‚Workers Memorial Day‘ am 28. April 2023 – Arbeitsschutz in der Baubranche in Thüringen ernst nehmen und nachhaltig absichern
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 7/7790
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, ganz besonders möchte ich heute auf der Tribüne unsere Gewerkschaftssekretäre der IG Bau Thüringen begrüßen, den Bundesfachgruppenvorsitzenden der Dachdecker sowie die Betriebs- und Personalräte aus den Bereichen Bau, Forstwirtschaft und Gebäudereinigung, herzlich willkommen hier im Thüringer Landtag.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Thema der Aktuellen Stunde meiner Fraktion ist kein geringeres als ein Appell zum Ausbau des Arbeitsschutzes. Dafür möchte ich Sie alle auf den 28. April aufmerksam machen. An diesem Datum – also in zwei Tagen – findet der jährliche Workers‘ Memorial Day statt. An diesem Tag wird an die zahlreichen Lohnarbeitenden erinnert, die während der Ausübung ihrer Arbeit an der Arbeitsstelle erkrankten, verletzt oder getötet wurden.
Seit dem ersten Workers‘ Memorial Day sind mittlerweile mehr als hundert Jahre vergangen. Dennoch verzeichnen wir auf internationaler und auch nationaler und Landesebene immer wieder eine Vielzahl an Arbeitsunfällen. So sind allein hier bei uns in Thüringen im letzten Jahr über 20.000 meldepflichtige Arbeitsunfälle verzeichnet worden, elf dieser Unfälle verliefen tödlich. Das dürfen wir als Gesellschaft und das dürfen wir als Politik nicht einfach so hinnehmen. Ich glaube, das darf uns nicht kaltlassen. Arbeit darf weder töten noch krank machen.
Das diesjährige Motto des Aktionstages ist es, unsichtbare Gefahren sichtbar zu machen. Unsichtbare Gefahren – das kann ganz Unterschiedliches sein. Denken wir nur an fehlende Erholungszeiten der Beschäftigten, an extreme Wetterverhältnisse, aber auch an unsichtbare Gefahrenstoffe in der Luft wie zum Beispiel Asbest. Beschäftigte mit Asbestkontakt haben ein fünffach erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Bei Raucherinnen ist es sogar ein fünfzigfaches Risiko.
Ich möchte aber bei der Sichtweise auf das Unsichtbare noch einen weiteren Aspekt in den Fokus der heutigen Debatte rücken: Das ist die Gefahr, die von fehlender Sichtbarkeit bestimmter Branchen und Berufsfelder ausgeht. Denn wenn ich nach oben schaue, gerade in den Bereichen Bau, Forstwirtschaft und Gebäudereinigung: Das sind alles Tätigkeitsfelder, die in unserer Gesellschaft häufig unsichtbar und unerkannt bleiben, die keine oder die geringe Anerkennung erfahren, für die nicht auf Balkonen geklatscht wurde, für die keine Sondersendungen im Fernsehen laufen und die doch jeden Tag harte und wertvolle Arbeit leisten. Es sind auch die Branchen, die insbesondere mit öffentlichen Geldern finanziert werden, also Bereiche, in denen wir alsdann die Möglichkeiten haben und auch die Möglichkeiten nutzen sollten, um unsere Beschäftigten besser zu schützen.
Lassen Sie mich das am Beispiel des Bauwesens kurz ausführen. Die nach wie vor sehr gute Auftragslage in der Baubranche führt allzu oft dazu, dass die Sicherstellung des Arbeitsschutzes zugunsten der vollen Auftragsbücher auf dem Rücken der 14.000 Beschäftigten der Thüringer Baubranche vernachlässigt wird. Da fehlt es an Erholungszeiten, da ist die starke und ständige physische Belastung, die sich eben massiv und langfristig auch auf die Gesundheit der Beschäftigt auswirkt. Im Winter wird bei fehlender Schutzkleidung und immenser Kälte auf dem Bau gearbeitet und im Sommer arbeiten beispielsweise im Straßenbaubereich die Beschäftigten oft bei extremer Hitze. Es sei auch angemerkt, die Folgen des Klimawandels werden in den kommenden Jahren hier in Deutschland besonders in der Zunahme der Extremwetterlagen für genau diese Beschäftigten zu spüren sein.
Wir fordern als Linksfraktion daher einen konsequenten Arbeitsschutz in Thüringen und wir können den glücklicherweise auch mit dem Thüringer Vergabegesetz kombinieren. Hier sehen wir, dass es nachgeschärft und auch um die kommunale Ebene erweitert werden muss, nachgeschärft, damit klare und einheitlich definierte Arbeitsschutzkriterien eben nicht einfach auf Kosten der Beschäftigten umgangen werden können, und erweitert, damit auch die zwei Drittel der kommunalen Aufträge, in Thüringen für die bisher die Vorgaben des Vergabegesetzes nicht gelten, abgedeckt werden könnten.
Es ist aber bei all diesen Verschärfungen und Verbesserungen natürlich auch klar, dass es auch darum gehen muss, die Kontrollen so zu halten, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wissen, dass sie kontrolliert werden. Dank der rot-rot-grünen Koalition konnten wir in den letzten Haushalten hierfür auch genügend Mittel einstellen, um den Bereich der Arbeitsschutzkontrollen personell aufzustocken. Ich möchte aber daran appellieren, dass wir das auch in den nächsten Haushaltsverhandlungen beibehalten, denn es ist kein Add-on, was wir irgendwie erledigen können, wenn genug Geld da ist, sondern das ist ganz fundamental wichtig, um die Einhaltung des Arbeitsschutzes und eben auch gegebenenfalls Ahndung möglich zu machen.
Ich freue mich wirklich, dass wir getreu dem heutigen Motto „unsichtbare Gefahren sichtbar machen“ hier im Thüringer Landtag reden, denn Arbeitsschutz ist kein Geschenk der Arbeitgeber, sondern das Recht aller Beschäftigten. Herzlichen Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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