Zukunft der Schulen in freier Trägerschaft sichern

Zum Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 5/1412 -


Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Eber, Herr Weinrich, als der Antrag kam, eine Aktuelle Stunde zum Thema im letzten Plenum zu machen, da haben wir schon einmal die Argumente eigentlich alle ausgetauscht. Ich war deshalb ein bisschen überrascht, als dieser Antrag der FDP nun heute wieder zur Debatte steht und dachte, der Hintergrund ist dieser Zeitungsartikel: „Walsmann will bei freien Schulen stärker sparen - Finanzministerin verlangt dreimal so hohen Betrag, wie Matschie geplant hat.“ Das ist natürlich eine alarmierende Meldung. Das sehe ich auch so und wenn das der Anlass für diesen Antrag war, dann ist auch gerechtfertigt, hier zu debattieren. Allerdings nach der Rede von Frau Hitzing habe ich so das Gefühl, wir machen schon die 0. Lesung. Den Gesetzentwurf, den haben wir zwar als Referentenentwurf schon zugestellt bekommen, aber ob der dann so bleibt, der ist, glaube ich, noch nicht in zweiter Lesung durchs Kabinett; ja, darüber kann man eigentlich noch gar nicht so richtig reden. Ich bin aber all denen, die uns die Zuschriften zur Stellungnahme geschickt haben, dankbar, weil man auch in dem Gesetzentwurf natürlich schon einmal nachvollziehen kann, was die Grundlage oder Intention möglicherweise auch dieses Antrags war.

Ich bin auch überrascht, Frau Hitzing, wie man vor der Mittagspause gewissermaßen, was wir da diskutiert haben - reformpädagogische Ansätze, neue Bewertungsformen bis hin zum Abschaffen des Sitzenbleibens - so ein bisschen als Teufelszeug, was in einer öffentlichen Schule gar nicht gehen würde, beschreibt und jetzt nach der Mittagspause das hohe Lied darauf singt, da bleibt mir eigentlich der Mund offen stehen, aber gut. Ich würde Ihnen empfehlen, denn ich habe gehört, dass Sie noch arbeiten: Machen Sie einfach mal eine Wahlkreiswoche - ach nein, da sind ja die Ferien, also muss es eine andere Woche sein -, mal ein Praktikum in einer freien Schule, egal, ob das ein kirchlicher Vertreter ist oder eine andere Schule, das sind alles gute Schulen, dann sehen Sie, dass man sogar ohne Note, ohne Sitzenbleiben und mit anderen Bewertungsformen richtig gute Schule machen kann.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dann würde ich die Worte, die Sie hier sprechen, auch ernst nehmen. Allerdings muss ich Ihnen auch klar sagen, und da mache ich auch nie einen Hehl daraus, dass Ihre Vision, zwei Drittel der Schulen als freie Schulen möglicherweise mal entwickelt zu haben, so wie das in den Niederlanden ist, nicht unser Ziel ist. Das ist nicht ganz so einfach, weil ich nicht nur nicht wüsste, was mit den vielen Beamten dann zu tun ist, denn nicht alle können Abgeordnete werden.


(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einstellung der Verbeamtung.)


Ja, die Verbeamtung einzustellen, ist der allererste Schritt. Aber prinzipiell hätten wir dann wiederum völlig erhöhte Kosten, könnten die Menschen gar nicht einsetzen. Und wenn sie dann wiederum die Finanzierung der freien Schulen an diese Kosten im staatlichen System binden würden, das wäre dann irgendwann nicht mehr bezahlbar, zumindest nicht mit Ihren Haushaltsvorschlägen, die Sie beim letzten Mal gemacht haben.

Ich möchte also noch einmal darstellen, von welcher Position aus wir diskutieren und jeder weiß, dass wir die freien Schulen in ihrer Arbeit sehr hoch anerkennen und achten und da auch keine Einschränkung wollen. Allerdings ist unser oberstes Ziel, die Verbesserung der Qualität von Bildung und Chancengerechtigkeit, da meinen wir alle Kinder im Freistaat damit. Wie das auch vorhin in der Debatte schon angeklungen ist, ich muss als Eltern die Chance haben, relativ nah eine Schule zu erreichen, möglichst dort alle Abschlüsse angeboten zu kriegen und auch sicher sein zu können, dass es eine gute Schule ist. Wenn es dann noch sein könnte, dass es irgendwann keinen Unterschied zwischen freien und staatlichen Schule gäbe und auch kein Schulgeld bezahlt werden müsste, dann wäre möglicherweise die Vision erfüllt. Der Bildungsbereich kann und darf kein Ort für Sparen und Haushaltssanierung sein, auch nicht für Frau Walsmann.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Somit kann es eigentlich auch keine Überfinanzierung des staatlichen Schulsystems geben, so wie es der Bildungsminister Matschie irgendwann behauptet hat. Ich hoffe, die Zeitungen haben das nicht falsch verstanden. Die vom Land eingesetzten Mittel werden derzeit allerdings nicht in der notwendigen Effektivität eingesetzt, das wissen wir, aber das rechtfertigt die Reduktion der Bildungsausgaben nicht. Die Schulen in freier Trägerschaft mit deren Kindern erfüllen ihre Schulpflicht und haben das Recht dazu nach Grundgesetz und Thüringer Verfassung, das hat Frau Hitzing schon gesagt. Sie sind auch an die Verfassung gebunden, das heißt, soziale Benachteiligung oder Ausgrenzung darf auch bei freien Schulen nicht erfolgen. Insofern sind unseres Erachtens freie Schulen in die Lage zu versetzen, perspektivisch auch ohne die Erhebung von Schulgeld existieren zu können, beispielsweise wie die Emil-Petri-Schule in Arnstadt das schon vormacht und viele andere Schulen auch. Allerdings muss man das an bestimmte Bedingungen knüpfen, das habe ich beim letzten Mal in der Debatte schon gesagt. Das heißt, die freien Schulen müssen sich in regionale Schulnetzplanungen einbinden lassen und es müssen auch einheitliche Tarifregelungen umgesetzt werden - ich glaube in Sachsen beginnt man schon damit, wenn ich das richtig verstanden habe -, so dass also ein Lehrer an einer freien Schule nicht viel weniger Geld bekommt und viel länger arbeiten muss. Nur die gute Berufszufriedenheit rechtfertigt das nicht. Gleichzeitig darf auch keine Segregation erfolgen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass in einer bestimmten Region so und so viele Kinder mit Hartz-IV-Bezug existieren und das müsste sich spiegelbildlich auch in so einer freien Schule abbilden. Diesen Differenzbetrag könnte das Land auch völlig ausfinanzieren. Dann hätte man zumindest die gleiche spiegelbildliche soziale Herkunft der Kinder, die in den Schulen lernen.


Die Reformbemühungen, die wir für alle Schüler haben, die gelten meines Erachtens auch für freie Schulen. Das heißt, gemeinsamer Unterricht, individuelle Förderung, Ganztagsschule, längeres gemeinsames Lernen sind auch Ziele für freie Schulen. Da brauchen sie natürlich ausgebildetes und ausreichendes Personal. Was allerdings in diesem Gesetzentwurf steht, sollte er so bleiben, ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Schulämter. Das kann so nicht bleiben. Wenn man nichts Besseres vorhat und nicht weiß, wie man den Run auf die freien Schulen eindämmen will, außer dass man Zwänge auferlegt, die in Bürokratie ausarten, das empfinde ich als eine Zumutung, weil ich denke, Bildungserfolg darf sich nicht daran messen, ob und welcher Lehrer wann angemeldet welche Arbeit tun kann, und im Zweifel hat man halt einmal 14 Tage irgendwelche Ausfälle, weil man den Schulen das Recht der eigenständigen Organisation nicht mehr zugestehen will. Das kann so nicht sein, das ist die blanke Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Schulämter und ich habe das schon oft gesagt, auch von diesem Pult aus, die braucht man einfach nur auflösen, dann hat man auch eine große Einsparung und dann haben wir auch endlich die Eigenständigkeit der staatlichen Schulen erreicht. Ich glaube, die können das sogar sehr viel besser organisieren.


(Beifall DIE LINKE, FDP)


Zu Ihrem Antrag will ich nur noch Folgendes sagen: Man muss ehrlich bleiben in der Debatte und das habe ich schon beim letzten Mal vermisst, deswegen möchte ich einmal auf die einzelnen Punkte eingehen. Sie schreiben unter Punkt 1: die Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft auch langfristig nicht zu kürzen. Das wollen wir auch. Die Frage ist nur, was man darunter versteht. Im Haushalt steht jetzt ein bestimmter Betrag drin. Wenn wir den so drinstehen lassen würden, wäre das dann die Erfüllung Ihres Punkts 1? Ich weiß es nicht. Denn es sind ja jetzt auch eine ganze Menge mehr Schulen mittlerweile bestätigt, das heißt mehr Kinder, mehr Schulen, wenn man bei der Finanzierung pro Schüler bleibt, heißt das mehr Geld. Wenn das für Sie mehr Geld heißt, weil das Nichtkürzen doch mehr Geld bedeutet, dann muss man wiederum sagen, wo man das wegnimmt. Die Vorschläge, die Sie da in der letzten Haushaltsdebatte gemacht haben, im Bildungs- und Kulturbereich 90 Mio. € zu sparen und alleine bei den angestellten Lehrerinnen und Lehrern alles wegzukürzen, das kann auch nicht unser Weg sein. Also da muss man dann schon ehrlich sagen, was Sie meinen, wenn Sie sagen, die Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft auch langfristig nicht zu kürzen. Wenn zum Beispiel das Ziel ist, zwei Drittel aller Schulen in Thüringen sollen freie Schulen sein, dann kann man natürlich mit dem jetzigen Betrag nicht umgehen. Also muss man konkret sagen, was man will. Gleichzeitig heißt es natürlich, jede neu zugelassene Schule bedeutet im staatlichen Schulsystem einen gewissen weiteren Überhang von Beamten. Das heißt, das habe ich vorhin schon gesagt, dass die Kosten pro Schüler natürlich ansteigen und wenn man das wiederum koppelt, also die Finanzierung der freien Schulen daran koppelt, dann bedeutet das eine Erhöhung der Kosten für alle. Das kann man wollen, das ist in Ordnung, aber man muss dann auch dort fragen, ob das wirklich effektiv eingesetztes Geld ist.


Zum Zweiten, die Berechnung der Kostenzuschüsse nicht von den Schülerkosten bei den Schulen in öffentlicher Trägerschaft zu entkoppeln: Das sehe ich im Prinzip auch so, wobei man natürlich das, was ich jetzt gerade versucht habe zu argumentieren, dabei auch im Blick haben muss. Wir haben nun einmal nur 17.000 Schüler pro Jahrgang in Thüringen und das Schülertal ist durch und jede neu zugelassene freie Schule heißt, dass dort weniger Schüler sind, dort mehr Schüler sind und wenn man das gewissermaßen nach wie vor koppelt, dann muss man auch wissen, was das letzten Endes heißt.


(Zwischenruf Abg. Recknagel, FDP: Da wollten Sie doch Wettbewerb haben.)


Ich will keinen Wettbewerb in Schulen, das sage ich Ihnen auch offen. Ich will einfach gute Schulen für alle. Das ist unser grundsätzlicher Unterschied, aber den kennen wir ja. 
Drittens, die Landeskinderklausel in Thüringen einzuführen: Da muss ich sagen, da bin ich auch dagegen und ich hoffe, meine Fraktion folgt. Ich wohne in Altenburg. Das ist sozusagen diese Enklave da in Thüringen und da ist der Weg nach Sachsen-Anhalt und Sachsen nicht weit und die Menschen bei uns, die stellen mittlerweile auch infrage, dass es Thüringen geben muss, einfach weil immer über die Kosten gesprochen wird. Aber was wir als Chance empfinden, ist, dass wir beispielsweise ein christliches Gymnasium in der Nähe des Bahnhofs haben und eine ganze Menge Kinder aus Sachsen und Sachsen-Anhalt dort sind, weil wir eigentlich auch hoffen, dass sie von Altenburg dann eine gute Erinnerung an ihre Schulzeit haben und vielleicht einmal wiederkommen, weil wir dann sicher auch irgendwann einen richtig hohen Fachkräftemangel haben.


(Beifall DIE LINKE)


Wenn wir allerdings die Landeskinderklausel einführen würden, würde das bedeuten, sie müssten sich wahrscheinlich Scheinwohnungen anmieten, um Altenburger zu werden. Gut, dann kann man das wollen, aber ob das tatsächlich politisch ehrlich und transparent ist, weiß ich nicht. Also ich denke, ähnlich wie bei Studenten, man kann sich nicht abschotten, das wäre kontraproduktiv.


(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Viertens, nach dem Grundsatz zu handeln, dass dem Land alle Kinder gleich viel Wert sein sollen: Das klingt meines Erachtens gut, ist eine populistische Aussage, die man eigentlich nicht ablehnen kann, aber man muss natürlich auch sagen, was sich konkret dahinter verbirgt. Das Gesetz jetzt nicht zu verändern, das hieße allerdings, unehrlicherweise dann sagen zu müssen, wo das Geld herkommen soll, wenn man dem Aufwuchs der freien Schulen einfach so zuschaut, ohne Bedingungen zu stellen, ohne sicherzustellen, dass gleiche Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen und an freien Schulen herrschen, und ohne sicherzustellen, dass die kommunalen Gebietskörperschaften in der Schulnetzplanung noch ein Wort mitreden können. Das können wir also so nicht mittragen und wir werden Gelegenheit haben, wenn dann der Gesetzentwurf im Ausschuss und auch in der Anhörung diskutiert wird, darüber zu reden. Ich bin auch froh, dass wir die Möglichkeit haben und schon eingeladen sind zu mehreren runden Tischen, um uns auch verständlich zu machen, weil ich annehme, dass auch seitens der Träger vielleicht noch die eine oder andere gute Idee kommt zu den Problemen, die ich hier aufgeworfen habe, weil man die nur miteinander lösen kann. Die Daumenschraube des Geldes anzuziehen, so wie das die Frau Walsmann hier offensichtlich will, das kann nicht sein. Ich sage, wenn wir Thüringen als Land der Reformpädagogik weiter nach außen tragen wollen und gute Schule auch zeigen und machen wollen und letzten Endes auch den staatlichen Schulen beweisen wollen, dass man mit solchem „Teufelszeug“, wenn man mit reformpädagogischen Ansätzen gute Schule machen kann, dann dürfen wir nicht zulassen, dass nur noch die Eltern ihre Kinder dort hinbringen können, die die Schulwege selber übernehmen und auch noch Schulgeld dafür bezahlen. Das wollen wir nicht, aber man muss auch ehrlich in der Debatte überlegen, wie man es dann miteinander bespricht und regelt. Aber überlassen Sie das nicht den Schulämtern, da die Daumenschraube anzuziehen, das ist unfair.


Als letzter Satz: Uns ist jedes Kind gleich viel Wert und - wie ich schon sagte - in der Hoffnung, dass es nach wie vor in Thüringen, auch wenn wir sehr viel weniger Einwohner werden, kurze Wege zu den Schulen gibt, gute Schule überall angeboten wird und Eigenständigkeit das Ziel ist, und im Endeffekt ist es den Eltern dann egal, ob es eine freie oder eine staatliche Schule ist. Lassen Sie uns daran arbeiten.


(Beifall DIE LINKE)

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