Zehn Jahre NSU-Aufklärung in Thüringen – Kein Schlussstrich!

Katharina König-Preuss

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 7/4331

 

Danke schön, Frau Präsidentin. Danke schön an die SPD, insbesondere an Dorothea Marx, für die Aktuelle Stunde, die wir heute hier haben. Mir fällt schon auf, dass in keinem der Redebeiträge vorher auch nur ein Name der Ermordeten genannt wurde und gleichzeitig darüber gesprochen wird, keinen Schlussstrich zu ziehen, und die Namen der Ermordeten nicht in unser Bewusstsein übergegangen sind. Deswegen will ich die Namen wenigstens einmal sagen: Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat, Michelle Kiesewetter. Dorothea Marx hat vorhin von elf Menschen gesprochen.

 

Zehn wurden ermordet, ein Elfter ist zwischenzeitlich an den Spätfolgen verstorben, Herr Özer, der in der Keupstraße in Köln bei dem Sprengstoffanschlag schwer verletzt wurde.

Es wird darüber gesprochen, keinen Schlussstrich zu ziehen, und gleichzeitig geht mir die ganze Zeit durch den Kopf: Ich war gemeinsam mit Madeleine Henfling am 04.11. mit Semiya Şimşek hier in Thüringen unterwegs und auch am 05.11. und am 06.11. noch. Bis heute hat sich kein Einziger der damals beteiligten Polizeibeamten bei ihr entschuldigt. Kein Einziger, weder jemand aus Thüringen, die mitverantwortlich sind für die Nichtfeststellung der drei im Untergrund, für die Ermittlungen bei der Suche nach den Dreien, noch irgendeiner der beteiligten Polizeibeamten, die in der dann eingerichteten BAO eingesetzt waren – niemand. Niemand aus den Sicherheitsbehörden, von den Verfassungsschutzbehörden – keiner. Kein Innenminister, niemand hat sich bei ihr entschuldigt bis heute. Ich finde das krass, ich finde das richtig krass.

 

Wir stellen uns hier hin und reden darüber, keinen Schlussstrich zu ziehen, und sind nicht mal in der Lage dazu, denen, gegen die rassistische Ermittlungen durchgeführt wurden, auch eine Entschuldigung auszusprechen, wenn wir selbst in irgendeiner Form damals mitbeteiligt, verantwortlich eingesetzt waren. Es geht nicht darum, Schuld damit einzugestehen, sondern Verantwortung zu übernehmen.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ich will gar nicht über das reden, was hier der eine da erzählt hat, das war einfach in großen Teilen wirklich Quatsch. Es ist hier hervorgehoben worden die zum 10. Jahrestag stattgefundene bundesweite Organisation von unter anderem kulturellen bildungspolitischen Veranstaltungen. Ja, da waren schon wirklich gute Veranstaltungen mit dabei, aber ganz im Ernst: Ich sage nicht an erster Stelle Danke an diejenigen, die zum 10. Jahrestag mit viel staatlichen Fördermitteln unterstützt Aktivitäten auf die Beine gestellt haben, sondern ich sage Danke an die Antifaschisten und Antifaschistinnen, die seit mehr als zehn Jahren und seit zehn Jahren insbesondere im NSU-Komplex versuchen, zur Aufklärung, und zwar zu einer transparenten Aufklärung beizutragen, an erster Stelle NSU-Watch, an zweiter Stelle „NSU-Komplex auflösen“, aber genauso auch den ganzen kleinen antifaschistischen Recherchegruppen bis hin zu den antifaschistischen Magazinen. Denen sollte unser Dank gelten, weil die diejenigen sind, die wirklich keinen Schlussstrich ziehen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Neben der immer noch nicht stattgefundenen Umsetzung der Forderungen, auch der gemeinsamen Forderungen, Herr Kellner, aus den beiden NSU-Untersuchungsausschüssen oder auch aus der Enquete-Kommission Rassismus, die auch unter der rot-rot-grünen Landesregierung bisher nicht konsequent umgesetzt wurden und werden – dazu gehört auch die endlich zu erfolgende Umsetzung der Studie zu Todesopfern rechter Gewalt, die seit drei Jahren noch nicht erfolgt ist –, gibt es noch ein paar andere Sachen.

 

Wir haben als Fraktion Die Linke im Kontext des zehnten Jahrestags ein Maßnahmenpapier mit 20 Punkten veröffentlicht. Ich will nur kurz zwei Punkte erwähnen, die wir für sehr wichtig halten. Das eine ist das endlich einzuleitende Verbotsverfahren gegen die Turonen und Garde 20, aber genauso auch gegen den Verein Gedächtnisstätte e. V. mit Sitz in Guthmannshausen, um zum einen den militanten und zum Zweiten den ideologischen Grundlagen sozusagen endlich auch die weiteren Wirkungsmöglichkeiten zu entziehen. Das halten wir für notwendig. Darüber hinaus halte ich es für notwendig – letzter Satz –, dass die Ministerien vielleicht auch mal schauen, an wen sie Aufträge vergeben und mit wem sie zusammenarbeiten und ob es wirklich notwendig ist, Aufträge an Firmen zu erteilen, in denen Unterstützer des NSU-Kerntrios arbeiten oder die sogar Unterstützern des NSU-Kerntrios gehören oder ob man da nicht mit einer höheren Sensibilität vorgehen könnte und sagen könnte, kein Schlussstrich bedeutet auch keine Unterstützung von Unterstützern des NSU.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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