie sagen, die drei Kostengünstigsten sind der Maßstab. Da gibt es Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis, da sind wir uns einig, da kann man nicht viel diskutieren. Meine lieblingsübertragene Aufgabe im Rahmen des übertragenen Wirkungskreises - also Auftragskostenpauschale - ist die Beflaggung von Dienstgebäuden zu staatlichen Feiertagen, da kann man nun wenig diskutieren. Da gibt es 2 ct. pro Einwohner und Jahr. Da werden auch die Kommunen nicht ewig diskutieren. Wir haben ganz andere Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis, ob das die Bauverwaltung ist, also die Bauordnungsbehörde, oder das Kfz-Wesen, wo man sagt, wenn da unterschiedliche Kosten entstehen pro Einwohner hat das Ursachen. Zum Beispiel komme ich aus Arnstadt, unbestritten durch das Industriegebiet Erfurt-Kreuz haben wir andere Anforderungen und Ausgaben an die Bauordnungsbehörde als beispielsweise ein Landkreis, der kein Industriegebiet von 400 ha vorzuhalten hat. Da die Bauordnungsbehörden aber nicht mehr kostendeckend arbeiten, erhalten sie einen Ausgleich über die Auftragskostenpauschale. Wenn Sie aber jetzt sagen, wir nehmen nur die drei kostenoptimierten, dann wären solche Besonderheiten aus meiner Sicht in unzulässiger Art und Weise ausgeblendet. Die Korridorbildung war schon fehlerhaft, aber Sie schlagen jetzt ein Verfahren vor, das tatsächlich sachlich nicht zu begründen ist. Sie werfen nicht nur den Kommunen vor, dass sie nicht optimiert arbeiten, sondern - ich will es mal vorsichtig formulieren - auch den Fachaufsichten schreiben Sie nicht das beste Zeugnis aus. Anders ist es nicht zu bewerten. Ich gehe davon aus, die Fachaufsicht achtet natürlich auch darauf, dass die Kommunen nicht so viel Personal vorhalten, nicht so viele Sachkosten und dergleichen haben. Das macht 92 Mio. € aus die Umstellung des Verfahrens, 92 Mio. € gehen den Kommunen verloren.


(Zwischenruf Prof. Dr. Huber, Innenminister: Nein, fiktive Einnahmen.)


Da komme ich noch dazu. Dadurch werden 18 Mio. € bei der Auftragskostenpauschale reduziert. Obwohl, Sie müssten noch einmal überlegen, dass wir auch im übertragenen Wirkungskreis bestimmte Kostenentwicklungsfaktoren haben wie Tarifsteigerungen und allgemeine Teuerungsrate. Insofern sind diese 18 Mio. € Kürzungen noch nicht die ganze Wahrheit. Selbst wenn ich eine 2-prozentige Inflationsrate unterstelle, die wir hatten oder die über die Jahre hinweg zu verzeichnen ist, ist bei einer Auftragskostenpauschale von rund 200 Mio. € 2 Prozent schon einmal 4 Mio. € Aufwuchs. Wenn Sie aber 18 Mio. € kürzen, gibt es da eine gegenläufige Entwicklung. Das ist das Problem.


Ein weiteres Problem ist die sogenannte kleine Verbundquote, das haben Sie dargelegt, 2,2 Prozent wird auf 1 Prozent reduziert. Das Thüringer Verfassungsgericht hat sich bei der Klageentscheidung zum Finanzausgleich mit dieser Frage, welcher Korridor muss den Kommunen eröffnet werden im sogenannten freiwilligen, also nicht gesetzlichen, Bereich, nicht weiter beschäftigt, sondern hat auf Entscheidungen anderer Verfassungsgerichte verwiesen. Die haben gesagt, ein Korridor von fünf bis zehn Prozent bei den allgemeinen Verwaltungsaufgaben muss den Kommunen eingeräumt werden, damit man noch von kommunaler Selbstverwaltung reden kann. Wenn dieser Entscheidungsspielraum nicht mehr da ist, wären die Kommunen de facto nur noch Verwaltungsebenen und das wäre ein Verstoß gegen Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz. Sie reduzieren das jetzt auf 1 Prozent für die freiwilligen Aufgaben. Der Gemeinde- und Städtebund hat sich in seiner Stellungnahme damit beschäftigt und aus meiner Sicht zutreffend darauf verwiesen, dass die Einnahmen des Landes nicht sinken, weder aus den Steuern noch aus dem Länderfinanzausgleich, Bundesergänzungszuweisung, sondern es ist ein Aufwuchs da - das war noch Steuerschätzung Mai; jetzt kommt November noch hinzu. Das können Sie noch nicht berücksichtigt haben, da habe ich Verständnis dafür. Aber insgesamt ergibt sich zumindest aus dem Aufwuchs Steuern und Länderfinanzausgleich, Bundesergänzungszuweisung keine Ableitung, dass die Finanzkraft der Kommunen sinkt.


Dass der Haushalt insgesamt sinkt, hat was damit zu tun, dass wir die Nettokreditverschuldung reduzieren. Die kann aber bei dieser Betrachtung keine Rolle spielen. Damit werden wir uns in der Ausschussberatung beschäftigen müssen. Sie waren ehrlich, Herr Professor Huber, indem Sie gesagt haben, die Kommunen müssen auch ihren Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts beitragen. Aber wir haben andererseits diese verfassungsrechtliche Vorgabe, dass mindestens 5 Prozent der Ausgaben der Kommunen im nicht im gesetzlich fixierten Bereich getätigt werden müssen.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, wir als LINKE tragen die Berechnung des Gemeinde- und Städtebundes, die sagen, es fehlen 200 Mio. € auch unter Berücksichtigung der Verbraucherpreise und unter Berücksichtigung von Aufwüchsen bei den Ausgaben, die bei Ihrer Bedarfsermittlung noch nicht beinhaltet sind. Ich will es auch beispielhaft benennen: Wir haben eine Anhebung der Hartz IV-Sätze - zugegebenermaßen - aus unserer Sicht 5 € für den einzelnen Betroffenen fast vernachlässigungswürdig, aber in Summe landesweit doch wahrnehmbar und Sie wissen, diese Erhöhung im Hartz-IV-Bereich schlägt durch bei SGB XII und beim Asylbewerberleistungsgesetz und müsste deshalb dort Berücksichtigung finden. Wir haben eine Steigerung der Kosten bei der Jugendhilfe nach SGB VIII. Auch das ist bei der Bedarfsermittlung nicht berücksichtigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn alles so in Ordnung wäre, wie die Landesregierung hier darstellt, dann dürften wir nicht die Realität vorfinden, dass in diesem Jahr 25 Prozent der Thüringer Kommunen keinen ausgeglichenen Haushalt verabschieden konnten, ich beziehe mich bei dem ausgeglichen Haushalt auf den Verwaltungshaushalt, also die Vorgabe, dass die Tilgung als Mindestzuführung von Verwaltungs- in den Vermögenshaushalt erwirtschaftet werden muss, kann nicht dargestellt werden. Bei manchen dieser Kommunen ist der Haushalt zwar formal ausgeglichen, aber eben nicht der Verwaltungshaushalt. Dieser Anteil der Kommunen, die keinen ausgeglichenen Haushalt haben, wird nach Informationen des Gemeinde- und Städtebundes auf 40 Prozent ansteigen.


Wir haben ein flächendeckendes Problem. Da komme ich jetzt zu dem Thema, dass Sie sagen, die Kommunen schöpfen ihre Einnahmenmöglichkeiten nicht aus. Diese Einschätzung teilen wir als LINKE. Dazu haben wir uns gestern schon positioniert. Wir sehen die Potenziale insbesondere bei der Gewerbesteuer, mit gewissen Abstrichen auch bei der Grundsteuer. Wir haben nur ein Problem mit dem Verfahren, wie Sie es machen, dass Sie es durch die Hintertür machen, und innerhalb weniger Tage oder Wochen sollen die Kommunen sich darauf einstellen, weil die im Gesetz vorgegebenen höheren Hebesätze zur Berechnung des interkommunalen Finanzausgleich werden erst im Jahr 2015 wirksam. Aber bei der Bedarfsermittlung werden die 400 Hebesatzpunkte schon zum 01.01.2011 wirksam.


Das ist das Problem. Da gehen dann 92 Mio. € verloren. In einer so kurzen Zeit haben die Kommunen überhaupt keine Chance mit den Betroffenen in den Dialog zu treten. Man muss aber mit den Betroffenen in den Dialog treten. Ich weiß, dass es natürlich sehr viele Irritationen gibt, zum Beispiel, ob der Hebesatz bei der Gewerbesteuer tatsächlich den Einzelunternehmer trifft. Da muss man mit den Unternehmern diskutieren. Das kann man aber nicht im November/Dezember eines Jahres machen mit Wirkung zum 01.01. des neuen Jahres, sondern das muss man längerfristig machen. Deswegen werden wir dafür plädieren, eine Übergangsfrist zu definieren, jawohl, es ist richtig, die Kommunen auch über Regelungen im Finanzausgleichsgesetz dazu zu motivieren, entsprechende Mehreinnahmen im Rahmen des Zulässigen und des Gebotenen zu kreieren. Aber die Kommunen müssen auch die Chance haben, das im Dialog mit dem Bürger ordnungsgemäß zu realisieren. Da kann ich mir persönlich vorstellen, dass wir diese Regelung zum 01.01.2012 zum Ansatz bringen. Da haben die Kommunen ein Jahr Zeit und können damit planen. Sie haben uns damit auf Ihrer Seite, wenn es darum geht, mit den Kommunen in den Dialog zu treten, ob die Erhöhung von Hebesätzen tatsächlich geboten ist und wer dadurch belastet wird oder nicht.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann stört uns natürlich bei dieser Diskussion der Hebesätze, dass Sie völlig ausblenden, dass Sie andererseits in Thüringen eine andere Gemeindestruktur beibehalten wollen, als in den Nachbarländern. Es gibt aber einen kausalen Zusammenhang zwischen Gemeindestruktur und Hebesätzen, sowohl bei der Grundsteuer als auch bei der Gewerbesteuer. Sie können die Hebesätze der Gewerbesteuer aus Sachsen und Thüringen nicht 1:1 vergleichen, weil in Sachsen die Gemeinden im Durchschnitt viermal größer sind als in Thüringen. Da ist klar, wenn ich größere Kommunen habe mit konzentrierteren Gewerbe- und Industriegebieten, dann kann ich auch andere Hebesätze nehmen.


Wenn Sie sich aber entscheiden, in Thüringen bei 2 Mio. Einwohnern weiterhin rund 900 Gemeinden vorzuhalten, dann können Sie nicht sagen, wir nehmen aber die Hebesätze von Sachsen, wo mit über 4 Mio. Einwohnern wir nur noch 250 Gemeinden haben. Das geht nicht, und da sollten wir offen sein und sollten sagen, jawohl, wir schreiben ins Gesetz rein, Kommunen, ihr bekommt jetzt Vorgaben mit einer Freiwilligkeitsphase. Ihr habt noch einmal zwei Jahre Zeit und dann gelten die und die Dinge. Dann können die Kommunen auch wieder im Dialog mit den Bürgern offen darüber reden. Aber so machen Sie eine Gebietsreform durch die Hintertür und das lehnen wir ab.


(Beifall DIE LINKE)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, der nächste Problemkreis ist die Umverteilung der Schlüsselmasse innerhalb der Gemeinden. Darauf ist der Innenminister auch sehr ausführlich eingegangen. Sicherlich auch, weil er persönlich nicht überzeugt ist, ob dieses Konzept tatsächlich zielführend ist. Da darf ich noch mal wiederholen, dass es in den vergangenen 10 Jahren eine Vielzahl von Versuchen gab, die Finanzmisere der sogenannten kleinen kreisfreien Städte zu lösen. Sie bekommen schon immer den 5-prozentigen Zuschlag bei der Schlüsselzuweisung. Es gab die Vorweg-Schlüsselzuweisung, die wurde von der CDU abgeschafft, die war steuerkraftunabhängig. Wir haben die für äußerst sinnvoll erachtet, weil wir gesagt haben, die Zentren erfüllen natürlich Leistungen für das Umland und da kann ich nicht die Steuerkraft zugrunde legen. Doch warum hat sie dann die CDU abgeschafft? Das ist ja die Frage. Dann gab es die Anpassungshilfen 10 Mio. Auch von der CDU abgeschafft. Und jetzt kommen sie mit dem Vorschlag dieser 140-Prozent-Regelung und ich muss Ihnen sagen, wer bezahlt das? Das bezahlt die Stadt Erfurt, das bezahlt die Stadt Gera, das bezahlt die Stadt Jena und das bezahlen alle kreisangehörigen Gemeinden unter 100.000 Einwohnern. Es gibt nicht so viele, aber die Stadt Nordhausen z.B. ist vergleichbar von der Größenordnung mit Eisenach und Suhl. Da müssen Sie die Frage beantworten, warum die Stadt Nordhausen Geld abtreten soll, damit wir künstlich Eisenach und Suhl als kreisfreie Stadt vorbehalten. Aber Herr Zeh wird Ihnen das erklären, weil der muss sich dafür rechtfertigen, hoffe ich mal. Ich gehe davon aus, die Kommunalpolitiker lassen Sie nicht aus der Verantwortung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das geht nicht. Wenn Sie meinen als Land, wir müssen Fehlentscheidungen bei der Landesentwicklung und Raumordnung durch zusätzliche Finanzen regeln, dann müssen Sie es machen,


(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Muss er nicht.)


aber bitte nicht zulasten der kommunalen Familie. Das halten wir für nicht anständig. Wir haben Ihnen übrigens vorgeschlagen - weil, wir sind auch mutig, ja, sozial, links, mutig, kennen Sie ja -, wir haben schon immer vorgeschlagen über die …,


(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Das war Ihr Bester heute.)


ich gebe nur die Realität wieder, das ist gar nicht subjektiv,


(Beifall DIE LINKE)


sondern die Wahrheit ist objektiv. Sie können es nachlesen, das waren Sie noch nicht hier im Landtag, da haben wir das schon vorgeschlagen über die Schlüsselzuweisungen auch einen Anreiz für effiziente Gebietsreformen zu geben. Wir hatten z.B. vorgeschlagen, eine Degression einzuführen für Gemeinden unter 3.000 Einwohner. Das war keine einfache Diskussion, da bekommen wir keine Blumensträuße, aber wir sind bereit, uns dem zu stellen. Wir haben das immer mit Übergangsfristen und in einem offenen, transparenten und fairen Verfahren und nicht über Nacht. Wenn Sie das wählen, haben Sie uns immer auf Ihrer Seite.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Problemkreis der Kindertagesstättenfinanzierung: Dort werden 269 Mio. in den allgemeinen Schlüsselzuweisungen den Gemeinden durchgereicht. Damit beginnt ein Problem, weil erstmal profitieren die Landkreise mit 25 Prozent davon. Deren Aufwendungen liegen aber niemals bei 25 Prozent, was die Kindertagesstättenbetreuung betrifft, sondern bei etwa nach unseren Berechnungen zwischen 8 und 11 Prozent, aber niemals 25. Dann werden die Schlüsselzuweisungen steuerkraftabhängig ausgereicht. Das heißt, die Gemeinden mit einer höheren Steuerkraft erhalten weniger Schlüsselzuweisungen und die mit der niedrigeren Steuerkraft eine höhere. Das kann dazu führen, dass eine Gemeinde aus diesem Bereich Kindertagesstätten mehr Zuweisungen bekommt, als sie Aufwendungen in diesem Bereich hat. Das kann doch nicht wirklich Sinn und Zweck der Sache sein. Wir haben ein Gesetz verabschiedet, das führt zu Mehrausgaben bei den Kommunen, und die haben wir auszugleichen. Jetzt argumentieren Sie immer, das Verfassungsgericht hat gesagt, wir können keine Zweckbindung vorsehen, zumindest keine große, obwohl wir ja Zweckbindungen haben. Wir haben Zweckbindung beim Schullastenausgleich, wir haben Zweckbindungen im Finanzausgleich, was die Durchreichung der Mittel betrifft im Bereich SGB II, wir haben die Investitionspauschale bei den Schulen, wir haben die Kindertagesstättenpauschale, also Investitionspauschale - alles Zweckbindungen. Ich interpretiere das Urteil des Landesverfassungsgerichts dahin gehend, dass sie gesagt haben, wenn der Finanzausgleich nicht angemessen ist, dann muss sich das Land mit einer Zweckbindung zurückhalten.


Sie behaupten ja aber mit Ihrem Gesetzentwurf, der Finanzausgleich ist angemessen. In einer Frage, wo das angemessen ist, bin ich überzeugt, kann man auch eine Zweckbindung vorsehen. Oder wir entscheiden uns - und das wird unser Vorschlag sein -, wir nehmen diese Gelder aus dem Finanzausgleich heraus und etatisieren sie im Einzelplan des Kultusministers. Dort gehören Sie aus unserer Überzeugung sachlich hin. Da gibt es keinen Streit und da haben wir Kostentransparenz. Und wir senken aber um diesen Bereich auch die Finanzmasse, weil wir sagen, wir wollen den Landeshaushalt da nicht zusätzlich belasten.


(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Aber wir haben ein Stück kommunale Selbstverwaltung.)


Herr Höhn, was ist denn das für eine kommunale Selbstverwaltung, wir zwingen zurzeit die Gemeinden, die Kindertagesstätten zu erhöhen, und zwar drastisch. Was macht denn das für einen Sinn?


Wir drücken immer wieder Probleme, die wir verursachen, auf die Kommunale Ebene runter und Sie freuen sich, wenn auf kommunaler Ebene die kommunalen Akteure und die Betroffenen aufeinander einschlagen.


(Zwischenruf Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Ihre Fraktion ist doch …)


Von daher, das sollten wir nicht machen. Wenn wir Gesetze machen, müssen wir auch dafür sorgen, dass die Kommunen und die Betroffenen damit sinnvoll umgehen können.


(Beifall DIE LINKE)


Ich sage noch mal, wir haben einen Vorschlag und da sage ich immer wieder, da ich kein Dogmatiker bin, das müssen Sie nun langsam begriffen haben, es ist ein Diskussionsvorschlag und Sie können weitere Vorschläge entgegenstellen. Wir haben jetzt den Vorschlag der Landesregierung entgegengenommen und ich gehe davon aus, dass CDU und SPD gut kommunalpolitisch aufgestellt sind und deshalb die Probleme von den Kommunen auch hier in den Landtag getragen werden. Da können Sie noch weitere Vorschläge machen. Da beharren wir überhaupt nicht darauf, dass unser Vorschlag das Einzigste ist.


Wir sagen, wir wollen Transparenz und die bekommt man, indem man diese Kosten aus dem Finanzausgleich rausnimmt, zumindest aus der Schlüsselzuweisung, wenn es im Finanzausgleich mit der Zweckbindung nicht geht.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch eine Anmerkung zu einer Fusionsprämie für freiwillige Gemeindeneugliederungen. Die Ermächtigung im Gesetz bleibt. Da bin ich erstaunt, dass Sie, obwohl das Gesetz jetzt nach dem Haushaltsentwurf eingereicht wird, nicht den Mut haben, dann die Ermächtigung im Gesetz, dass freiwillige Gemeindeneugliederungen auch finanziell gefördert werden, herausnehmen, aber Sie legen einen Haushaltsentwurf vor mit einer Null oder Sie sagen, weil Sie ja wieder Bestandteil eines Kollektivvorgangs sind oder waren, nein, noch sind, Sie konnten sich nicht in der Landesregierung durchsetzen, aber Sie haben hohes Vertrauen in dieses Haus, deshalb lassen Sie es im Gesetz mit der Aufforderung an uns, die Null wieder durch eine Zahl zu ersetzen. Das werden wir machen. Wir werden vorschlagen, es in den Finanzausgleich hineinzunehmen, weil wir durchaus auch sehen, dass außerhalb des Finanzausgleichs auch das Innenministerium einen Konsolidierungsbeitrag leisten musste. Wir halten es auch für sachgerecht, dass das im Finanzausgleich gelöst wird. Es ist im Interesse der Kommunen und wir können uns vorstellen, dass wir das mit einer Zweckbindung aus dem Landesausgleichsstock versehen und damit die Fusionsprämie dann künftig aus dem Landesausgleichsstock finanzieren.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine abschließende Bemerkung eines Problemkreises, was Sie bedauerlicherweise nicht aufgegriffen haben. Das ist das Problem des interkommunalen Finanzausgleichs, also Finanzbeziehungen zwischen den kreisangehörigen Gemeinden und Landkreisen. Da haben Sie ja nur eine Regelung, was die Berücksichtigung Schlüsselzuweisung betrifft. Das ist ein zunehmendes Problem. Die Kreisumlagen bewegen sich auf 40 Prozent zu, also 40 Prozent der Ausgaben der Landkreise sind durch Einnahmen nicht mehr gedeckt und müssen durch die kreisangehörigen Gemeinden finanziert werden. Das ist ein spannendes verfassungsrechtliches Problem, weil wir dort aus meiner Sicht einen eklatanten Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz zu verzeichnen haben. Das heißt, Aufgabenrealisierung und -finanzierung fallen völlig auseinander. Die Landkreise realisieren Aufgaben und die kreisangehörigen Gemeinden sollen sie finanzieren. Was wir gegenwärtig zu verzeichnen haben, das wir nämlich in den Kreistagen starke Bürgermeisterfraktionen haben, war ursprünglich so nicht geplant, sondern eigentlich ist man davon ausgegangen, dass dieser Streit nicht dadurch gelöst wird, indem dann künftig nur noch Bürgermeister in den Kreistagen sitzen. Der Gothaer Kompromiss von 1994 hatte damals seine Berechtigung.


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wunder.)


Oder Wunder, ja, kann man auch als Wunder bezeichnen, ich sage immer Kompromiss, weil ich Materialist bin. Das wissen Sie ja, für mich ist die Welt erkennbar.


(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Denken Sie!)


Sie ist nicht - nein, die Erkennbarkeit stößt an Grenzen seit Einstein.


(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Glauben Sie!)


Das wissen Sie, weil nach der Relativitätstheorie alles, was schneller ist als Lichtgeschwindigkeit, Masse gehen ins Unendliche, ist nicht erkennbar. Aber wir bewegen uns nicht in dem Bereich der Lichtgeschwindigkeit, sondern eher im Bereich der ordnungspolitisch geprägten Verwaltung, wo man nebenherlaufen kann bei manchen Entscheidungen. Insofern sage ich Ihnen, ist für mich die Welt erkennbar, glaube ich nicht an Wunder, aber ich übernehme den Begriff sehr gern und bin Herrn Fiedler dankbar für das Stichwort.


Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:


Herr Kuschel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Recknagel?


Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:


Bitte.


Abgeordneter Recknagel, FDP:


Danke schön. Eine kurze Zwischenfrage: War das nicht Heisenberg, der mit der Unschärferelation?


(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:


Ja. Heute ist der 11.11., 5. Jahreszeit, ist okay, ich nehme das zur Kenntnis. Manchmal kommt etwas Sinnvolles.


Was ich noch einmal betonen wollte, ist, 1994 war diese Verständigung zwischen dem Land, Landtag und den beiden kommunalen Spitzenverbänden zur Verteilung der Schlüsselmasse in Ordnung, dass man gesagt hat, 25 Prozent die Landkreise, 75 Prozent die kreisangehörigen Gemeinden und kreisfreien Städte, aber wir sind davon überzeugt, dieses Verteilungsverhältnis muss man noch einmal kritisch hinterfragen. Es macht keinen Sinn, den Kommunen die Zuweisungen zu geben, und sie müssen sie zum Teil an die Landkreise gleich abführen und haben aber keinen unmittelbaren Einfluss auf die Aufgabenerfüllung. Da sollten wir den Mut haben, dann ein anderes Verteilungsverhältnis zu wählen oder eben als Alternative haben wir ja angeboten, auch über Strukturveränderungen bei den Landkreisen zu diskutieren und Aufgaben auf die Gemeinden zu übertragen, die gegenwärtig die Landkreise wahrnehmen. Zum Beispiel was das Bauordnungsrecht betrifft, da habe ich überhaupt kein Verständnis mehr, weshalb die Bauleitplanung bei den Gemeinden liegt und die Bauordnungsämter bei den Landkreisen. Es gibt immer Probleme. Das könnte man auch auf die Städte und Gemeinden übertragen, dann würde sich manches Problem der Kreisumlage auch entspannen.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden uns mit etlichen Änderungsanträgen in die parlamentarische Debatte hier einmischen und beteiligen. Wir haben manche inhaltlichen Parallelen zur Landesregierung, halten nur die Herangehensweise, den Umgang mit den Kommunen für fehlerhaft. Ich habe Ihnen hoffentlich noch einmal deutlich machen können, dass Sie mit uns rechnen können, wenn es um eine sachliche Diskussion geht. Insofern bedaure ich sehr, dass wir das Verfahren im Innenausschuss aufgrund der Mehrheitsentscheidung so wählen mussten, dass zu befürchten ist, dass so ein Dialog gar nicht richtig zustande kommt, weil die kommunalen Spitzenverbände gar nicht viel Zeit haben, um sich mit Änderungsanträgen und dergleichen auseinanderzusetzen. Mit der Situation müssen wir jetzt umgehen, die hat die Landesregierung zu verantworten und die Koalition von CDU und SPD. Es wird uns weiter beschäftigen, auch über den Haushaltsentwurf 2011 hinaus. Danke.


(Beifall DIE LINKE)


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