Weitere Stärkung und Entwicklung der Digitalisierung des Thüringer Schulwesens

Torsten Wolf

Zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/1270

 

Schönen guten Morgen, schönen guten Tag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, es ist jetzt schon vieles gesagt worden. Einleitend möchte ich noch einmal feststellen, was Kollegin Rothe-Beinlich schon angetippt hat: Viele Menschen im Land fragen sich, wie es jetzt weitergehen soll. Ich denke, hier kann man – wie auch bei anderen Anträgen und anderen Vorhaben – exemplarisch sehen, dass sich fünf demokratische Fraktionen, wenn es um Sachpolitik, um konkrete Inhalte geht, sehr wohl auf eine gemeinsame Politik verständigen können. Diese Politik ist dann auch noch – oh Wunder, welch Wunder – mit dem Bildungsministerium abgestimmt und ergänzend zu dem, was das Bildungsministerium, was das THILLM, was die Schulen vor Ort tagtäglich praktizieren. Ob das eine Blaupause ist, weiß niemand. Aber man sieht, die demokratischen Fraktionen sind handlungsfähig.

 

Um was geht es nun: Es wird häufig gesagt, Digitalisierung ist wie ein Epochenwechsel. Das stimmt auch. Als Mitte des 15. Jahrhunderts Gutenberg den Buchdruck erfunden hat, wurde wahrscheinlich genauso darauf geguckt. Damals gab es nur wenige, die überhaupt lesen konnten. Es waren meistens Menschen des höheren Standes, meistens irgendwelche Mönche in den Klöstern. Was niemand gedacht hatte, war, welche tiefgreifenden Auswirkungen der Buchdruck selbst mit sich brachte.

 

Vor dieser Situation stehen wir heute auch wieder: Digitalisierung verändert all unsere Lebensbereiche. Und natürlich verändert Digitalisierung auch die Bildung. Was denn sonst? Denn diejenigen, die heute in den Schulen sind, diejenigen, die heute eingeschult werden, die Kinder sind in den nächsten 40, 50 Jahren mit diesen Prozessen konfrontiert. Und jetzt erinnern wir uns mal zurück, wie die Welt vor 40, 50 Jahren aussah. Sie können das sehr gut, Sie leben ja noch darin als AfD, aber tatsächlich ist es ja so, dass vor 40, 50 Jahren, wenn ich mal so zurückerinnere, ich glaube, da wurde gerade mal der Kat erfunden, also der Katalysator, da hat man darüber diskutiert. Heutzutage, das wissen wir auch, sprechen wir über E-Autos, über ganz andere Verkehrskonzepte, genauso selbstverständlich wie eben über die Digitalisierung.

 

Nun kann man sagen: Okay, alles schlimm, alles schlecht, was da kommt – wie es die AfD macht. Deswegen steht sie ja unter anderem auch nicht auf dem Antrag. Ich will es mal so sagen: Wenn ich meinem Kind Fahrradfahren beibringe, dann kann ich meinem Kind vorher lange erklären, wie schlimm das ist, dass man hinfallen kann und wie groß die Gefahren des Fahrradfahrens sind. Oder aber ich unterstütze mein Kind und bringe es in die Situation, dass es Vertrauen zu sich selbst entwickelt, Vertrauen darin, dass andere Verkehrsteilnehmer auf mein Kind auch Rücksicht nehmen, und eben auch Vertrauen darin, dass die Straßenverkehrsordnung genauso gilt, wie dass die Straßen eben sicher sind. Das ist unsere Aufgabe als Gesellschaft. Fahrradfahren lernen – und das verlernt man ja bekanntlich nie – ist von daher vergleichbar, wenn es um die Entwicklung unserer Kinder geht, genauso wie Bildungsprozesse, die sich immer mehr digitalisieren werden und schon digitalisiert sind.

 

Als Weiteres möchte ich aber auch – und das ist mir wirklich wichtig, gerade weil, wie ich gestern auch schon zitiert habe, der Sachverständigenbeirat der Landesregierung auch deutlich sagte, dass wir noch nicht aus der Pandemie raus sind – vor allen Dingen danke sagen, danke für die Vorbereitung des Ministeriums, des ThILLM, was die Schulcloud anbetrifft, danke für die umfangreichen Möglichkeiten zur Förderung seitens des Bundes und des Landes für die Schulen, was die Ausstattung anbetrifft. Selten gab es mehr Geld in kürzester Zeit für einen Prozess als in diesem Bereich. Und vor allem möchte ich mich natürlich bei den Lehrkräften bedanken, die sich in der Pandemie, in Zeiten des Distanzlernens – und da gab es sehr, sehr, sehr viele, nicht alle, aber sehr viele – mit diesen neuen Medien auseinandergesetzt haben, das umgesetzt haben für ihre ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler, damit diese in schwieriger Situation bestmögliche Lernerfolge erzielen. Wir wissen, das ist nicht eins zu eins Unterricht, das war es auch nie, das soll es auch gar nicht sein, aber wir wissen, wie groß die Aufgabe war. Von daher seitens meiner Fraktion herzlichen Dank an alle Lehrkräfte, die sich dieser Aufgabe gestellt haben.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, wir befinden uns ja nunmehr bereits im 21. Jahr des 21. Jahrhunderts. Unser Alltag ist bestimmt von digitalen Endgeräten, Angeboten von Dienstleistungen, immer mehr Lebensbereiche erfahren eine Digitalisierung. Das geht an uns Menschen nicht spurlos vorüber, vor allen Dingen aber auch nicht an den jüngsten Mitgliedern unserer Gesellschaft, unseren Kindern und Jugendlichen. Die Bildungseinrichtungen, unsere Bildungseinrichtungen, vor allem unsere Schulen, die in unmittelbarer Verantwortung des Freistaats liegen, sind gefordert, dem Thema „Digitalisierung“ angemessen zu begegnen. Das fängt bei der Aus- und Fortbildung unserer Lehrkräfte an, geht weiter über die Bildungs- und Lehrpläne bis hin zu den Anforderungen an moderne Lehr- und Lernmittel. Zudem gilt es, viele Voraussetzungen und Rahmenbedingen in unseren Schulen zu schaffen, aber auch darüber hinaus externe Unterstützung zu organisieren.

 

Mit unserem Antrag haben wir Schwerpunkte definiert. Und es ist jetzt natürlich nicht angemessen und nicht möglich, ich fordere trotzdem alle Menschen, die uns im Livestream oder auch als politisch Interessierte begleiten, auf, diesen Antrag noch mal zu lesen. Trotz alledem haben wir – denke ich mir – die richtigen Schwerpunkte setzen können.

 

Leistungsfähige digitale Infrastruktur: Gemeinsam mit der kommunalen Familie wollen wir die besten Bedingungen vor Ort schaffen. Dazu sollen überall ausreichend starke Internetanschlüsse für Schulen und Haushalte als Voraussetzung für digitales Lernen entstehen. Wir wissen, dass das nicht nur die digitalen Anschlüsse sind. Manchmal sind die Schulen von den Schulträgern so schlecht ausgestattet, dass noch nicht mal ein ordentliches Elektronetz da ist, um überhaupt Geräte aufladen, nachladen zu können, um Server betreiben zu können etc. Da liegt eine Riesenaufgabe vor den Schulträgern und vor uns als Gesellschaft.

 

Zudem wollen wir kommunale Medienzentren zu regionalen IT-Servicezentren weiterentwickeln. Auch die Ausstattungsempfehlungen sollen überarbeitet werden und den Bedürfnissen der verschiedenen Standorte und Schulformen gerecht werden. Dazu sollen auch Media Labs als Best Practice Beispiele eingerichtet werden, schließlich soll Schulverwaltungssoftware als Komplettlösung für alle Aufgaben vor Ort geschaffen und entwickelt werden, um digitale Schulverwaltung benutzerinnenfreundlich gestalten zu können.

 

Zum Thema „Ausstattung mit digitalen Endgeräten“: Hier muss der Bund seine finanzielle Beteiligung verstetigen. Dafür soll sich die Landesregierung einsetzen, wofür wir uns aussprechen. Wir brauchen kompatible, barrierefreie Dienstgeräte für alle Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Endgeräte für Schülerinnen und Schüler. Dazu sollend endgeldfreie Leihgeräte zur Verfügung gestellt werden und diese auch in die Lehr- und Lernmittelverordnung aufgenommen werden. Für eine Übergangszeit können und sollen auch private Geräte genutzt werden können. Hier gibt es verschiedene Diskussionslagen an den Schulen. Manche Lehrkräfte haben sich eigene Geräte gekauft, würden die gern weiter nutzen. Es ist aber gerade wichtig, dass wir von einheitlichen Standards ausgehen, damit sowohl Schüler und Schülerinnen als auch Lehrkräfte diese später auch prüfungsrelevant nutzen können. Es braucht also klare Regelungen.

 

Die Qualifizierung der Lehrkräfte: Diese ist der Schlüssel für digitale Bildung. Daher soll digitale Bildung als Pflichtteil der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften implementiert werden, vor allem in den Ausbildungscurricula von Studium und Vorbereitungsdienst. Aber auch Kapazitäten in der Fort- und Weiterbildung wie zum Beispiel technische, organisatorische, pädagogische Umsetzung und Unterricht mit digitalen Mitteln sollen ausgebaut werden. Schließlich möchten wir Fortbildung in den Themenbereichen verbindlicher gestalten.

 

Zum Thema „Digitale Lehr- und Lernmittel, Mediennutzung und digital gestützter Unterricht“: Digitale Bildung soll als Querschnittsaufgabe fächerübergreifend in allen Lehrplänen und auch durch verantwortungsvolles Medien- und Nutzungsverhalten berücksichtigt werden. Wir möchten Schulen mit Ressourcen dabei unterstützen, dass alle baldmöglichste ein medienpädagogisches Konzept haben. Das war mal Bedingung im Digitalpakt I. Wir mussten davon abweichen. Die Schulen sollen aber weiter darin unterstützt werden, ein medienpädagogisches Konzept als verbindliche Grundlage der pädagogischen Arbeit und der Ausstattung mit digitalen Medien sicherzustellen. Ein landesweites Zulassungsverfahren für pädagogische Lernsoftware unter Berücksichtigung von Kompatibilität mit den zur Verfügung gestellten Endgeräten soll etabliert werden.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen, Datenschutz und -sicherheit – ganz wichtiges Thema –: Wir wollen klären, ob und wie bei ausreichender Ausstattung der Lehrkräfte und Schüler/-innen mit digitalen Geräten zur Arbeit damit verpflichtet werden können. Zudem sollen digitale Lernformate und das Distanzlernen auch nach der Pandemie in den Schulalltag integriert werden können, wenn Lehrer/-innen bzw. Schüler/-innen längere Zeit abwesend sein müssen. Auch andere Formen – Kollegin Baum wird nicht müde, darauf hinzuweisen –, eine andere Form des hybriden Lernens kann man sich vorstellen,

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Na ja!)

 

Kollege Tischner, gerade im ländlichen Raum. Ich nehme jetzt mal zum Beispiel Regelschulen. Wo wollen wir denn bei nicht ausgebildeten Fachlehrern, also bundesweit nicht ausgebildeten Fachlehrern, die Kompetenz hernehmen?

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Nichts gegen die Lehrer!)

 

Lassen Sie uns das doch mal erproben, wie das gehen kann.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das können wir in Jena machen!)

 

Das können wir nicht nur in Jena machen. Genau da ist ihr falscher Denkansatz. Was wir brauchen, ist ein neues Denken, damit wir den Unterricht so gut wie möglich absichern können, wenn es möglich ist, die Lehrkraft über digitale Medien in einen anderen Klassenraum zu übertragen. Warum denn nicht? Wichtig ist die Vertiefung und wichtig ist auch, dass die Lehrinhalte tatsächlich verinnerlicht werden.

Darüber hinaus möchten wir Möglichkeiten schaffen, Leistungen, die im digitalen Unterricht erbracht werden, bewerten zu können.

 

Gefahren durch Mediennutzung sollen erkannt und dazu aufgeklärt werden, um Mobbing, Sexting und Fake News vorzubeugen. Schließlich soll in Schulen durch regulierte Technik zur Einhaltung des Datenschutzes, aber auch durch Ansprechpartner/-innen für Datenschutz und urheberrechtlichen Fragen unterstützt werden.

 

Letzter Punkt, die Fortentwicklung der entsprechenden Strategien und Konzepte: Dieser ganze Prozess soll und muss verstetigt werden. Nichts ist heutzutage in Stein gemeißelt. Verschiedene Studien, wissenschaftliche Begleitungen, aber auch regelmäßige Berichterstattungen, zum Beispiel hier im Landtag, sollen dabei helfen. Vor allem ein Beirat zur Digitalisierung der Fachexpertise, Verbände der Lehrkräfte, der Eltern- und Schülervertretungen, aber auch kommunale Spitzenverbände und die Vertreter/-innen der freien Schulen sollen eingebunden werden. Diese Expertise und Erfahrung ist uns wichtig.

Auch auf Bundesebene – so regen wir an – soll eine Bundeszentrale implementiert werden, die Online-Angebote prüft, Information und Unterstützung bietet und zusammenfassend, benutzerfreundlich und niederschwellig zur Verfügung stellt. Schließlich soll die Digitalstrategie Thüringer Schulen evaluiert und fortgeschrieben werden. Dabei sollen Best-Practice-Beispiele und die Erfahrungen aus den vergangenen Monaten berücksichtigt werden.

 

Zusammenfassend möchte ich sagen: Digitalisierung ersetzt nicht die Lehrkraft. Gerade unsere – sagen wir mal – schon sehr erfahrenen Lehrkräfte stehen vor der Herausforderung: Wie schaffe ich in meinen letzten Berufsjahren die Umsetzung dessen sicherzustellen, was von mir erwarten und für meine Schüler-/innen wichtig ist?

Das Lernen wird sich durch Digitalisierung in der Schule und des schulischen Umfelds ändern. Es geht um eine, wenn nicht sogar um die Zukunftsaufgabe in der Bildung. Die Zukunft ist digital in allen Lebens- und Arbeitsbereichen und natürlich auch in der Schule. Wir sind auf dem Weg. Darauf können sich Eltern und Schüler/-innen verlassen. Ich bitte um die Zustimmung zu unserem gemeinsamen Antrag. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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