Zukunft der Thüringer Hochschullandschaft - Evaluation des Thüringer Hochschulgesetzes 1/2

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1416 -


Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, es ist schon gesagt worden, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte dieses Thema schon im Ausschuss auf die Tagesordnung gesetzt, wir haben es jetzt auf die Tagesordnung der Plenarsitzung gesetzt, d.h. vor drei Monaten. Es ist also bereits eine lange Zeit vergangen und in der Zeit ist viel geschehen. Der Minister hat gestern schon und auch heute am Ende seiner Rede in sehr würdigen Worten auf die Bedeutung der Hochschulentwicklung, auf die Bedeutung von Forschung, Innovation und allem anderen hingewiesen. Ein wenig erinnern Sie mich an den Erwählten des Thomas Mann, der von sich am Ende sagt: Am Ende ist alles Prädestination. Nachdem er vorher einen sehr sündhaften Weg gegangen ist zum Igel, auf Igelgröße schrumpft und dann Papst wurde und seine Sünden damit erklärt hat. Sie begehen die Sünde im Hochschulbereich über 20 Mio. € zu kürzen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie heben die Rahmenvereinbarung 2 auf und dann erzählen Sie hier, wie Sie die Zukunft gestalten wollen, wie wichtig das ist und Sie stopfen mit Bundesmitteln, die den Hochschulen zustehen, den Landeshaushalt. Das ist unlauter.


(Beifall DIE LINKE)


Sie sollten es dann auch sagen. Gestern ist hier über Politikverdrossenheit geredet worden. Die Leute sind nicht politikverdrossen, sie sind mehr politikerverdrossen, die nicht das sagen, was tatsächlich geschieht und Sie kommen aus der gleichen Stadt wie ich.


(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Sagen Sie mal Namen.)


Sie sind Stadtrat, wenn auch häufig sicher aufgrund großer Belastungen in Abwesenheit, aber Sie sollten wissen, dass die Menschen sich sehr projektbezogen engagieren. Das tun auch die Leute in den Hochschulen und an den Hochschulen. Das hat der Bildungsstreik gezeigt. Das müssen Sie doch mal zur Kenntnis nehmen. Als wir vor drei Jahren hier dieses Hochschulgesetz auf den Weg gebracht haben, haben von den 25 Anzuhörenden 23 grundsätzliche Bedenken zu dieser Novelle geäußert, unter anderem Ihre Fraktion und Sie in aller Deutlichkeit, ich werde das nachher noch mal deutlich machen. Wir haben damals kritisiert, dass es zu einer Ökonomisierung der Hochschullandschaft führen wird. Das wird heute auch bestätigt. Meine Kollegin Susanne Hennig hat darauf hingewiesen, dass diese Untersuchung auch vorliegt. Wir haben darauf hingewiesen, dass es zu einem Demokratieabbau an den Hochschulen führen wird. Es wird auch, Sie haben uns das Material dann nach der Ausschuss-Sitzung zur Verfügung gestellt, von den Mitarbeitern, Studierenden und den Personalräten vorrangig kritisiert, dass ihre Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte eingeschränkt sind.


Ich will noch mal auf die Argumentation Ihrer Fraktion in der Diskussion zur Hochschulgesetzgebung aufmerksam machen. Ihr damaliger hochschulpolitischer Sprecher hielt den extern besetzten Hochschulrat für demokratisch äußerst bedenklich und die Zugriffsmöglichkeiten des Ministeriums via Ziel- und Leistungsvereinbarung für eine formulierte Ermächtigung des Ministeriums, notfalls die Entwicklungsziele und zu erbringenden Leistungen für die betreffende Hochschule einseitig festzulegen. Das erleben wir in der gegenwärtigen Haushaltsdiskussion live, und zwar mit Ihnen als Minister an der Spitze durch den Bruch der Rahmenvereinbarung II des Vertrags. Das finde ich schon interessant, das ist noch eine sehr vornehme Formulierung.

Wir haben uns Ihr Wahlprogramm angeschaut. Sie sprechen dort von einer Stärkung des demokratischen Mitspracherechts an Hochschulen. Jetzt haben Sie gesagt, das wollen Sie erst mal im Dialog noch mal erörtern, ob das wirklich so ist. Einen Systemwechsel in der Hochschulfinanzierung haben Sie auch gefordert. Der ist vollzogen worden mit diesem neuen Haushalt. Auch im Koalitionsvertrag haben Sie vereinbart, dass durch die Hochschulen eingeworbene Drittmittel weiterhin nicht auf die Hochschulfinanzierung angerechnet werden. Das Mittelvergabemodell LUBOM wird weiterentwickelt und dahin gehend modifiziert, dass es die spezifischen Hochschulprofile stärker berücksichtigt. Das wäre für uns eine interessante Fragestellung. Wie wollen Sie das machen? Welche Hochschulprofile wollen Sie stützen, welche Hochschulprofile wollen Sie nicht stützen? Bleiben wir auch bei einer Volluniversität oder wird das Ministerium vielleicht diskutieren? Es gab ja schon einmal dieses berühmte Gemmeke-Papier, wer noch was an welcher Stelle ausbildet. Das sind für uns interessante Fragen, vielleicht können Sie darauf noch mal eingehen.


Sie haben auch in Ihrem Koalitionsvertrag formuliert: Bei der ausstehenden Evaluierung des Thüringer Hochschulgesetzes wird geprüft, ob die mit der Novellierung dieses Gesetzes gewollte Stärkung der Autonomie der Hochschulen in hinreichendem Maße erreicht worden ist und ob es Änderungsbedarf hinsichtlich demokratischer Mitwirkungsrechte gibt. Das haben Sie heute noch mal bestätigt, dass Sie das überprüfen wollen. Das ist ja auch in Ordnung. Ich kann natürlich verstehen, dass die Hochschulen und die Hochschulleitungen nicht gerade sehr begeistert sind, wenn Sie schon wieder von einer neuen Novelle getroffen werden sollen und gar nicht wissen, was passiert. Es kann nämlich noch viel schlimmer kommen. Wenn ich an die damalige Debatte denke, wo der Minister a.D. Goebel und Herr Schwäblein formuliert hatten, dass zumindest die Kompetenzen des Hochschulrates nicht ausreichen, sondern gestärkt werden sollten. Wir haben uns noch mal die Zusammensetzung der Hochschulräte angesehen. Die einzige Hochschule, die in ihrem Hochschulrat Studierende als direkte Vertreter hat, ist die Fachhochschule in Nordhausen. Das finde ich schon bedenklich, denn Studierende machen einen wesentlichen Teil des Lebens einer Hochschule aus.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das sollte auch berücksichtigt werden. Dort wurde es so formuliert: Stärkung der Kompetenzen. Das ist eine interessante Frage, werden die gestärkt oder wird es noch mal anders gemacht oder wie machen wir das. Der Wegfall des Konzils wurde gepriesen. Viele Hochschulen wünschen sich das Konzil wieder als demokratischen Ort des Austausches der Angehörigen einer Hochschule - mal sehen, was kommt. Ich glaube, was das Allerschlimmste in der damaligen Debatte unter anderem auch mit war, war, dass die Kollegen damals äußerten, falls die Hochschulen mit dem Berufungsrecht nicht ordentlich umgehen, das sie ja nun haben, werde das Gesetz bereits vor 2014 wieder geändert. Es würde mich interessieren, ob Sie da Änderungsbedarf sehen oder nicht. Sie selbst, Herr Minister, damals noch Fraktionsvorsitzender, Sie sagten: Lassen Sie uns versuchen, lange Linien zu ziehen bei der Profilierung der Hochschulen und Forschungslandschaft.

Wir fordern einen Landesforschungsplan und die Weiterentwicklung des Landeshochschulplans, der ja von 2001 bis 2008 ging. Wir warten darauf, dass Sie es nun tun. Sie haben die Kompetenz, Sie können es machen. Machen Sie es gemeinsam mit den Hochschulen. Damit nicht genug, Sie sagten weiter: Es reicht doch nicht aus, hin und her zu springen; wenn ein bisschen Geld da ist, wird ein Programm aufgelegt und wenn das Geld nicht mehr da ist, wird alles wieder fallen gelassen - das haben wir gerade erlebt, Rahmenvereinbarung II.


(Beifall DIE LINKE)


Sie wollten Thüringen zum Bildungsland Nummer 1 in Europa machen, die kreativsten Köpfe nach Thüringen holen. Ich glaube, es wird schwierig, so wie das ist. Ich will noch einmal auf einige unserer Kritikpunkte hinweisen in der damaligen Debatte. Es ging um eine Macht. Wir hatten die Machtkonzentration des Präsidiums vor den anderen Hochschulgremien kritisiert. Das ist ja in dem Gesetzgebungsverfahren selbst dann etwas abgeschwächt worden. Wir haben kritisiert, dass Hochschulräte vorrangig auch extern besetzt werden, dass es zu wenig Mitwirkungsrechte der Studierenden und der Beschäftigten gibt. Wir haben kritisiert - das haben Sie heute positiver formuliert -, dass die Gleichstellungsbeauftragten zwar ein Rederecht bekommen, aber das ist es dann auch. Es ist ja schon etwas, dass sie wenigstens angehört werden, aber deren Stellung hätten wir gern gestärkt und zwar sehr. Ich muss sagen, wir können jeden unserer Anträge eigentlich heute noch einmal stellen. Ich glaube aber nicht, dass das Hochschulgesetz damit besser wird. Wir wollten damals mit unseren Änderungsanträgen das Schlimmste verhindern. Eine wirklich alternative Hochschulgesetzesnovelle müsste eine grundlegende Stärkung, man könnte sogar sagen, die Wiederherstellung der Hochschulen als Bildungsstätten, angehen. Nichts anderes ist und wird unser Ziel bleiben.


(Beifall DIE LINKE)


Auf einen Aspekt möchte ich noch aufmerksam machen, das begleitet uns seit dem Bolognaprozess III. Bei der Umsetzung des Bachelor- und Mastersystems haben wir immer wieder gesagt, dass dieser Prozess nicht zu einer Verschulung der Hochschulen führen darf, sondern dass ein Studium ein Studium sein muss, das auch viele Kompetenzen vermittelt und auch viel Zeit für breite Bildung lässt. Wir haben den Prozess erlebt, wir haben ihn hier in Thüringen erlebt, es ist kritisiert worden, dass Studierende kaum noch Zeit haben für andere Dinge, außer in schneller Zeit diese Programme abzuarbeiten. Ich persönlich habe nichts dagegen, dass man ein Studium ordentlich absolviert und auch studiert, das halte ich schon für notwendig, aber ich glaube, es führt nicht nur dazu, Module abzuarbeiten. Ein Studium ist viel weitreichender, erschließt viel mehr Möglichkeiten und diese sollten wir den Studierenden auch einräumen. Da sehe ich die Landesregierung in der Pflicht, mit den Hochschulen zu kommunizieren, dass das Studium so gestaltet wird, dass es nicht darauf ankommt, zu sagen, heute fängst Du an, in sechs oder acht Semestern hörst Du auf und dann bist du verwertbar für den Markt. Ein Studium muss weitaus mehr sein.


(Beifall DIE LINKE)


Ich erwarte von Ihnen, dass Sie darauf hinwirken. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang noch einmal auf eine Rede beziehen, die fand ich sehr interessant. Dort wird unter anderem formuliert, dass sich der Bund und die Länder in der Kompetenzfrage so verständigt haben, dass die Kompetenzen bei den Ländern bleiben. In dieser Rede geht es dann weiter: „Deutschlands Aufwendungen für den Hochschulbereich sind seit Jahren unterdurchschnittlich. Die chronische Unterfinanzierung wird in schlechten Betreuungsquoten, maroden Gebäuden sowie mangelnder Infrastruktur für Forschung und Lehre sichtbar.“ Das ist eine Botschaft auch an die Studierenden und es ist eine falsche Botschaft. Sie haben auf die Attraktivität der Studienangebote in Thüringen hingewiesen. Sie wissen aber auch, dass es durchaus Fachrichtungen gibt, wo darüber geklagt wird, dass die Laborkapazitäten nicht ausreichen, dass die Hörsaalkapazitäten nicht ausreichen, dass mit Überlasten gefahren wird. Dort haben wir alle eine Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass diese falsche Botschaft nicht ausgebaut und weitergereicht wird an die Studierenden. In dieser Rede geht es dann noch weiter, ich möchte das nicht weglassen. Und zwar wird noch einmal auf die Kompetenz aufmerksam gemacht, vieles auch zur Chefsache zu erklären, Hochschulbildung, auszubilden. Es heißt dann, es wird den Hochschulen zwar die Freiheit gewährt, ohne das aber wirklich mit einem neuen Aufbruchimpuls und mit den nötigen Ressourcen zu unterlegen. Manche Hochschulen können deshalb ihren Reformauftrag nicht untersetzen. Es heißt weiter - da komme ich noch einmal auf die Situation der Studierenden insgesamt zu sprechen, zum Studieren und zum Studium gehört auch die Freiheit und die Zeit, im Studium nicht nur Fakten und Methoden wissenschaftlichen Arbeitens zu erlernen, sondern auch über das Wozu nachzudenken, über das Sein und Sollen der Wissenschaft. Wissen ohne Verantwortung, Bildung ohne Herzensbildung, das ist hohl und leer und ohne jeden Klang. Diese Zitate stammen nicht von Angehörigen meiner Partei, sondern vom ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Ich denke, er hat da sehr wahre Worte über die Situation an den Hochschulen gesagt. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE)


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