Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/2000


Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, eigentlich hatte ich vor, die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände zu begrüßen – da betreten sie wieder den Plenarsaal. Seien Sie uns herzlich willkommen Herr Rusch, Herr Budde und auch die Vertreterinnen der AG Selbstverwaltung für Thüringen e.V. Herzlich willkommen!

Ich darf Ihnen den Bericht des Innenausschusses zum Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen geben, ein Gesetzentwurf der Landesregierung, den diese am 12. April 2016 dem Thüringer Landtag vorlegte.


Das Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen dient, so die Begründung, der gesetzlichen Verankerung der mit dem Leitbild „Zukunftsfähiges Thüringen“ vorgesehenen Ziele und Vorgaben der Reform. Ziel der Gebietsreform ist demnach die Bildung leistungs- und verwaltungsstarker Gebietskörperschaften in Thüringen, die den an sie gestellten Herausforderungen insbesondere im Bereich der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben dauerhaft gewachsen sind. Die Landkreise und Gemeinden in Thüringen sollen eine größere Gestaltungskraft in einem größeren Hoheitsgebiet mit einer höheren Einwohnerzahl entwickeln und damit den Bedürfnissen der örtlichen Gemeinschaft in den Gemeinden und den überörtlichen Erfordernissen in den Landkreisen besser gerecht werden können. Sie sollen ihre Selbstverwaltungsaufgaben umfassender, selbstständiger und wirtschaftlicher erfüllen können. Gleichzeitig sollen die Möglichkeiten für bürgerschaftliches Engagement und die ehrenamtliche Wahrnehmung von gemeinwohlorientierten Aufgaben dauerhaft gesichert werden. Zudem sollen zentralörtliche Strukturen gestärkt werden.


(Beifall DIE LINKE)


Der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf enthält unter anderem folgende Maßgaben: Landkreise sollen mindestens 130.000 und höchstens 250.000 Einwohner haben und eine Fläche von 3.000 Quadratkilometern nicht überschreiten. Kreisfreie Städte sollen mindestens 100.000 Einwohner aufweisen und durch Eingliederung von Umlandgemeinden gestärkt werden, soweit dies der Neubildung der Landkreise nicht entgegensteht. Kreisangehörige Gemeinden sollen mindestens 6.000 Einwohner haben. Die Bildung, Änderung und Erweiterung von Verwaltungsgemeinschaften sowie die Übertragung von Aufgaben der Verwaltungsgemeinschaft sind ausgeschlossen. Ober- und Mittelzentren sollen durch Eingliederungen vergrößert werden. Jede neu gegliederte Gemeinde soll so strukturiert sein, dass sie die Funktion eines Zentralen Ortes übernehmen kann. Eine Freiwilligkeitsphase für Gemeindeneugliederungen ist bis zum 31. Oktober 2017 vorgesehen. Im Gesetz sind Strukturbegleithilfen und Zuschüsse im Rahmen freiwilliger Gemeindeneugliederungen für die Gemeinden vorgesehen und die Mindesteinwohnerzahlen für Landkreise, kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemeinden sollen die Gebietskörperschaften dauerhaft, aber mindestens bis zum Jahr 2035 nicht unterschreiten. Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf Änderungsvorschläge für die Thüringer Kommunalordnung, insbesondere zur Stärkung des Ortsteils- und Ortschaftsrechts.


Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf wurde vom Landtag in seiner 47. Sitzung am 21. April 2016 federführend an den Innen- und Kommunalausschuss, mitberatend an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen. Nach Beschlussfassung über die Durchführung einer mündlichen Anhörung gemäß § 79 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags wurden die von den Fraktionen Die Linke, SPD und Grüne sowie teilweise die von der Fraktion der CDU vorgeschlagenen Anzuhörenden ergänzt um die Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern Ost- und Südthüringen bei einer Enthaltung bestätigt. Bei einer Enthaltung beschlossen wurde ein paralleles schriftliches Anhörungsverfahren der im Übrigen vorgeschlagene Anzuhörenden ergänzt um die kommunalpolitischen Vereinigungen der im Landtag vertretenen Parteien sowie ergänzt um sämtliche Landräte und Oberbürgermeister der kreisfreien Städte. Die Frist für die Abgabe der Stellungnahme im schriftlichen Anhörungsverfahren wurde am 21. April 2016 auf den 3. Juni 2016 festgesetzt und betrug somit sechs Wochen. Die mündliche Anhörung wurde für den 9. Juni 2016 terminiert. Die Anhörungsfrist betrug somit für die mündlich Angehörten, unter ihnen auch die kommunalen Spitzenverbände, sieben Wochen. Der Ausschuss erörterte Möglichkeiten einer umfangreichen Teilnahme der Öffentlichkeit an dieser öffentlichen Sitzung und traf entsprechende Festlegungen. Gegen den Vorschlag des Ausschussvorsitzenden im Vorfeld der Anhörung mögliche Änderungsanträge zur Übermittlung an die mündlich Anzuhörenden bis zum 3. Juni 2016 vorzulegen, erhob sich im Ausschuss kein Widerspruch.


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Aber es wurde nicht abgestimmt!)


Am 2. Juni 2016 legten die Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Landesregierung vor, der unmittelbar am selben Tag den kommunalen Spitzenverbänden mit der Bitte um Einbeziehung in die am 9. Juni 2016 vorzutragenden Stellungnahmen zur Kenntnis gegeben wurde. Mit Schreiben vom 6. Juni 2016 bzw. vom 7. Juni 2016 beantragten sowohl der Gemeinde- und Städtebund Thüringen als auch der thüringische Landkreistag eine Verlängerung der Anhörungsfrist zum Änderungsantrag bis zum 7. Juli 2016 bzw. um vier Wochen. Durch die Landtagsverwaltung wurde auf Wunsch des Ausschussvorsitzenden umgehend den kommunalen Spitzenverbänden am 7. Juni mitgeteilt, dass eine Fristverlängerung bis zum 20. Juni 2016 beabsichtigt sei, diese jedoch durch den Innen- und Kommunalausschuss noch zu beschließen sei.


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Welch große Gnade!)


In seiner 26. Sitzung am 9. Juni 2016 entschied der Innen- und Kommunalausausschuss dann mehrheitlich, den Anträgen der kommunalen Spitzenverbände insofern zu entsprechen, als die Frist zu ergänzenden Anhörung zum Änderungsantrag der Fraktion Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie zu gegebenenfalls weiteren Änderungsanträgen auf den 20. Juni 2016 neu festgesetzt wird. Gegen die daraufhin erfolgte Ankündigung einer außerplanmäßigen Sitzung des Innen- und Kommunalausschusses für den 21. Juni 2016 mit dem Ziel der Beschlussfassung über die Beschlussempfehlung erhob sich ebenfalls kein Widerspruch. Der Ausschuss hat zudem in seiner 24. Sitzung beschlossen, den Gesetzentwurf am 25. April 2016 bis zum 2. Juni 2016 in das Online-Diskussionsforum des Thüringer Landtags einzustellen und somit einer Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Auffassung in das Gesetzgebungsverfahren einfließen zu lassen. 48 Beiträge im Online-Forum des Thüringer Landtags sind eingegangen, die sehr differenzierte Bewertung zum Gesetzentwurf enthielten.

Meine Damen und Herren, im Rahmen des schriftlichen Anhörungsverfahrens wurden insgesamt 29 Stellungnahmen abgegeben und im mündlichen Verfahren erreichten den Ausschuss 20 schriftlich verfasste Stellungnahmen. Leider machten von den insgesamt 25 eingeladenen Sachverständigen nur acht von der Möglichkeit Gebrauch, dem Ausschuss ihre Stellungnahme mündlich vorzutragen und mit den Abgeordneten zu diskutieren. Dabei handelte es sich um den Gemeinde- und Städtebund Thüringen, den Thüringischen Landkreistag, den Thüringer Landesrechnungshof, den Verein Selbstverwaltung für Thüringen e. V., die IHK Ostthüringen, die IHK Südthüringen, den tbb beamtenbund und tarifunion Thüringen sowie die Rechtsanwaltskanzlei Halm & Preßer, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Richard Dewes.


Die über zehn Stunden dauernde öffentliche Anhörung des Innen- und Kommunalausschusses am 9. Juni 2016 verfolgten teilweise mehr als 400 Gäste.


(Beifall CDU)


Meine Damen und Herren, für die Geduld und die, Herr Fiedler, letztlich überwiegende Disziplin möchte ich mich hiermit bei allen


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Bei dem Vorsitzenden fällt das schwer!)


beteiligten Abgeordneten, der Landesregierung, allen Gästen und – ich denke, auch im Namen des Ausschusses dabei sprechen zu dürfen – insbesondere auch bei der Landtagsverwaltung für die gute organisatorische Vorbereitung und Durchführung recht herzlich bedanken.


(Beifall DIE LINKE)


In seiner mündlich vorgetragenen wie auch in der umfangreichen schriftlichen Stellungnahme begrüßte der Gemeinde- und Städtebund Thüringen, dass sich die Landesregierung zum Ziel gesetzt habe, in der laufenden Legislaturperiode ein Konzept zu erarbeiten, das eine Grundlage für die zumindest mittelfristige Weiterentwicklung kommunaler Gebietsstrukturen darstellen soll. In den vergangenen Jahren habe eine solche Planungs- und Handlungsgrundlage gefehlt. Kritisiert wird hingegen, dass die aus Sicht des Spitzenverbands notwendige Verfahrenstrias von erstens Aufgabenkritik, zweitens Funktionalreform und drittens Struktur- und Gebietsreform nicht eingehalten wird. Unbeantwortet sei auch die Frage, ob die Landesverwaltung im Rahmen der beabsichtigten Kommunalisierung zwei- oder dreistufig organisiert werde. Hinsichtlich der Begründetheit der Zulässigkeit der auf der Grundlage des Vorschaltgesetzes vorzunehmenden Bestandsänderung bringt der Gemeinde- und Städtebund den Zweifel eines Großteils der Thüringer Kommunen zum Ausdruck. Der Gemeinde- und Städtebund bezeichnete es als wenig überzeugend, dass die gelebte und gewachsene Praxis der 69 Verwaltungsgemeinschaften und 39 erfüllenden Gemeinden in Thüringen infrage gestellt werden muss. So sei der Nachweis, dass das Modell der Verwaltungsgemeinschaften ineffizient sei und sich nicht hinreichend bewährt habe, noch nicht erbracht.


(Beifall CDU)


Nach den Erfahrungen des Spitzenverbands habe es sich stattdessen bewährt, den kommunalen Körperschaften in Abhängigkeit der jeweiligen Gegebenheiten vor Ort und gegebenenfalls im Einklang mit einem Gesamtkonzept die Wahl ihrer Verwaltungsstruktur zu überlassen. Ferner forderte der Gemeinde- und Städtebund die Landesregierung auf, mit Inkrafttreten des Vorschaltgesetzes eine Karte mit künftig geltenden Kreisgrenzen zur Voraussetzung der Gewährung der Freiwilligkeitsphase für kooperationsbereite Gemeinden vorzulegen. In der mündlichen Anhörung betonte der Präsident des Gemeinde- und Städtebundes, Herr Bürgermeister Brychcy, die bereits in der schriftlichen Stellungnahme zum Ausdruck gebrachte Forderung nach Vorlage einer transparenten, nachvollziehbaren und belastbaren Gesetzesfolgeabschätzung der Landesregierung zur beabsichtigten kommunalen Gebietsreform und betonte aber gleichzeitig, dass man eine Gebietsreform nicht grundsätzlich blockieren wolle.


Der Thüringische Landkreistag verweist in seiner schriftlichen wie auch mündlich vorgetragenen Stellungnahme darauf, dass es im Landkreistag auch Befürworter von grundsätzlichen Reformen gibt, nicht aber in dieser Form. Die große Mehrheit lehne eine Veränderung der Kreisgrenzen auf Basis des Regierungsentwurfs ab. Die Ablehnung trifft insbesondere die vorgesehenen Einwohner- und Flächengrößen, aber auch die Regelung, dass neue Landkreise durch Zusammenschluss bestehender Landkreise erfolgen sollen. Begründet wird die im Landkreistag mehrheitlich bestehende Ablehnung des Gesetzentwurfs damit, dass es keine Freiwilligkeitsphase geben soll, und mit dem Umstand, dass keine Strukturbeihilfen für Landkreise vorgesehen sind. Ferner wurde vorgetragen, dass es nach Ansicht des Spitzenverbands keine Aufgabenkritik mit einer anschließenden Funktionalreform gebe und dass die Auflösung und Neugliederung der Landkreise nicht zu Einsparungen, sondern zu hohen Kosten führen wird. Die Ablehnung wird auch mit der aus Sicht der Landkreise viel zu kurz bemessenen Zeitschiene begründet.


(Beifall CDU, AfD)


Der Thüringer Rechnungshof machte darauf aufmerksam, dass er sich wegen der demografischen Entwicklung und finanziellen Gegebenheiten bereits mehrfach für eine umfassende Aufgabenkritik und Verwaltungsreform, die auch eine Gebiets- und Funktionalreform einschließt, ausgesprochen hat.


(Beifall DIE LINKE)


Er hält an seiner Auffassung fest, dass eine Verwaltungs- und Gebietsreform unverzichtbar ist, um Thüringen zukünftig effektiv und effizient verwalten und regieren zu können.


(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: So ist das!)


Das Vorschaltgesetz soll den Gemeinden verbindliche Orientierung für freiwillige Zusammenschlüsse geben. Letztlich müsse, soweit es das öffentliche Wohl erfordere, die Strukturänderung später auch zwangsweise durchgesetzt werden. Die kommunale Selbstverwaltung sei nach Ansicht des Rechnungshofs nicht schrankenlos, sondern nur in einer leistungsfähigen Struktur geschützt. Diese Leistungsfähigkeit bestehe bei kleinen Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften nach Prüfung des Rechnungshofs derzeit nicht. Diese seien demnach nicht in der Lage, die ihnen obliegenden Aufgaben rechtskonform wahrzunehmen. Erheblich größere Einheiten seien verwaltungsökonomisch durchaus geboten. Der Gesetzentwurf sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, es bleibe aber mit Blick auf Struktur- und Funktionalreform weiterer Handlungs- und Regelungsbedarf.


Weitere Anzuhörende wie der Gemeinde- und Städtebund kritisierten die aus ihrer Sicht fehlenden Trias von Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform.


(Beifall CDU, AfD)


Der Verein Selbstverwaltung für Thüringen e. V. verwies darauf, dass die bürgerschaftliche Selbstverwaltung und Teilhabe übermäßig beschränkt würde,


(Beifall CDU, AfD)


und lehnte insbesondere die vorgesehene Weiterentwicklung von Verwaltungsgemeinschaften zu Einheits- und Landgemeinden ab.

 

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Genau, das ist richtig!)


Der Thüringer Beamtenbund und Tarifunion Thüringen mahnte Regelungen zum Personalübergang an. Rechtsanwalt Dr. Richard Dewes schlug vor, die Gebietsreform zunächst auf die gemeindliche Ebene zu beschränken und aus verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus eine Alternative zur Auflösung der Verwaltungsgemeinschaften,


(Beifall CDU, AfD)


beispielsweise die Verbandsgemeinde als Rechtsinstitut, zu etablieren.

Meine Damen und Herren, für weitere Ausführungen zur inhaltlichen Anhörungsbeiträgen möchte ich auf die Ihnen vorliegenden umfänglichen Stellungnahmen der Anzuhörenden verweisen, die Ihnen im Abgeordneteninformationssystem zur Verfügung stehen. Diese Unterlagen stehen aber auch im Rahmen des Online-Diskussionsforums der Thüringer Öffentlichkeit voll umfänglich zur Verfügung.


(Beifall DIE LINKE)


In seiner 28. Sitzung am 16. Juni 2016 erfolgte durch den Innen- und Kommunalausschuss die Auswertung der mündlichen Anhörung. Als Einbringerin des Gesetzentwurfs führte die Landesregierung einführend aus. Die Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen und die CDU-Fraktion stellten jeweils ihre Änderungsanträge inhaltlich vor und zur Diskussion. In einer sehr intensiven Debatte hat der Ausschuss die verschiedenen Positionen zu Notwendigkeit, Zielen und zum beabsichtigten Verfahren der Gebietsreform erörtert und abgewogen. Konsens besteht darin, dass sicherzustellen ist, dass die Landkreise und Gemeinden dauerhaft in der Lage sind, die ihnen obliegenden Aufgaben sachgerecht, bürgernah, rechtssicher und eigenverantwortlich wahrzunehmen, denn die Verfassung des Freistaats Thüringen weist den Gemeinden und Landkreisen als eigenständigen, handlungsfähigen kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften umfassende Aufgaben zu.


Der Gesetzentwurf der Landesregierung hat die Weiterentwicklung der kommunalen Ebene des Landes zum Inhalt, er verfolgt das Ziel, die Verwaltungs- und Leistungskraft der Gemeinden und Landkreise weiter zu verbessern, vor allem aber langfristig zu erhalten. Zur Notwendigkeit einer Gebietsreform zum gegenwärtigen Zeitpunkt schließt sich der Ausschuss mit seiner Zustimmung zum Gesetzentwurf den Auffassungen der Landesregierung an.


(Beifall DIE LINKE)


Eine Gebietsreform ist angesichts der Herausforderungen, vor denen das Land steht, dringend geboten. Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung, die zu erwartenden finanziellen Entwicklungen der öffentlichen Haushalte in Thüringen, die Anpassungserfordernisse der öffentlichen Verwaltung durch Spezialisierungsnotwendigkeit entfalten bereits heute einen enormen Handlungsdruck und erfordern zügige Entscheidungen. Der Ausschuss hat die Angaben der Landesregierung zur demografischen Entwicklung noch einmal eingehend hinterfragt. Eine sachverständige Person aus dem Thüringer Landesamt für Statistik hat in der 28. Sitzung am 16. Juni 2016 zu dieser Problematik eingehend ausgeführt und zu Nachfragen Stellung genommen.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Durch Wegzug und den Einbruch der Geburtenzahlen nach der Wende fehlt Thüringen fast eine ganze Generation junger Menschen. Auch wenn gegenwärtig durch die hohen Geburtenzahlen der 80er-Jahre nur ein langsamer Rückgang der Einwohnerzahlen zu verzeichnen ist, wirkt das Fehlen einer Generation vielfältig in die Zukunft.


Vor allem durch das Fehlen der jungen Frauen werden perspektivisch die Geburtenzahlen deutlich sinken oder wie der Präsident des Thüringer Landesrechnungshofs in der Anhörung sehr trefflich formulierte: Keine Kinder bekommen keine Kinder. Es werden in der Folge Beschäftigte in allen Bereichen des Arbeitslebens, aber auch im Bereich des Ehrenamts fehlen. Die Aufgabenprioritäten der Kommunen werden sich durch die Überalterung der Gesellschaft ändern und die Kommunen vor große Herausforderungen stellen. Zudem werden sich die Kommunen damit befassen müssen, wie sie die wirtschaftliche Nutzung der kommunalen Einrichtungen auch bei sinkenden Einwohnerzahlen sicherstellen können.


Unstrittig ist, dass auch die in den ländlichen Gebieten Thüringens lebenden Menschen dauerhaft Anspruch auf eine angemessene kommunale Daseinsvorsorge haben. Hierfür müssen rechtzeitig die Voraussetzungen geschaffen werden. Zu dieser demografischen Problematik wird voraussehbar eine Verschlechterung der Finanzsituation des Landes – aber auch der Kommunen – treten, denn wenn sich die Finanzsituation des Landes absehbar verschlechtert, wird sich dies auch auf die Finanzsituation der Gemeinden und Landkreise auswirken. Die sinkenden Einwohnerzahlen werden zu einer Reduzierung der Einnahmen aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich führen. Die Einnahmen nach den Regelungen zum Solidarpakt II laufen bereits im Jahr 2019 aus. Alterung der Gesellschaft und Brüche in den Erwerbsbiografien werden zu einem Ansteigen der Versorgungslasten für die große Zahl der nicht mehr erwerbstätigen Personen aus den geburtenstarken Jahrgängen führen.


Gleichzeitig ist bereits in den nächsten Jahren mit einer deutlichen Verringerung des kommunalen Personalbestandes durch Altersabgänge zu rechnen. Somit ist nur noch für einen begrenzten Zeitraum damit zu rechnen, dass erfahrenes Personal in der öffentlichen Verwaltung eine sachgerechte Arbeit in den Verwaltungen gewährleistet und die durch die Reformen anfallenden zusätzlichen Belastungen tragen kann.


Die Einzelheiten zu diesen komplexen Herausforderungen der Zukunft hat die Landesregierung ausführlich in ihren Begründungen zum Gesetzentwurf dargelegt. Der Ausschuss schließt sich dem Ergebnis dieser Analyse an und teilt die Auffassung der Landesregierung, dass aus den dargelegten Gründen die Gebietsreform zeitlich so durchzuführen ist, dass die gegenwärtig noch günstigen Ausgangsbedingungen für die Durchführung der Reform genutzt werden können.


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Die Mehrheit des Ausschusses, so viel Zeit muss sein!)


Herr Fiedler – ich trage hier die Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses vor. Dass es da zu unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen kam, das, denke ich, ist aus der gelebten Praxis allen Abgeordneten bekannt.


(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Vielleicht aber dem Zuschauer nicht!)


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Die Mehrheit des Ausschusses, das muss deutlich werden!)


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In jedem Falle war es keine Minderheit, so viel kann ich aus dem Ausschuss berichten. In der Anhörung wurde insbesondere von den kommunalen Spitzenverbänden als Vorstufe eine Gebietsreform in der Aufgabenkritik gefordert. In der Auswertung wurde deutlich, dass die Gebietsreform einerseits Teil eines geplanten Reformpakets ist, dass die Landesregierung zeitgleich bearbeitet. Die Gebietsreform ist aber andererseits keine bloße Folgeerscheinung der Aufgabenübertragung im Rahmen einer Verwaltungs- und Funktionalreform. Die Gebietsreform dient in erster Linie der Sicherung der Leistungsfähigkeit der Gemeinden und Landkreise im Bereich der Selbstverwaltung mit Blick auf die geschilderte Problemsituation.


Die Gemeinden und Landkreise müssen zukunftsfähige Träger der kommunalen Selbstverwaltung werden. Dass das Land auf diese gestärkten kommunalen Gebietskörperschaften weitere Aufgaben übertragen kann, ist lediglich ein weiterer positiver Aspekt. Ob und welche Aufgaben hierfür in Frage kommen, ist Gegenstand der Funktional- und Verwaltungsreform. Hiermit wird sich der Landtag heute auch noch später hier befassen.


Des Weiteren hat der Ausschuss die Maßgaben im Gesetzentwurf der Landesregierung für die künftigen kommunalen Strukturen im Licht der Stellungnahmen erörtert. Der Ausschuss schließt sich auch insoweit den Vorschlägen der Landesregierung an. Der Ausschuss hält diese Vorgaben gerade im Hinblick auf die demografische Entwicklung und die zu erwartenden Auswirkungen, aber auch auf künftige Finanzentwicklungen für sachgerecht.


Zu schaffen sind starke Gebietskörperschaften mit bestmöglicher Leistungs- und Gestaltungskraft, die dauerhaft in der Lage sind, die Herausforderungen der Zukunft zu stemmen.


(Beifall DIE LINKE)


Der Blickpunkt ist die langfristige Entwicklung bis zum Jahr 2035, auf dem die Bevölkerungsvorausberechnungen abstellen. Aber auch nach diesem Zeitpunkt sollen Landkreise und Gemeinden existieren, die ohne weitere Gebietsreformmaßnahmen ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen.


Meine Damen und Herren, es ist klar, dass hier sozusagen ein Spagat erforderlich ist: Auf der einen Seite stehen Effizienzgesichtspunkte, auf der anderen Seite die Bedingungen für die bürgerschaftliche Teilnahme der Basis der kommunalen Selbstverwaltung. Der Bürgernähe und den Möglichkeiten der bürgerschaftlichen Teilnahme hat die Landesregierung ein besonderes Gewicht bei der Erarbeitung der Leitvorstellung des Gesetzentwurfs für das Vorschaltgesetz eingeräumt. Die vorgesehenen Strukturvorgaben einschließlich der Größenmaßstäbe wurden auf Basis einer Abwägung zwischen den Zielen der Gebietsreform und den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Regelungsoptionen für die bürgerschaftliche Teilhabe gewählt. Es wurde berücksichtigt, dass einerseits ein Spannungsverhältnis zwischen Verwaltungseffizienz und Bürgernähe besteht, andererseits die wirksame Teilnahme der Bürger an den kommunalen Angelegenheiten eine hinreichend leistungs- und verantwortungsfähige Selbstverwaltungssubstanz voraussetzt, die insbesondere bei kleinen und Kleinstgemeinden kaum gegeben ist. Aus diesem Grund wurden Größenvorgaben für Landkreise und Gemeinden einschließlich der Flächenobergrenze von 3.000 Quadratkilometern für Landkreise im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr zurückhaltend gewählt.


An dieser Stelle möchte ich noch auf Folgendes verweisen: Das Vorschaltgesetz setzt für die Entscheidungen über die konkreten Neugliederungsmaßnahmen, die in späteren Gesetzen zu regeln sind, einen Rahmen. Es besteht Einigkeit, dass die einzelnen Neugliederungsmaßnahmen nur aus Gründen des öffentlichen Wohls durchzuführen sind.


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wer hat denn die Einigkeit?)


Bei den konkreten Neugliederungsmaßnahmen wird deshalb eine umfassende Sachverhaltsermittlung und Bewertung aller Umstände der konkreten Einzelfälle vorzunehmen sein.


Auf die Kritik des Thüringischen Landkreistags eingehend, wonach für die Landkreise keine Freiwilligkeitsphase vorgesehen sei, sieht auch der Ausschuss keinen Raum für eine solche Freiwilligkeitsphase.


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Die Mehrheit!)


Der Verzicht trägt den Anforderungen einer landesweit ausgewogenen und sinnvollen Entwicklung Rechnung. Die Gliederung der Landkreise ist nicht nur für diese selbst von Bedeutung, der Kreiszuschnitt berührt auch die Interessen der Gemeinden und deren Neugliederungsoptionen, die einen gebietlichen Rahmen brauchen für eine optimale Entwicklung.


Zudem ist Ziel einer Kreisgebietsreform auch der Ausgleich bestehender regionaler Unterschiede durch die Fusion von Landkreisen mit unterschiedlicher Wirtschafts-, Finanz- und Leistungskraft. Im Falle einer Freiwilligkeitsphase besteht die Gefahr der Verstärkung bestehender Unterschiede durch Zusammenschlüsse.


Ein weiteres wichtiges Thema in den Stellungnahmen der Anhörungen ist die Frage, welche Lösung für die kleinen Gemeinden im ländlichen Raum, die bislang Verwaltungsgemeinschaften und erfüllenden Gemeinden zugeordnet sind, die richtige ist. Es wurde die Erhaltung der Rechtsinstitute der Verwaltungsgemeinschaft und erfüllenden Gemeinde gefordert, aber auch die Einführung neuer Rechtsinstitute, wie der Verbandsgemeinde, vorgeschlagen. Der Innenausschuss hat sich diesen Anforderungen nicht angeschlossen


(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Leider!)


und stimmt insoweit der Auffassung der Landesregierung zu, wonach die bestmögliche Verbesserung der Leistungsstärke gerade auf der Ebene dieser kleinen Gemeinden durch die Bildung größerer Gemeinden zu erzielen ist. Nur durch ein gemeinsames großes Gemeindegebiet mit einer ausreichenden Anzahl an Einwohnern kann eine ausreichende Gestaltungskraft der örtlichen Gemeinschaft erreicht werden.


Meine Damen und Herren, ich darf Sie daran erinnern, dass der Thüringer Landtag bereits im Jahr 2008 festgestellt hat, dass die Verwaltungsgemeinschaften strukturelle Defizite aufweisen. Im Landtagsbeschluss vom 15. Dezember 2011 wurde nochmals festgestellt, dass die Institute der Verwaltungsgemeinschaft und der erfüllenden Gemeinde künftig keinen Vertrauens- und Bestandsschutz mehr genießen und ihre Weiterentwicklung zur Landgemeinde angestrebt wird. Die Bildung und Änderung von Verwaltungsgemeinschaften sollte künftig nicht mehr erfolgen. Die Defizite der Verwaltungsgemeinschaften sind also seit Längerem hinlänglich bekannt. Einige Gemeinden haben bereits in der vergangenen Legislaturperiode auf freiwilliger Basis Landgemeinden gebildet. Die Koalitionsfraktionen haben sich vor dem Hintergrund der Debatte um das Rechtsinstitut der Verwaltungsgemeinschaft intensiv mit dem Aspekt der bürgerlichen Teilhabe auseinandergesetzt und in ihrem Änderungsantrag noch weitere Vorschläge zur Stärkung des Ortsteil- und Ortschaftsrechts unterbreitet. Diese sind Gegenstand der Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses.


Bislang sieht die Thüringer Kommunalordnung vor, dass das Gebiet der aufgelösten Gemeinden in die Ortsteil- bzw. Ortschaftsverfassung übergeleitet wird, sodass die bisherigen Amtsträger als Ortsteil- bzw. Ortschaftsorgane den Prozess des Zusammenwachsens in der neuen Gemeinde begleiten können. Im Ergebnis der in der Anhörung gewonnenen Erkenntnis soll jedoch den Gemeinden ermöglicht werden, ihre bisherigen kleinteiligen Ortsteil- bzw. Ortschaftsstrukturen auf Wunsch in die neue Gemeinde bzw. Landgemeinde überzuleiten. In der Vorbereitung der konkreten Neugliederungsgesetze kann diese Möglichkeit beantragt werden. Vor dem Hintergrund, dass sich möglicherweise die Mitgliedsgemeinden von bisherigen Verwaltungsgemeinschaften zu besonderen großen und damit leistungsstarken Landgemeinden mit großen Ortschaften zusammenschließen wollen, hat der Ausschuss zudem hierfür besondere Übergangsregelungen vorgesehen. Diese wurden bereits unter dem Stichwort „Große Landgemeinde“ in der Öffentlichkeit debattiert. Tatsächlich handelt es sich nicht um ein neues Gemeindemodell, sondern um eine zeitlich befristete Möglichkeit zur Erweiterung der Ortschaftsrechte, die den Ortschaften den Übergang in die neue Große Landgemeinde erleichtern soll. Zudem enthält die Beschlussempfehlung eine Möglichkeit, den Gemeinderat nach einer Neugliederung für einen Übergangszeitraum ohne zahlenmäßige Begrenzung zu erweitern. Damit können die Chancen örtlicher Kandidaten für den Gemeinderat erhöht werden. Um den besonderen Schwierigkeiten nach einer Neugliederungsmaßnahe Rechnung tragen zu können, sollen die Gemeinden die Möglichkeit erhalten, die Aufwandsentschädigungsregelungen für die bisherigen ehrenamtlichen Bürgermeister dahin gehend flexibel zu gestalten, dass die Aufwandsentschädigung bis zur nächsten Wahl des Gemeinderats bis zu einer Höhe von 100 Prozent der bisherigen Aufwandsentschädigung für die nunmehr Ortsteil- und Ortschaftsbürgermeister fortgezahlt werden kann.


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Damit lassen die sich nicht blenden!)


(Beifall DIE LINKE)


Zudem wird in der Beschlussempfehlung ein Vorschlag zur Dynamisierung des Budgets für die Ortsteile mit Ortsteilverfassung und der Ortschaften aufgegriffen. In diesem Punkt bestand ein inhaltlicher Konsens zwischen den Ausschussmitgliedern.

Schließlich noch ein Wort in Reaktion auf die geäußerte Sorge, dass erhebliche Kosten durch die Gebietsreform zu erwarten seien und dass die reformbedingten Leistungssteigerungen und Synergieeffekte nicht eintreten können. Das Ziel der Reform beschränkt sich nicht auf eine bloße Kostenreduzierung und Erzielung von Effizienzrenditen. Ziel ist vielmehr die dauerhafte Erhaltung und Verbesserung der umfassenden Leistungs- und Gestaltungskraft der Kommunen. Das Vorschaltgesetz setzt dafür den Rahmen, der dann in den konkreten Neugliederungsgesetzen umgesetzt wird.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Man sollte mal zur Berichterstattung kommen!)

Im Prozess der Gemeindeneugliederung sollen selbstverständlich die Gemeinden unterstützt werden. Das Vorschaltgesetz sieht Strukturbegleithilfen und die Förderung freiwilliger Gemeindeneugliederungen in Höhe von 155 Millionen Euro vor. Die Regelungen hierfür wurden durch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen überarbeitet, die ursprünglich vorgesehene Intention beibehalten. Die Frage einer finanziellen Förderung auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte wurde in der Anhörung angesprochen und darauf hingewiesen, dass im Rahmen von Kreisgebietsreformen in anderen Bundesländern unter anderem eine sogenannte Anschubfinanzierung gewährt wurde. Ob dies in Thüringen ebenfalls erfolgen soll, wird im Rahmen des konkreten Neugliederungsgesetzes bzw. bei künftigen Haushaltsaufstellungen zu entscheiden sein.


Meine Damen und Herren, der Änderungsantrag der CDU-Fraktion wurde am Tag der Einreichung, dem 15. Juni 2016, den kommunalen Spitzenverbänden zur ergänzenden Anhörung – wie im Ausschuss zuvor vereinbart – übersandt. Mit dem Antrag soll die Mindesteinwohnerzahl für Landkreise auf 80.000 Einwohner und ohne Obergrenze festgesetzt werden. Abweichungen von der Mindesteinwohnerzahl seien im Fall dauernder Leistungsfähigkeit möglich. Wenngleich die Mindestgrenze für kreisfreie Städte mit 100.000 Einwohnern unverändert bleiben soll, beantragt die CDU-Fraktion die gesetzliche Verankerung von Ausnahmen zum Erhalt der kreisfreien Städte aufgrund kultureller, geschichtlicher oder touristischer Belange oder durch Bürgerbefragung der jeweiligen kreisfreien Stadt bis zum 31.12.2017. Nach dem Änderungsantrag sollen eigenständige Gemeinden künftig eine Größe von mindestens 5.000 Einwohnern aufweisen. Eine Mindesteinwohnerzahl in der selben Höhe soll für die nach Ansicht der CDU fortzubestehenden Verwaltungsgemeinschaften gelten, denen territoriale Weiterentwicklungsmöglichkeiten und eine Freiwilligkeitsphase eingeräumt werden soll. Mit dem Änderungsantrag möchte die CDU weiterhin erreichen, dass vor jeder gesetzlichen Neugliederung eine Effizienzanalyse zu erstellen ist und die Freiwilligkeitsphase sowohl zeitlich bis 2018 als auch auf die Landkreise ausgeweitet wird. Dieser Logik folgend sollen auch Landkreise Anspruch auf die zu gewährenden Strukturbegleithilfen haben. Hinsichtlich der Einwohnergrößen möchte die CDU-Fraktion entgegen der Regelung im Gesetzentwurf der Landesregierung diese nicht demografiefest verankern, sondern nimmt die im Jahr 2015 tatsächlich bestandenen Einwohnerzahlen zum Maßstab.


Weiterhin werden Änderungen in der Kommunalordnung angeregt. So soll künftig der Ortsteilrat selbst als Veranstalter auftreten und die hierfür zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel unmittelbar verwenden können. Auf die von der CDU-Fraktion vorgeschlagene Dynamisierung der Mittel für Ortsteile habe ich bereits hingewiesen.

In der Diskussion wurde seitens der Koalitionsfraktionen im Zuge der Auswertung der Anhörung auf den intensiven Abwägungsprozess der einzelnen Argumente verwiesen. Dieser Abwägungsprozess prägte die sich dann fortsetzende nahezu dreistündige Debatte sowie die Fragestellungen an die Landesregierung sowie wechselseitig an die Antragsteller der eingebrachten Änderungsanträge.


Zum Abschluss der Diskussion und in Vorbereitung der Entscheidungen in Verfahrensfragen wurde durch den Ausschussvorsitzenden auf das durch die CDU-Fraktion in Auftrag gegebene Gutachten zu den Voraussetzungen und Fristen einer ergänzenden Anhörung der kommunalen Spitzenverbände zu Änderungsanträgen zum Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen aufmerksam gemacht. In dem mit Datum vom 26. Mai 2016 erstellten Gutachten äußert sich der Wissenschaftliche Dienst zu Fristen bei ergänzenden Stellungnahmen, zur eingeschränkten Wirkung des Hinweises auf die Beteiligung von Gremien und einzelnen Mitgliedern durch die Spitzenverbände auf die Fristen im ergänzenden Anhörungsverfahren sowie zum fehlenden Anhörungserfordernis bei Änderungsanträgen, die nicht im späteren Gesetz Aufnahme finden. Der durch den Ausschussvorsitzenden aufgrund eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Diensts geäußerten Auffassung, dass keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit besteht, von einer mindestens vierwöchigen Anhörungsfrist zum Änderungsantrag der CDU auszugehen, wurde trotz unterschiedlicher Auffassungen über die Gewährung von Fristen generell rechtlich nicht widersprochen.


(Beifall DIE LINKE)


Der Antrag des Gemeinde- und Städtebunds, die Frist für die ergänzende Anhörung zum Änderungsantrag der CDU-Fraktion für den 13. Juli festzusetzen, wurde von der Mehrheit des Ausschusses daraufhin abgelehnt. Abgelehnt wurde auch ein in der Sache wesensgleicher Antrag des Landkreistags, der eine Fristverlängerung um vier Wochen beantragte.


In der 29. Sitzung des Innen- und Kommunalausschusses erfolgte die Auswertung des ergänzenden schriftlichen Anhörungsverfahrens der kommunalen Spitzenverbände und die abschließende Beschlussfassung des Ausschusses über die Änderungsanträge sowie über die Beschlussempfehlung. Der Thüringische Landkreistag teilte mit Schreiben zum 20. Juni 2016 dem Innen- und Kommunalausschuss mit, dass eine Stellungnahme zu dem am 2. Juni 2016 übersandten Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen nicht möglich sei. Das Gleiche gelte für den am 15. Juni 2016 übersandten Änderungsantrag der Fraktion der CDU. Nach Darstellung des Landkreistags war eine Stellungnahme zu beiden Änderungsanträgen unterschiedslos aufgrund der unangemessen kurzen Anhörungsfrist nicht möglich.


Auch der Gemeinde- und Städtebund kritisierte in seiner am 20.06.2016 eingegangenen Stellungnahme das Anhörungsverfahren und verwies zur Begründung auf öffentliche Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden der SPD im Thüringer Landtag, der die sogenannte Große Landgemeinde als neues Gemeindemodell bezeichnet habe. Danach handelt es sich bei dem Änderungsantrag für den kommunalen Spitzenverband um eine Änderung von grundlegender Bedeutung. Im Einzelnen verwies der Gemeinde- und Städtebund hinsichtlich der vorgeschlagenen Strukturbegleithilfen, der Möglichkeiten der Vergrößerung der Gemeinderäte sowie der Möglichkeit der Fortgewährung der Aufwandsentschädigung für Bürgermeister auf bestehende Rechtsunsicherheiten, die im Vollzug eintreten können.


Hinsichtlich des in § 45 Abs. 13 Thüringer Kommunalordnung vorgeschlagenen Übergangsmodells der sogenannten Großen Landgemeinde verwies der Verband auf eine Reihe von bestehenden Unklarheiten, die noch umfassend analysiert und geprüft werden müssen und verwies begründend wiederum auf Aussagen des Fraktionsvorsitzenden der SPD im Rahmen eines Pressegesprächs. Nach Ansicht des Verbands wäre es nunmehr geboten, alle vorliegenden Modellvorschläge in die Diskussion einzubeziehen, eine Diskussion zum Abwägungsprozess in diesem Fall vollständig zu vollziehen.

Für das konkrete Übergangsmodell verwies der Gemeinde- und Städtebund auf rechtliche Unklarheiten hinsichtlich der Gründung, des Budgetrechts und der Erweiterung des Ortschaftsrechts. Er machte deutlich, dass ein breites Interesse daran bestehe, dass die Landesregierung eine breit aufgestellte Handlungsempfehlung erarbeiten und zur Verfügung stellen könnte, um insbesondere alle Gemeinden, die während der sogenannten Freiwilligkeitsphase bis zum 31. Oktober 2017 an einem freiwilligen Zusammenschluss mit anderen Gemeinden interessiert sind, mit der Vorgabe eines verbindlichen Verfahrensablaufs sowie entsprechenden Erläuterungen zum Zweck eines rechtssicheren und klaren Ablaufs zu unterstützen.


Die Fraktionen setzten sich mit den Ausführungen der Spitzenverbände in der Auswertung der ergänzenden Anhörung auseinander. Die Ergebnisse habe ich im Wesentlichen bereits vorgetragen. Zu den angesprochenen Verfahrensfragen haben die Koalitionsfraktionen einen Entschließungsantrag angekündigt.


Meine Damen und Herren, zum Abschluss der Beratung wurde über die vorliegenden Änderungsanträge abgestimmt. Die Koalitionsfraktionen stellten selbst einen weiteren Änderungsantrag in Auswertung der Anhörung zur Abstimmung, der in einem Punkt eine redaktionelle Klarstellung beinhaltete und in einem weiteren Punkt eine Anregung aus dem Antrag der CDU-Fraktion aufgriff. Die CDU beließ ihren Änderungsantrag unverändert.

Den Änderungsanträgen der Fraktionen Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen wurde sodann mehrheitlich zugestimmt. Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion erhielt hingegen keine Mehrheit im Ausschuss. In der sich anschließenden Abstimmung wurde dem Landtag mehrheitlich empfohlen, dem Gesetzentwurf der Landesregierung unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen zuzustimmen.


Schließlich berieten am 22. Juni 2016 der mitberatende Haushalts- und Finanzausschuss sowie der mitberatende Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und bestätigten die zuvor vom Innen- und Kommunalausschuss beschlossene Beschlussempfehlung. Zuvor wurden insbesondere im Haushalts- und Finanzausschuss Fragen erwarteter Effizienzrenditen und erwarteter Auswirkungen der Gebietsreform auf den Landeshaushalt sowie für die kommunalen Haushalte umfassend erörtert. Im Haushalts- und Finanzausschuss stellte die CDU-Fraktion erneut ihren Änderungsantrag zum Gesetzentwurf zur Abstimmung. Ebenso keine Mehrheit erhielten Verfahrensanträge der CDU, die diese sowohl im Haushalts- und Finanzausschuss als auch im Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz stellte.


Somit, meine Damen und Herren, empfehle ich Ihnen abschließend namens des Innen- und Kommunalausschusses die Annahme des Gesetzentwurfs für ein Thüringer Vorschaltgesetz für eine Gebietsreform in Thüringen unter Berücksichtigung der in der Beschlussempfehlung in der Drucksache 6/2344 aufgeführten Änderungen. Ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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