Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Ministergesetzes – Fachliche und persönliche Voraussetzungen für das Amt eines Ministers

Knut Korschewsky

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 7/7786

 

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste hier im weiten Rund und vielleicht auch an den Geräten! Die CDU-Fraktion, Kollege Schard, bedient weiterhin ihren Aktionismus in Sachen Sonderbericht des Rechnungshofs. Weiter ist es an dieser Stelle hier heute nichts.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses nun zwei Gesetzentwürfe zur Änderung des Ministergesetzes einschließlich der Änderung von Artikel 70 der Thüringer Verfassung. Es sollte sich die Frage gestellt werden, wie sinnvoll so ein Verfahren überhaupt ist und vor allem, ist diese diskutierte Regelung gesellschaftspolitisch sinnvoll und notwendig? In einem demokratischen Rechtsstaat entsteht jede rechtliche Regelung in einem gesellschaftspolitisch-demokratisch organisierten Diskussions- bzw. Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess.

 

(Zwischenruf Abg. Urbach, CDU: Ja!)

 

Geltendes Recht ist in einem demokratischen und sozialen Rechtsstaat immer – ich betone: immer – ein gesellschaftspolitisches Gestaltungsinstrument.

Um es rechtlich auf den Punkt zu bringen an dieser Stelle: Ja, der Landtag als Gesetzgeber, vor allem als Verfassungsgesetzgeber kann für die Besetzung von Funktionen im Verfassungsorgan des Landes bestimmte fachliche und persönliche Eignungsvoraussetzungen festschreiben. So geschehen zum Beispiel vor einiger Zeit bei der Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes und des Artikel 79 der Thüringer Verfassung zur Einführung der Funktion einer Vizepräsidentin bzw. eines Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofs.

 

Die CDU-Fraktion hat nun die oben genannten zwei Gesetzentwürfe vorgelegt, die fachliche und persönliche Voraussetzungen für die Übernahme von Ministerämtern in das Ministergesetz aufnehmen wollen und dies durch eine Verfassungsänderung absichern.

Also ist die Diskussion an dieser Stelle vielleicht schon zu Ende? Nein! Denn so einfach ist es an dieser Stelle nun wirklich nicht, rechtlich nicht und vor allem auch gesellschaftspolitisch nicht. Es gibt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das darauf hinweist, dass ohne Grundgesetzänderung bzw. ohne Verfassungsvorgaben des Landes der Gesetzgeber solche persönlichen und fachlichen Vorgaben für Regierungsmitglieder nicht festschreiben darf.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Das Grundgesetz und die Landesverfassungen enthalten bisher für die Besetzung von Ministerämtern keine solchen Vorgaben und auch keine Klausel, dass in einem einfachen Gesetz dies entsprechend geregelt werden darf.

Übrigens, in Artikel 79 des Thüringer Verfassungsgerichtshofgesetzes ist das eben anders geregelt. Dort ist geregelt, welche persönlichen und fachlichen Voraussetzungen die Personen für Richterfunktionen mitbringen müssen. Die Landesregierung hat nach der Verfassung eine weniger unabhängige Stellung gegenüber dem Parlament als der Verfassungsgerichtshof. Die Landesregierung unterliegt in ihrem Handeln der umfassenden parlamentarischen Kontrolle durch das Hohe Haus, den Thüringer Landtag. Konsequenterweise muss man daher sagen, wenn solche fachlichen, persönlichen Vorgaben durch den Gesetzgeber mittels Thüringer Verfassung und eines einfachen Gesetzes für Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs rechtlich zulässig sind, dann sind sie auch bei Ministerinnen und Ministern und auch beim Ministerpräsidenten im Übrigen als Mitglieder der Landesregierung rechtlich theoretisch möglich.

 

Falls Sie jetzt anfangen, sich zu freuen, werte Abgeordnete der CDU-Fraktion, da muss ich Sie leider enttäuschen. Sie freuen sich ein bisschen zu früh.

 

(Zwischenruf Abg. Urbach, CDU: Das kennen wir schon!)

 

Denn nicht alles, was rechtlich theoretisch als Regelungsmodell möglich ist, ist im konkreten Fall gesellschaftspolitisch und damit rechtlich auch tatsächlich sinnvoll. Die Frage ist doch auch im vorliegenden Fall: Führt die Verrechtlichung der Kriterien zur Bestimmung der Eignung einer Person für ein Ministeramt tatsächlich zur Verbesserung des Personalauswahlverfahrens in der Praxis? In den vorliegenden Gesetzentwürfen verbirgt sich noch eine viel grundsätzlichere gesellschaftspolitische Frage: Welche Kriterien sollen denn über die persönliche und fachliche Eignung für ein Ministeramt entscheiden? Und man muss an dieser Stelle noch grundsätzlicher fragen: Welche Funktionen und Aufgaben hat denn eine Landesregierung und welche Aufgaben haben Ministerämter in den gesellschaftlichen Zusammenhängen und staatsorganisatorischen Strukturen eines demokratischen und sozialen Rechtsstaats? Was bedeutet darauf bezogen, für ein solches Amt persönlich und fachlich geeignet zu sein? Erst wenn diese Grundfragen beantwortet sind, lässt sich auch die Frage danach beantworten, ob eine Verrechtlichung der Auswahlkriterien sinnvollerweise stattfinden sollte.

 

Wir als Linke-Fraktion sind sehr dafür, dass möglichst geeignete und fachlich kompetente Personen die jeweiligen Funktionen übernehmen. Wir sind auch fest davon überzeugt, dass das in der Vergangenheit grundsätzlich auch so geschehen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Die Vorschläge der CDU-Fraktion lesen sich im Ansatz wie ein allgemeiner Eignungskatalog im Miniformat, denn die genannten Kriterien beschreiben ganz allgemeine Bildungs- und Berufsabschlüsse für die Funktionen und gehen überhaupt nicht auf die Frage der konkreten fachlichen Eignung für das jeweilige Fachressort ein; also sie beschreiben eine Laufbahneignung eigentlich für die Beamtenlaufbahn und nicht für ein Ministeramt in einer bestimmten Funktion eines Ressorts.

 

An dieser Stelle sei darauf verwiesen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass schon das geltende Ministergesetz eine deutliche konzeptionelle Trennung vom klassischen Laufbahnbeamtenrecht vornimmt. § 1 des Thüringer Ministergesetzes bestimmt: „Die Mitglieder der Landesregierung stehen nach Maßgabe der Verfassung und dieses Gesetzes in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Land.“ Das Amtsverhältnis der Mitglieder der Landesregierung ist eben kein normales, nur eben besser besoldetes Beamtenverhältnis. Das besondere Amtsverhältnis der Ministerinnen und Minister und auch des Ministerpräsidenten hat seine Ursache und Begründung darin, dass eine Landesregierung keine normale Verwaltungsbehörde ist, sondern ein Verfassungsorgan, dessen Aufgabe gesellschaftspolitische Gestaltungsarbeit ist.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Die Ministerinnen und Minister stehen zwar als oberste Vorgesetzte den Ministerien und nachgeordneten Behörden vor, in einer Demokratie haben die Mitglieder der Landesregierung aber ganz vorrangig politisch-gestalterische Aufgaben. Sie bilden in ihrer Funktion das Scharnier, dass politische Entscheidungsprozesse – auch Entscheidungen des Landtags im Übrigen – in den Verwaltungsapparat übergeleitet werden als gesellschaftspolitische Gestalterinnen und Gestalter innerhalb der demokratischen Staatsstruktur. Wollte man Ministerinnen und Minister wieder faktisch oder sogar ganz formal durch die Festlegung bestimmter Eignungskriterien in eine Art Beamtenlaufbahn – ich sprach schon davon – zwängen, dann würde man Ministerinnen und Minister in Missachtung demokratischer Prinzipien wieder zu reinen Verwalterinnen und Verwaltern der staatlichen Strukturen und Aufgaben degradieren. Das, glaube ich, wollen auch Sie nicht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion.

 

Ministerfunktionen würden nach Ihrem Modell wieder zu dem werden, was Minister im früheren monarchischen Obrigkeitsstaat waren: oberste Verwaltungsbeamte im Staatsapparat. Leute wie Sonnenkönig Ludwig der XIV., aber auch Wilhelm I. und II. von Preußen würden sich freuen. Schon deshalb ist es mit Blick auf das Demokratieprinzip nur konsequent, dass das geltende Ministergesetz die Mitglieder der Landesregierung nicht zu klassischen Beamten macht.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

An dieser Stelle aus gegebenen Anlass noch ein Blick auf die Funktion der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre. Dadurch, dass sie in Vertretung der Ministerinnen und Minister Entscheidungen vornehmen, Schriftstücke unterzeichnen und im Landtagsplenum sprechen, haben sie faktisch die Funktion von Stellvertreterinnen und Stellvertretern in der Ministerfunktion und gleichzeitig als Hausspitze. Rechtlich formal ist ihre Funktion aber als Beamtenfunktion definiert, wenn auch mit Besonderheiten bei der Entlassung; hier Stichwort politische Beamte. Als stellvertretende Ministerinnen und Minister erfüllen die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre ebenfalls vorrangig eine gesellschaftspolitische Gestaltungs- und Scharnierfunktion. Um diesen Widerspruch zwischen ihrer tatsächlichen Funktion in den staatlichen Strukturen und ihrer rechtlichen Einsortierung aufzulösen, hatte die Linke bereits in der 5. Wahlperiode in einem Gesetzentwurf die Abschaffung der Kategorie der politischen Beamten vorgeschlagen. Der dazugehörige zweite Linken-Gesetzentwurf zur Änderung des Ministergesetzes sah die Aufnahme der Staatssekretärsfunktion in den Kreis der Mitglieder der Landesregierung vor. Leider fanden damals beide Gesetzentwürfe im Landtag keine Mehrheit. Die CDU-Fraktion war vehement dagegen. Es waren gesellschaftspolitische Antworten der Linken-Fraktion auf Probleme, die die sogenannte „Affäre Zimmermann“ begründete, ein Staatssekretär in der Staatskanzlei der CDU-geführten Landesregierung.

 

Es geht bei den Mitgliedern der Landesregierung um die gesellschaftspolitischen Gestaltungsaufgaben und Funktionen. Sollten dazu Vorgaben wie zum Beispiel eine abgeschlossene Berufsausbildung mit zweijähriger hauptamtlicher Berufserfahrung festgeschrieben werden? Wobei sich schon die Frage stellt, was „hauptamtlich“ bedeuten soll. Würden nur Vollzeitbeschäftigte mit 40 Wochenstunden zählen, meine sehr geehrten Damen und Herren? Was ist zum Beispiel mit Menschen, die sich nach ihrer Berufsausbildung selbstständig machen? Würden diese Menschen ausgeschlossen werden? Was ist mit Menschen, die schon sehr früh in die Politik gehen und dort inhaltlich, fachlich sehr aktiv sind, aber eben keine formalen Berufs- oder Studienabschlüsse gemacht haben? Sollen diese Menschen trotz tatsächlich vorliegender fachlicher und persönlicher Eignung keine Chance auf eine gesellschaftspolitische Gestaltungsfunktion im Ministeramt haben?

 

Werte CDU-Fraktion, würde man die von Ihnen vorgeschlagenen Eignungskriterien für Ministerinnen und Minister wirklich strikt anwenden, hätte Willy Brandt mit seiner Biografie in Thüringen nie Minister werden können. Und dass Willy Brandt, auch wenn er nicht der CDU angehört hat, sondern der SPD, in seinen Funktionen zum Beispiel als Regierender Bürgermeister in Westberlin oder als Bundeskanzler persönlich wie fachlich dennoch ein sehr kompetenter Amtsinhaber war, müssen auch Sie, glaube ich, als CDU zugeben.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Dieses Beispiel, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigt exemplarisch, es gibt auch zahlreiche Menschen ohne formale Bildungs- und Berufsabschlüsse, die dennoch zur Erfüllung von Regierungsaufgaben persönlich und fachlich sehr geeignet sind. Legt man also für Ministerinnen und Minister oder auch für die Ministerpräsidentenfunktion formale Kriterien wie für ein klassisches Berufsbild fest, schließt man gegebenenfalls auch dafür geeignete Menschen von vornherein aus.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Dabei ist im Übrigen zu bedenken, dass die gesellschaftspolitischen Gestaltungsaufgaben in einer Landesregierung genau betrachtet überhaupt keinem klassischen Berufsbild entsprechen. Es kann nicht schaden, wenn man auch Erfahrung in Personalführung hat. Doch ebenso wichtig sind ein klares Verständnis gesellschaftlicher Zusammenhänge, Erfahrungen in gesellschaftspolitischer Gestaltungsarbeit, in der Zusammenarbeit mit Menschen bezogen auf inhaltliche Projekte sowie Kommunikationsfähigkeit über den eigenen Kreis hinaus und fachlich-inhaltliche Kompetenzen zu den Themenfeldern, in denen die jeweiligen Ministerinnen und Minister arbeiten. Die kann jemand aber auch besitzen, wenn er bzw. sie darüber keinen normalen, formalen Nachweis besitzt. Das alles spricht gegen eine Verrechtlichung der Auswahlkriterien zur Besetzung von Ministerfunktionen.

 

Wir werden uns als Linke-Fraktion der weiteren Diskussion dieser Thematik in den Ausschüssen trotzdem nicht verweigern und würden der Überweisung in den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz an der Stelle durchaus zustimmen. Danke schön.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dateien